Arbeiten bei der diakonie gleich öffentlicher dienst

Ist Gottes Segen genug? Bei kirchlichen Arbeitgebern gelten zum Teil ganz andere Regeln als in weltlichen Betrieben. Vor allem katholische Einrichtungen können ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Dinge vorschreiben, die bei weltlichen Firmen unmöglich wären. Und diese Vorrechte der Kirchen wurden als kirchliches Selbstbestimmungsrecht vom Bundesverfassungsgericht wiederholt bestätigt. Besonders bemerkenswert: Ein Verstoß gegen die katholischen Sitten kann zur Kündigung führen. Hier ist schon die sexuelle Orientierung ein ausreichender Kündigungsgrund. Allerdings gibt es inzwischen einige Lockerungen bei der Personalpolitik der Kirchen.

Kirchliche Unternehmen – die etwas anderen Arbeitgeber

Rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland sind bei evangelischen und katholischen Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas beschäftigt. Damit sind kirchliche Unternehmen nach dem öffentlichen Dienst der zweitgrößte Arbeitgeber des Landes. Von den etwa 50.000 kirchlichen Unternehmen finden sich unterschiedlichste Berufe, von dem Erzieher über die Hausmeisterin bis zu wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Nach Artikel 140 des Grundgesetzes sind alle Religionsgemeinschaften berechtigt, ihre eigenen Entscheidungen ohne staatliche Aufsicht zu treffen. Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in einem kirchlichen Unternehmen gilt daher das kirchliche Arbeitsrecht, welches sowohl allgemeingültige Bestimmungen des staatlichen Arbeitsrechts als auch Rechtsvorschriften der Kirche enthält. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, deren Beschäftigungsverhältnis unter das kirchliche Arbeitsrecht fällt, müssen zum Beispiel mit den Glaubensätzen ihres Arbeitgebers übereinstimmen und sich auf der Arbeit als auch privat nach diesen richten. Daher kann auch ein sogenannter Loyalitätsverstoß zu einer Kündigung führen.

Eingriffe ins Privatleben – was ist erlaubt?

In der Vergangenheit gab es einige aufsehenerregende Fälle, bei denen die Einschränkungen der Mitarbeiterrechte deutlich wurden. Bei sogenannten Loyalitätsverstößen im außerdienstlichen Verhalten hat die Kirche schon vielfach mit einer Kündigung reagiert. Zu den bekanntesten Fällen gehört die Kündigung eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses. Der Chefarzt ließ sich von seiner Frau scheiden und heiratete im Jahr 2008 erneut. Nur ein Jahr nach der zweiten Heirat erhielt er eine Kündigung. Im Jahr 2011 gab das Bundesarbeitsgericht seiner Klage dagegen zwar noch recht, doch das Bundesverfassungsgericht kassierte das Urteil und bestätigte die Kündigung aufgrund des Verstoßes gegen die katholische Sittenlehre. Daraufhin wandte sich das Bundesarbeitsgericht an den Europäischen Gerichtshof. Dieser entschied tatsächlich im Jahr 2018, dass die Kündigung nicht rechtens gewesen sei, da die Klink bei evangelischen oder konfessionslosen Ärzten eine Wiederheirat akzeptiert hätte.

Das katholische kirchliche Arbeitsrecht ist deutlich strenger als das evangelische Arbeitsrecht. Während in der evangelische Kirche Scheidung, Wiederheirat oder Homosexualität keinen Kündigungsgrund darstellen, sieht es bei katholischen kirchlichen Arbeitgebern in diesen Fällen eher schlecht für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus. Insbesondere homosexuelle Beschäftigte haben schlechte Karten, sobald sie sich zu ihrer Orientierung bekennen. In der katholischen Lehre ist Homosexualität wider die Natur und steht dem Ideal der klassischen Familie entgegen. Solange die sexuelle Präferenz versteckt wird, scheint die Welt der Kirche noch in Ordnung. Bekennt sich jedoch ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin eines katholischen Unternehmens zur Homosexualität oder heiratet gar den gleichgeschlechtlichen Partner, kann dies vom Arbeitgeber als Fehlverhalten gewertet werden und der Angestellte muss mit der fristlosen Kündigung rechnen.

In beiden großen Konfessionen genügt der Austritt aus der Kirche in jedem Fall, um einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin vor die Tür zu setzen. Die Europäische Kommission in Brüssel sieht in diesen Sonderregelungen eine Art von Diskriminierung. So besteht in Deutschland seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), doch die Kirchen genießen weiterhin Sonderrechte. Geradezu bizarr wirkt dies, da für einen Großteil der kirchlichen Angestellten die öffentliche Hand aufkommt. Caritas und Diakonie, die Wohlfahrtsverbände der katholischen und evangelischen Kirche, übernehmen im staatlichen Auftrag soziale Aufgaben, wofür Steuergelder verwendet werden. Der Staat hütet sich allerdings vor Eingriffen in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht.

Mitarbeitervertretung statt Betriebsrat, kaum Tarifverträge, kein Streikrecht

Die Sonderrechte konfessioneller Arbeitgeber in Deutschland reichen noch weiter. Das kirchliche Arbeitsrecht kennt nämlich keinen Betriebsrat, stattdessen können Arbeitnehmer sogenannte Mitarbeitervertretungen wählen. Im Gegensatz zum gesetzlich verankerten Betriebsrat hat eine Mitarbeitervertretung allerdings bedeutend weniger einklagbare Rechte und bleibt daher ein vergleichsweise machtloses Instrument – Regelungen von Arbeitszeiten oder die Betreuung von Auszubildenden bleiben hier außen vor.

Beim Arbeitsvertragsrecht berufen sich die Kirchen auf den sogenannten Dritten Weg. Weder werden Löhne und Gehälter allein vom Arbeitgeber (Erster Weg) noch über Tarifverträge (Zweiter Weg) festgelegt, sondern in paritätisch besetzten Gremien von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam ausgehandelt. Mit dem dritten Weg sollen außerdem Streiks vermieden werden. Stattdessen sucht man nach kooperativer Konfliktlösung – im Zweifel entscheidet ein Schlichter. Ein Streikrecht im eigentlichen Sinne gibt es für Arbeitnehmer konfessioneller Einrichtungen folglich nicht. Auch hier bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Privilegien der Kirchen und wies eine entsprechende Klage der Gewerkschaft ver.di als unzulässig ab. Die Bereitschaft, sich gemeinsam mit Gewerkschaftsvertretern an einen Tisch zu setzen, wächst allerdings in jüngerer Zeit.

Gehälter bei der Kirche

Grundsätzlich sehen die Kirche und kirchliche Organisationen keine Tarifverhandlungen vor. Einige evangelische Kirchen haben mittlerweile jedoch eigene Tarife eingeführt, um eine faire Bezahlung zu garantieren. Das älteste Beispiel für einen kirchlichen Tarifvertrag ist der Kirchlicher Arbeitnehmerinnentarifvertrag (KAT) in der Nordkirche, der bereits seit 1979 gültig ist. Viele der kirchlichen Tarifverträge wurden jedoch erst im letzten Jahrzehnt eingeführt.

Die Vergütung von katholischen Kirchenbeamten orientiert sich stark am Beamtenrecht des Bundes und der Länder. Es wird dabei zwischen Beamten auf Lebenszeit, Beamten auf Probe und Beamten auf Widerruf unterschieden. Die niedrigste Besoldungsgruppe liegt mit Gruppe A 13 zwischen 4.600 und 5.900 Euro brutto im Monat. Die höchste Besoldungsgruppe nimmt der Bischof mit B 8 ein. Seine monatliche Vergütung liegt somit bei ca. 12.000 Euro im Monat. Außerdem erhalten alle katholischen Beamten eine Besoldung als Beihilfe bei Geburten, Todesfällen und Erkrankungen.

Über weitere beispielhafte Jahresbruttogehälter für typische Berufe in der Kirche bietet die folgende Liste einen Überblick:

  • Gemeindereferent/-in, Pastoralreferent/-in: 37.300 – 55.200 €
  • Kaplan, Vikar/-in: 42.000 – 62.000 €
  • Kirchenmusiker/-in, Kantor/-in: 39.900 – 59.000 €
  • Küster/-in: 22.300 – 33.000 €
  • Pfarrer/-in, Pastor/-in: 40.500 – 60.000 €
  • Seelsorger/-in: 36.600 – 49.600 €

Neben den klassischen kirchlichen Berufen gibt es jedoch noch eine Vielzahl an weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten in einem kirchlichen Unternehmen. Zum Kircheneigentum gehören nicht nur zahlreiche Gebäude, sondern auch Friedhöfe, die gepflegt werden müssen. Außerdem gibt es kirchliche Medienangebote, Banken und Herstellungsfirmen, die entsprechendes Fachpersonal beschäftigen. Selbstverständlich gehören zu den kirchlichen Unternehmen auch noch zahlreiche soziale Einrichtungen und Hilfsorganisationen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in diesen Berufsfeldern unterwegs sind, verdienen in der Regel bei Religionsgemeinschaften — insbesondere, wenn es sich um Hilfskräfte handelt — weniger als in einem weltlichen Unternehmen.

  • Altenpfleger/-in: 34.300 – 40.700 €
  • Bestatter/in: 23.600 – 34.200 €
  • Gärtner/-in: 27.000 – 34.000 €
  • Erzieher/-in: 33.600 – 49.600 €
  • Fachangestellte/-r für Medien und Informationsdienste: 26.000 – 39.700 €
  • Hebamme / Entbindungspfleger: 37.200 – 49.000 €
  • Pflegefachkraft: 38.000 – 42.000 €

Hinzu kommen außerdem noch rund eine Million ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die unentgeltlich für kirchliche Arbeitgeber tätig sind. Auslagen und Spesen werden diesen Mitarbeitenden erstattet und es besteht ein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung.

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Die Kirche als Arbeitgeber

Nicht nur die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, auch die wenig zeitgemäßen Regelungen bezüglich des Privatlebens der Mitarbeitenden lockern sich in den Kirchen etwas. Offen homosexuellen Mitarbeitern droht in katholischen Kirchen inzwischen seltener die Kündigung als noch vor einigen Jahren, ebenso wird die Wiederheirat nach einer Scheidung zunehmend toleriert. Nur, wenn das Privatleben ein „erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft“ sei, würde dies als Loyalitätsverstoß eine Kündigung nach sich ziehen.

Dieses erhebliche Ärgernis sah die Kirche 2019 in dem Austritt eines Koches aus der Kirche. Das Landesarbeitsgericht erachtete die Kündigung jedoch als unwirksam, da der Glaube für die Arbeit des Koches in einer evangelischen Kindertagesstätte nicht von Bedeutung wäre. Es herrscht daher aktuell sehr viel Unsicherheit, inwieweit das kirchliche Arbeitsrecht noch gültig ist. Das setzt die kirchlichen Arbeitgeber unter Druck.

Auch einen erheblichen Imageschaden musste die Kirche in den letzten Jahren durch diverse Missbrauchsskandale erdulden. Die Veröffentlichung des Kölner Missbrauchsgutachtens zog zwar mehrere Rücktritte mit sich, jedoch steht die unabhängige Aufarbeitung von Missbrauch in katholischen Kirchen erst am Anfang.

Einen weiteren Schaden am Image nahm die Kirche Anfang des Jahres 2021, als die Caritas einen flächendeckenden Tarifvertrag für die Altenpflege ablehnte. Der Grund für die Ablehnung war die Angst vor der Beeinträchtigung des sogenannten Dritten Weges.

Durch die Verschärfungen der Vorgaben für Kirchen als Arbeitgeber und den aktuellen und vergangenen Skandalen haben die kirchlichen Arbeitgeber diverse Baustellen, um die sie sich kümmern müssen, wenn sie ein attraktiver Arbeitgeber sein wollen. Ob ein kirchlicher Arbeitgeber zu einem passt, muss jedoch jeder selbst entscheiden. Wer eine Beschäftigung bei der Kirche oder anderen kirchlichen Unternehmen anstrebt, sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass noch für die Kirche ein besonderes Arbeitsrecht gilt.

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