Unser Gehirn verknüpft jeden Denkinhalt mit Gefühlen und auch Sinnesinhalten. Je nachdem welche Sinne bei unseren Gedanken mit involviert sind, übernimmt das Gehirn die Steuerung unserer Augen. In manchen Fällen geschieht dies sehr deutlich, in anderen nur minimal. Besonders wenn wir uns an etwas erinnern oder uns etwas vorstellen, blicken unsere Augen in ganz bestimmte Richtungen. Folgendes lässt sich empirisch nachweisen.
Blick nach oben, geradeaus oder nach unten
Blicken wir mit unseren Augen auf, stellen wir uns gerade etwas Visuelles vor: Bilder, Szenen oder Farben.
Verläuft unsere Blickrichtung hingegen geradeaus – bleiben unsere Augen gewissermaßen auf Höhe unserer Ohren -, horchen wir in uns hinein und machen uns Auditives bewusst: Stimmen, Töne, Melodien oder Geräusche.
Richten wir unsere Augen dagegen nach unten, deutet dies auf kinästethische Denkinhalte hin. Diese verknüpft unser Gehirn mit unserem Tastsinn. Wir spüren Gefühlen oder Empfindungen nach und vergegenwärtigen uns Inneres.
Blick nach links oder nach rechts
Zweitens hat man durch Tests herausgefunden, welche Rolle die seitliche Ausrichtung unseres Blickes spielt. Eine Augenbewegung (aus Sicht des Beobachteten) nach links deutet darauf hin, dass der Beobachtete sich gerade an etwas erinnert. Blickt er oder sie nach rechts, deutet dies auf eine gedankliche Konstruktion hin.
- 1. Visuelle Erinnerung: Gegenüber blickt (aus seiner Sicht) nach links oben
Unser Gegenüber erinnert sich an etwas visuell oder sieht ein erinnertes Bild. - 2. Visuelle Konstruktion: Gegenüber blickt (aus seiner Sicht) nach rechts oben
Unser Gegenüber konstruiert etwas visuell.
- 3. Auditive Erinnerung: Gegenüber blickt (aus seiner Sicht) geradeaus nach links
Unser Gegenüber erinnert sich an bestimmte Töne, Geräusche oder Stimmen.
- 4. Auditive Konstruktion: Gegenüber blickt (aus seiner Sicht) geradeaus nach rechts
Unser Gegenüber konstruiert bestimmte Töne, Geräusche oder Stimmen.
- 5. Innerer Dialog: Gegenüber blickt (aus seiner Sicht) nach links unten
Unser Gegenüber führt ein Selbstgespräch.
- 6. Kinästhetische Inhalte: Gegenüber blickt (aus seiner Sicht) nach rechts unten
Unser Gegenüber spürt einem Körper- oder Tastgefühl nach. Schließlich gibt es noch den Fall, dass jemand geradeaus blickt, ohne etwas zu fokussieren. Er oder sie starrt ins Leere:
- 7. Tagträumen oder Nachdenken: Gegenüber blickt defokussiert geradeaus
Unser Gegenüber träumt oder denkt über etwas tief nach.
Visueller, auditiver oder kinästhetischer Typ
Die Coaching-Methode NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) unterscheidet drei Wahrnehmungstypen: den visuellen, auditiven und kinästhetischen Menschen. Diese verwenden unterschiedliche, sogenannte Repräsentationssysteme. Anders ausgedrückt: Sie betrachten die Welt mit unterschiedlichen Brillen:
- So sagt beispielsweise der visuelle Typ: Das sieht gut aus (und schaut tendenziell nach oben),
- während der auditive meint: Das hört sich gut an (und blickt nach vorne).
- Der kinästhetische Typ dagegen wird eher sagen: Das fühlt sich gut an (und richtet seine Augen nach unten).
Nutzen
1. Wenn Sie jemanden genau beobachten, können Sie an seinem Blick und an seinen Worten erkennen, zu welchem Typ oder Mischtyp dieser gehört. NLP rät dazu, im sogenannten Repräsentationssystem zu bleiben. Den kinästhetischen Typ fragen Sie also nicht: Wie sieht das für Sie aus? Sondern: Wie fühlt sich das für Sie an?
2. Wie beschrieben, verrät die Blickrichtung Ihres Gegenübers zur linken oder zur rechten Seite, ob dieser etwas erinnert oder konstruiert. Dies können Sie beispielsweise nutzen, um etwas zu überprüfen.
Fragen Sie zum Beispiel Ihr Kind: „Erinnerst du dich, was ich dir gestern dazu gesagt habe?“ Gehen die Augen Ihres Kindes nach links, erinnert es sich. Gehen Sie nach rechts, konstruiert es aller Wahrscheinlichkeit gerade etwas. Womit wir zum Schluss wieder beim Kommissar wären: Wandert der Blick eines rechtshändigen Verdächtigen bei seiner Aussage ständig nach rechts, deutet dies stark darauf hin, dass er sich nicht an etwas erinnert, sondern etwas konstruiert. Und genau das macht ihn noch verdächtiger.
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Angeblich ist das Erkennen von Augenbewegungsmustern im Gegensatz zu anderen nonverbalen Signalen, die sich auch in anderen Kommunikationsansätzen finden, eine originäre Neuentdeckung von Bandler und Grinder, den Begründern des Neuro-Linguistischen Programmierens. Beide haben angeblich in ihren Untersuchungen festgestellt, dass kurze, unbewusste Bewegungen der Augen in verschiedene Richtungen Aufschluss darüber geben können, aus welchem Repräsentationssystem gerade Informationen abgerufen werden. Die Personen zeigten jeweils typische Augenstellungen, wenn sie sich mental in einem bestimmten Sinnessystem (Repräsentationssystem) bewegten, sodass aus zahlreichen weiteren Untersuchungen schließlich ein Augenbewegungsmusterschema entstand, das nach Meinung von Bandler und Grinder sogar völlig unabhängig von der kulturellen Herkunft des Menschen seine Gültigkeit besitzen soll. Die Augenbewegung während eines Gesprächs können verraten, so nun die NLP-Theorie, mit welchem Typus von Menschen man es zu tun hat. Schaut jemand beim Sprechen immer wieder nach links oder rechts, so sei das ein Hinweis auf einen auditiven Menschen, denn ein Blick nach rechts heißt, dass er sich an Worte erinnert, während er sich bei einem Blick nach links eher Worte vorstellt. Im Fall eines Bewerbungsgesprächs, bei dem ein Kandidat nach oben schaut, verrät das dem Personaler, dass sein Kandidat versucht, Bilder abzurufen, ist also ein visueller Typus. Allerdings gibt es keinerlei empirische Belege, die die Annahmen belegen und diesen Ansatz der Blickrichtungsdiagnostik valide begründen könnten.
Uwe P. Kanning hat sich in seiner Kolumne über Mythen und Missstände im Bereich der psychologischen Führung, Personalauswahl und Personalentwicklung mit dem Mythos auseinandergesetzt, dass man Lügner an deren Blickrichtung erkennen könnte. Schaut jemand aus der Perspektive eines Interviewers betrachtet nach links, so ist er der Lüge überführt. In einem Laborexperiment wurden Probanden gebeten, in ein Büro zu gehen und dort einen Gegenstand an einer bestimmten Stelle abzulegen. Dabei wurden sie gefilmt. Später wurden sie aufgefordert, einer anderen Person von den Ereignissen im Büro zu berichten und dabei entweder zu lügen oder die Wahrheit zu sagen. Ergebnis: Probanden, die lügen, schauten nicht häufiger nach links als solche, die die Wahrheit sagten. In einem Feldexperiment wurde das Blickrichtungsverhalten von Menschen untersucht, die sich über die Medien an die Entführer eines Familienangehörigen wenden. Dabei wurde unterschieden zwischen Menschen, die sich tatsächlich an reale Entführer wendeten, oder aber im Nachhinein selbst als Täter oder Mittäter der Entführer enttarnt wurden. Ergebnis: Diejenigen, die vor der Kamera logen, schauten nicht häufiger nach links. Es gibt keine Studien, die zeigen, dass es sinnvoll wäre, einen Blick nach links als Ausdruck unwahrer Antworten zu interpretieren. In einigen neueren Experiment wiesen Wiseman et al. (2012) nach, dass die Augenbewegungen beim Lügen zwar etwas mit geistiger Anstrengung zu tun haben, etwa dem Abrufen von Wissen oder dem Rekapitulieren einer Geschichte, sie sind aber nicht spezifisch für Lügen. Wer allerdings an die Blickrichtungsdiagnostik glaubt, der wird insbesondere bei Interviews von Menschen, die ihm irgendwie dubios erscheinen, auf die Blickrichtung achten und natürlich wird der Bewerber früher oder später nach links schauen. Zufrieden nimmt der Interviewer zur Kenntnis, dass ihn sein Bachgefühl nicht getäuscht hat und hält den merkwürdigen Bewerber bereits jetzt für einen Lügner. Bei den nächsten Fragen achtet er noch stärker auf den Blick nach links und drängt den Interviewten damit immer weiter in die zurechtgebastelte Schublade. Bei Menschen, denen der Interviewer hingegen wohlgesonnen ist, achtet er weniger auf den Blick nach links oder interpretiert ihn korrekt als Zufallsereignis. Je häufiger ein Interviewer diesen Prozess durchläuft, desto größer wird die Resistenz seiner Erwartung gegenüber der Realität und irgendwann wird die Erwartung zur Gewissheit. Allerdings ist die Entwicklung dieses Verhaltens nur das Ergebnis einer selbsterfüllenden Prophezeiung.
Trotz unzähliger Versuche bleibt es im Grunde generell schwer bis unmöglich, an der Körpersprache abzulesen, ob ein Mensch lügt oder die Wahrheit sagt. Ein bestimmtes Verhalten, das immer einen Lügner entlarvt, gibt es daher nicht. Wer einen Lügner an seinem Verhalten erkennen möchte, sollte vielmehr auf Unregelmäßigkeiten achten, den oft verraten sich Lügner durch Abweichungen von ihrem gewohnten Verhaltensmuster. Siehe dazu Nonverbale Anzeichen für Lügen.