Was ist aus kai julius döring geworden

Hamburg : Retortenbaby Kay Iulius hat 90-jährige Oma

Hamburg Damit hat Christel nicht mehr gerechnet: Mit 90 Jahren ist sie Oma geworden. Sie ist die "echte" Großmutter von Kay Iulius, über dessen Eltern Manfred (68) und Christiane (51) Döring diskutiert wird, weil sie in ihrem Alter durch künstliche Befruchtung noch Nachwuchs bekamen.

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Im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung sagte Oma Christel, sie findet die späte Geburt ihres Enkels nicht bedenklich.

Wenn sie ihm das Fläschchen macht, muss Christiane Döring die Brille abnehmen. Altersweitsicht. Mit zusammengekniffenen Augen fixiert die 51-jährige die Abmessstriche auf der Plastikflasche, füllt abgekochtes Wasser ein und gibt Löffel für Löffel Milchpulver dazu. Kay Iulius schmeckt‘s.

Das viereinhalb Monate alte Baby hält beim Trinken das Fläschchen schon mit den kleinen Händen fest. Ob es ihm gefällt, die ältesten Eltern Hamburgs zu haben, kann man den kleinen Jungen mit den blaugrünen Augen zwar fragen, die Antwort ist aber eigentlich immer ein Lächeln. Oft graben sich kleine Grübchen in die vollen Pausbäckchen. Kay Iulius ist ein fröhliches Kind.

Dafür kann man die Eltern fragen, wie es ist, ständig für Oma und Opa gehalten zu werden: Manfred Döring, pensionierter Philosophielehrer, 68, und seine Frau Christiane, 51, Lehrerin für Latein und Französisch. „Das kommt oft vor, stört uns aber nicht. Wir bekommen großteils positives Feedback, wenn wir mit Kay Iulius unterwegs sind“, sagt die wohl älteste Mutter der Stadt.

Mut für kinderlose Paare

Laut Statistikamt Nord lag das Durchschnittsalter von Hamburger Frauen bei der Geburt ihres Kindes bei 31,03. Das Alter der Väter wird nicht erfasst. Unter den 17.125 Hamburgerinnen, die 2011 ein Kind zur Welt gebracht haben, war nur eine 50-Jährige. Der statistische Ausreißer war noch ein Jahr jünger als die 51-jährige Christiane Döring, als sie am 8. Februar ihren Sohn in der Asklepios Klinik Harburg zur Welt brachte. „Leider musste er am Ende doch per Kaiserschnitt geholte werden, die Wehen wollten einfach nicht einsetzen.“

Sie verlässt das Wohnzimmer und holt das Fotoalbum. Bilder einer erschöpften Frau umgeben von grünen Tüchern auf einem Bett im Kreißsaal, auf dem nächsten der Vater. Im Arm hält er seinen Sohn. In beiden Gesichtern Falten. Manfred Döring ist gezeichnet vom Leben, Kay Iulius vom Start in seines. Für die Dörings hat das mit Nabelschau nichts zu tun. Das Ehepaar aus Harburg will kinderlosen Paaren Mut machen. „Wir wollen alten, aber auch gleichgeschlechtlichen Paaren zeigen, dass es immer Wege gibt, auch wenn in Deutschland viel verboten ist“, sagt Christiane Döring. Deshalb erzählen sie ihre Geschichte.

„Meine Hormone auch nicht mehr so dolle“

Es ist eine Geschichte, die von großer Hoffnung und großer Enttäuschung erzählt, von kleinen Erfolgen und großen Rückschlägen. Und es ist eine Geschichte, die letztlich doch ein Happy End hat. Als die Dörings ihre Geschichte erzählen, hält die 49 Jahre alte Freundin Gülmira aus Kirgistan dieses pausbäckige Happy End im Arm. Die befreundete Lehrerin hat selbst zwei Kinder groß gezogen und gibt jetzt den Dörings Tipps für ihren kleinen Kay Iulius. Nachhilfe für das Lehrerpaar.

Im Klartext reden brauchen sie keine Nachhilfe. Döring sagt Sätze wie diesen: „Mein Mann ist zeugungsunfähig und meine Hormone waren auch nicht mehr so dolle.“ Neben ihr auf der durchgesessenen Couch mit Blumenmuster sitzt Manfred Döring und nickt. Zwanzig Jahre lang haben sie „es versucht“, die Hoffnung nicht aufgegeben wollen. Doch Christiane Döring wurde einfach nicht schwanger.

So wie den Dörings geht es 15 Prozent aller Paare in Deutschland. Sie bleiben ungewollt kinderlos. „Etwa vier Millionen Menschen leiden an dem Schicksal der Unfruchtbarkeit“, sagt Professor Christoph Keck, Leiter des Fachbereichs Gynäkologie am Endokrinologikum Hamburg.

Ärzte sind für sie Krankheitserfinder

Drei Viertel aller Deutschen unter 50 Jahren wünschen sich Kinder. Obwohl die Geburtenraten sinken, bleibt der Wunsch, Nachwuchs zu bekommen, ein Lebensziel. Wichtiger noch, als Kinder zu haben, ist die Sicherheit, welche bekommen zu können. Und wenn es einfach nicht funktioniert, leiden die Paare im Verborgenen. Wie die Dörings trauen sich viele erst nach einer quälend langer Zeit aus dem gesellschaftlichen Abseits. Zwar gilt Zeugungsunfähigkeit als medizinisch behebbar, aber sie ist noch immer ein Tabu. Und das obwohl mehr als 50 Prozent der über 35-Jährigen mit Kinderwunsch eine künstliche Befruchtung nutzen. Vor 15 Jahren waren es noch unter 40 Prozent.

Auch Christiane Döring und ihr Mann wagten den Schritt und besuchten 2008 zum ersten und zum letzten Mal das Endokrinologikum Hamburg. Wie die Ärzte mit ihnen umgegangen seien, habe dem Paar gar nicht gefallen. „Sie haben gleich zu mir gesagt, dass ich die älteste Frau wäre und sie das nicht machen könnten. Meinem Mann haben Sie nach einem Spermiogramm eine Krebsvorsorgeuntersuchung empfohlen anstatt ein Kind“, sagt Christiane Döring empört. „Da sind wir geflohen.“ Ihr Mann nickt. Ärzte nennt sie Krankheitserfinder.

„Es tut uns leid, Sie sind zu alt“

Die Dörings ziehen sich daraufhin wieder zurück in das gesellschaftliche Abseits. Zurück in ihre abbezahlte Reihenhaushälfte in einer beschaulichen Seitenstraße neben der Technischen Uni Harburg. Im Verborgenen suchen sie nach Lösungen, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Endlich Eltern werden! Irgendwie.

„Wir haben irgendwann auch versucht, ein Kind zu adoptieren“, sagt Christiane Döring. Die Organisation „Help a Child“ habe auf ihr Schreiben aber nur geantwortet: „Es tut uns leid, Sie sind zu alt, wir sind eine seriöse Organisation.“ Die lange Zeit ungewollt Kinderlose regt sich heute noch auf, wenn sie von dieser Antwort spricht. „Das war 2010, als das schlimme Erdbeben Haiti erschüttert hat, ich hätte ja sogar perfekt französisch sprechen können mit dem Kind.“ Dass es allein an ihrem hohen Alter liegen mag, das hat sie nie akzeptiert wollen. Auch nicht, dass ihr großer Kinderwunsch an ihrem Alter scheitern sollte.

Also suchen sie weiter. Im Internet finden sie Organisationen, die kinderlosen Paaren aus Deutschland helfen. Die Dörings, die der Schulmedizin misstrauen, entscheiden sich für die letzte Möglichkeit, sich den Kinderwunsch zu erfüllen. „Wir waren auf Fremdmaterial angewiesen – wir brauchten nicht nur einen Samenspender, sondern auch eine Eizellenspenderin“, sagt Christiane Döring. Dass Männer in Deutschland legal spenden dürfen, Frauen aber nicht, können die Dörings nicht verstehen.

Deutschland ist rückständig

Ähnlich sieht das auch Prof. Christoph Keck vom Zentrum für Fortpflanzungsmedizin in Hamburg. Der Leiter des Fachbereichs Gynäkologie am Endokrinologikum Hamburg findet das Verbot der Eizellenspende in Deutschland unsinnig. „Wir kämpfen seit Jahren diesbezüglich gegen die veralteten Regelungen des Embryonenschutzgesetzes von 1991, in dem das Verbot verankert ist. Ich als Arzt mache mich angreifbar, wenn ich verzweifelten Frauen sagen würde, dass die Eizellenspende in Ländern wie Spanien, Tschechien, Russland legal ist“, sagt Keck. Dabei sei die Eizellenspende in kontrolliertem Umfeld genauso vertretbar wie die Samenzellenspende, aber Deutschland sei da rückständig.

Bei Frauen ab 45 Jahren sei die Eizellenspende aber oft der einzige Weg, um sich noch den Kinderwunsch zu erfüllen. „In der heutigen Zeit des Internets ist es Augenwischerei, dass schon die Beratung durch einen Arzt wie das Anstiften zu einer Straftat gewertet wird. Und das, obwohl eine medizinisch fundierte Beratung auch aus ethischer Sicht sehr wichtig wäre“, sagt Keck.

Das Geheimnis der leiblichen Eltern

Auch die Dörings suchen ohne medizinische Beratung nach einer geeigneten Organisation. „Wir haben einfach einen Preis-Leistungs-Vergleich gemacht und dann die Organisation ausgewählt, die am wenigsten Untersuchungen von uns verlangt hat.“ Das ist der Grund, warum sich die Dörings für Tschechien entschieden haben. Eine Auswahl nach diesen Kriterien findet der Hamburger Experte für Fortpflanzungsmedizin unverantwortlich. „Die Hightech-Medizin in Anspruch zu nehmen, sich aber vor sinnvollen und medizinisch indizierten Vorsorgeuntersuchungen zu drücken, das halte ich für fahrlässig“, sagt Prof. Christoph Keck.

Die Dörings schwärmen von dem unkomplizierten Ablauf der Behandlung und natürlich von dem Ergebnis. Kosten: 7000 Euro. Während der kleine Kay Iulius sein Fläschchen wegputzt, erklärt seine Mutter gerade Fachbegriffe aus der Fortpflanzungsmedizin. „Die In-Vitro-Fertilisation ist einfach eine künstliche Befruchtung im Reagenzglas – in unserem Fall wurde eine Eizelle von einer Tschechin mit einem Samen eines Tschechen befruchtet“, sagt Döring. Das Ehepaar aus Harburg hat unterschrieben, nie nach der Identität der Spender zu suchen. „Es sollen Studenten sein, sicher ist, dass beide unter 25 Jahre alt sind.“ Mehr wird der kleine Kay Iulius wohl nie über seine leiblichen Eltern erfahren.

Schwangerschaft ohne Komplikationen

Um ihren Sohn auszutragen, musste sich Christiane Döring einen Monat lang Hormone spritzen, die ihren eigenen Haushalt völlig abschalten sollten. „Dann habe ich einfach angerufen und Bescheid gesagt“, sagt Döring. Die Antwort aus Tschechien: „Gut, dann melden wir uns, wenn die Eizelle befruchtet ist.“ Nur vier Tage später kam der Anruf. Die Dörings fuhren mit dem Zug nach Tschechien, und der Eingriff, bei der die befruchtete Eizelle (nach der ersten Zellteilung als Blastozyste bezeichnet) mit einem Schlauch in ihre Gebärmutter eingesetzt wurde, dauerte nur zehn Minuten. „Dann musste ich noch eine halbe Stunde liegen bleiben, damit sich die Eizelle einnistet“, sagt Christiane Döring.

14 Tage später hat sie dann zu Hause den Schwangerschaftstest gemacht und ihren Mann geweckt. „,Du, ich glaub, das ist was geworden‘ habe ich damals gesagt.“ Dörings Geschichte ist auch eine der großen Angst und Zweifel. „Ich konnte es gar nicht glauben, deshalb habe ich das nochmals im Labor mit einem Bluttest bestätigen lassen.“ Christiane Döring ist eine Frau, die es gerne genau hat. In der Schwangerschaft ohne Komplikationen blieb den Dörings genug Zeit für ausführliche Namenslisten. „Wir haben erst mal 150 Namen notiert, die in die engere Auswahl kamen. Vier sind es jetzt geworden“, sagt Christiane Döring. Ihr Sohn heißt Kay Iulius Donatos Manfredo Döring.

Im Todesfall würde eine Freundin übernehmen

„Kay haben wir in Anlehnung an Cäsar gewählt, und Donatos ist das Partizip Perfekt Passiv vom Lateinischen donare, d. h. spenden, übersetzt: dem Manfred geschenkten“, sagt sie und guckt ihren Mann an. Sein Sohn, das Geschenk. „Mit einem Kind sieht man alles neu, das ist ein großes Glücksgefühl“, sagt Manfred. Einige seiner ehemaligen Kollegen hätten ihm nicht gratuliert. Er findet es ungerecht, dass ihm Egoismus vorgeworfen wird. „Das ist unfair, als ob wir kein Kind mehr aufziehen könnten.“

Seine Frau pflichtet ihm bei. „Wir lieben unser kleines Kuschelchen über alles und können ihm so viel mitgeben“, sagt Döring, die am Gymnasium Buxtehude unterrichtet und nach den Sommerferien Elternzeit nimmt, um bei ihrem Wunschkind bleiben zu können. Und bei ihrem Mann. Der pensionierte Studienrat ist ja sowieso da. Er muss ja nicht mehr in die Schule.

Um ihr hohes Alter machen sie sich keine Sorgen. „Wir sind top gesund, und wenn doch mal was sein sollte, haben wir alles testamentarisch geregelt“, sagt Christiane Döring. „Wenn wir beide sterben, wird unser Sonnenschein bei einer guten Freundin aufwachsen.“ Auch wenn sie erst lernt, wie man eine Datei bei einer E-Mail anhängt, macht sie sich keine Sorgen. „Am Computer können wir ihm später zwar nichts erklären“, sagt die Lehrerin. „Aber dafür gibt es ja PC-Unterricht in der Schule.“

Wie alt ist Kay Iulius heute?

Die Mutter ist 56, der Vater 73: Die Eltern von Kay Iulius (5) könnten seine Großeltern sein.

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Was ist aus Familie Döring geworden?

Beim Hamburger Ehepaar Döring kam der Nachwuchs erst kurz vor der Rente. Vater Manfred ist 69 und Mutter Christiane 52 Jahre alt, als sie sich über ihr erstes Kind freuen. Sohn Kay Julius kam dank Eizellen- und Samenspende auf die Welt. Wir haben die Familie einige Jahre nach unserem ersten Dreh wieder getroffen.

Wann wurde Kay Julius Döring geboren?

Einzelnachweise.

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