Was tun wenn das kind kifft

Stand: 01.02.2016 10:17 Uhr  | Archiv

Der spezifische Geruch von Cannabis an der Kleidung sowie gerötete Augen sind Anzeichen dafür, dass jemand kifft.

Etwa jeder dreizehnte Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren hat mindestens ein Mal schon Hasch oder Marihuana zu sich genommen. Wie Eltern damit umgehen sollten, wenn Tochter oder Sohn einen Joint probiert hat und wo sie Hilfe bekommen, wenn sie gar ein Abhängigkeit befürchten, erklärt Oliver Voß-Jeske, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, im Interview. Der Mediziner leitet eine stationäre Drogentherapie-Einrichtung für Jugendliche, das "Come In!" in Hamburg.

Müssen sich Mütter und Väter schon Sorgen machen, wenn sie feststellen, dass ihr Kind Hasch oder Marihuana probiert hat?

Oliver Voß-Jeske: Cannabis auszuprobieren ist zunächst einmal nichts Ungewöhnliches im Jugendalter. Ähnlich wie erste Erfahrungen mit der Wirkung von Alkohol zu machen, gehören Neugier und Austesten, gerade auch von Verbotenem, zum normalen Verhaltensspektrum Jugendlicher.

Was sind Anzeichen dafür, dass Jugendliche Cannabis konsumieren?

Voß-Jeske: Typische Anzeichen für Cannabiskonsum Jugendlicher sind gerötete Augen und der spezifische Geruch der Kleidung. Jugendliche hängen plötzlich Kleidung zum Lüften raus. Heimlichtuerei oder Rumgealbere können Hinweise sein, aber auch abendliche Fressattacken. Ungewöhnliche Trägheit oder schlechtes morgendliches "In-die-Gänge"-Kommen ebenso.

Wie sollten Eltern dann reagieren?

Voß-Jeske: Interessiert und ohne Panik oder Dramatisierung auf die Jugendlichen zugehen und sie direkt darauf ansprechen. Reaktionen wie Empörung, Katastrophisierungen, Drohungen, Strafen oder das Aussprechen von Kontaktverboten bringen wenig. Sie haben eher gegenteilige Effekte. Wichtig ist das Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen nicht zu gefährden. Eine kritische Haltung seitens der Eltern sowie das Benennen eigener Sorgen sind dabei natürlich absolut in Ordnung. Sie sollten aufmerksam bleiben, ohne zu sehr zu kontrollieren. Ein entspannter, nicht investigativer Austausch mit anderen Eltern kann ebenso hilfreich sein wie das Kennenlernen des Freundeskreises.

Darüber hinaus ist es hilfreich, sich über aktuelle Trends beim Drogenkonsum Jugendlicher, spezifische Wirkungen und etwaige Gefahren zu informieren. Informationen gibt es im Internet, zum Beispiel auf den Seiten des Vereins "Keine Macht den Drogen" (Linkliste), im Angebot der Initiative mindzone.info oder auch in Buchform im Aufklärungsbuch "High Sein" von Böckem und Jungaberle.

Ab welchem Maß würden Sie von Abhängigkeit sprechen?

Voß-Jeske: Problematisch und behandlungsbedürftig wird der Cannabiskonsum, wenn er missbräuchlichen oder gar abhängigen Charakter annimmt. Es entwickelt sich ein starkes Bedürfnis bis hin zu einem Zwang, die Droge zu konsumieren. Die Gedanken kreisen zunehmend um den Konsum des Cannabis und um die Frage, wie die Droge zu beschaffen ist.

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Hinweise dafür, dass sich ein Cannabismissbrauch oder eine Abhängigkeit entwickelt haben, sind die Vernachlässigung von Interessen und Hobbys, Leistungsabfall und/oder Zunahme der Fehlzeiten in der Schule, Antriebsminderung, Lustlosigkeit, Verhaltensänderungen hin zu einer "Egal"-Haltung, Wechsel des Freundeskreises, Wegbleiben von Zuhause, Beginn von morgendlichem Konsum. Um sich die kostspieligen Drogen weiter besorgen zu können, fangen die Jugendlichen in dieser Phase oft damit an, Ausreden zu finden und Lügengeschichten zu erzählen, um an Extrageld von Eltern oder Großeltern zu kommen. Auch beginnen viele Jugendliche in dieser Situation, Geld oder Wertgegenstände zu klauen oder sich auf anderen illegalen Wegen zu besorgen.

Wo erhalten Eltern Hilfe, mit der Situation umzugehen, wenn ihr Kind regelmäßig Cannabis konsumiert oder sogar vermutlich schon abhängig geworden ist?

Voß-Jeske: Eltern können sich in dieser Situation an Drogen- oder Suchtberatungs- sowie auch Erziehungsberatungsstellen wenden. Sie finden auch weiterführende Hilfen auf den oben genannten Internetseiten. 

Dass Jugendliche auch Cananbis mal ausprobieren, hält Oliver Voß-Jeske für normal.

Gibt es auch in ländlicheren Regionen Beratungs- und Therapiemöglichkeiten?

Voß-Jeske: Drogenberatungsstellen gibt es eigentlich in allen Kreisstädten und anderen zentralen Orten. Diese sind teils von den Gemeinden, teils von freien Trägern organisiert und beraten auch anonym. Dort gibt es zudem die Möglichkeit, dass die Jugendlichen ambulante therapeutische Unterstützung bekommen und  zum Beispiel an Gruppenangeboten teilnehmen. Sollte die Abhängigkeit so stark ausgeprägt sein, dass eine stationäre Entgiftungsbehandlung oder eine daran anschließende  Entwöhnungstherapie notwendig sind, so finden erstere in speziellen Drogenentzugskliniken für Jugendliche oder in speziellen Abteilungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie statt. Langfristige Entwöhnungstherapien sind in der Regel überregional. So nehmen wir in unserer Fachklinik etwa Jugendliche aus ganz Deutschland auf.

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