Wer Tiere liebt muss Tiere essen?

Aber mal von Anfang an, worum geht’s? Der erwähnte Artikel trägt den wunderschönen Titel „Wer Tiere liebt, sollte sie essen“. Wenn ihr euch jetzt denkt „Hä?“- Keine Sorge, so gings mir auch. Also schauen wir uns den Text doch mal genauer an. Spoiler: Spaß wird das nicht machen.
„Eine Welt voller Vegetarier wäre keine gute. Denn wer Leid verhindert, indem er Leben verhindert, verhindert auch Glück.“ So beginnt der Artikel von Christina Berndt. Sie stellt fest, dass sich immer mehr Menschen dazu entscheiden, auf Fleisch oder ganz auf tierische Produkte zu verzichten. Dabei lässt sie sich es natürlich nicht nehmen, nochmal den altbekannten „Witz“ über Vegetarier*innen und Veganer*innen zu recyclen. Wie man die erkennt? Na, sie erzählen’s dir! Was ein Schenkelklopfer. Habe ich ja noch nie gehört. Aber schön, dass schon in den ersten Zeilen das Niveau des Artikels offengelegt wird.
Der ganze Text ist gespickt von Zitaten verschiedener Philosophen, um den Anschein von moralischer Unwiderlegbarkeit zu wahren. Veganer*innen und Vegetarier*innen seien die natürlichen Feinde aller Tiere, die gezüchtet würden, um gegessen zu werden. Denn Vegetarier*innen würden Leben verhindern. Der Mensch hätte die moralische Pflicht, Fleisch zu essen. Dieses fragwürdige Statement stammt von dem Philosophen Nick Zangwill. Um den Artikel nochmal mit etwas Pseudowissenschaftlichkeit zu unterfüttern, wird extra hervorgehoben, dass der Herr Professor an dem University College London ist. Tiere existieren also nur, damit sie auf unserem Teller landen. Wollen wir weniger Fleisch essen, dann nehmen wir den Tieren ihr Leben weg. Die Autorin und der Philosoph sind gegen Veganismus, weil dann Tiere, die nur für die Schlachtung und den Verzehr gezüchtet werden, gar nicht erst zur Welt kommen. Ihnen wird also, wenn man so will, ihr Leben vorenthalten. Okay, also wollen die beiden, dass Tiere leben? Aber nur so lange bis wir uns dazu entscheiden, ihnen ihr Leben wieder wegzunehmen, weil es so gut schmeckt? Das als moralische Pflicht zu bezeichnen, ist auch eine interessante Auffassung von Moral.
Woher nehmen wir uns das Recht, zu behaupten, unser Leben sei mehr wert als das von anderen Lebewesen? Die Autorin stellt richtigerweise fest, dass Tiere fühlende, lust- und schmerzempfindende Wesen sind. Sie erkennt, dass das Leben in Massentierhaltung wohl kein sonderlich glückliches Leben ist. Und dennoch kommt sie zu der absurden Schlussfolgerung: Joa, den Tieren geht’s absolut scheiße, aber wie traurig wäre die Welt doch ohne die misshandelten Tiere? Ihr Argument: „auf die Lebensqualität kommt es an“. Ist der Tod dann weniger schlimm? Ist es dann plötzlich okay, einem Tier das Leben zu nehmen, wenn es glücklich ist? Ist das nicht eigentlich noch grausamer? „Das Mindeste, was wir Schlachttieren schulden, ist ein Leben vor dem Tod.“ Dann haben wir die absolute moralische Legitimation, die Tiere zu töten? Ganz nach dem Motto, man soll gehen, wenn‘s am schönsten ist? Würden wir das bei unserem Hund auch so machen? Uii guck mal, wie süß der mit dem Schwanz wedelt, der sieht so happy aus! Lieber Hund, ich glaube deine letzten Stunden haben geschlagen. Aber wir differenzieren lieber zwischen Nutz- und Haustieren, um uns nicht schlecht fühlen zu müssen, wenn wir die Einen nur benutzen, sind ja schließlich Nutz-Tiere. Diese willkürliche Konstruktion von Tieren, die man schlachten darf und Tieren, die mit uns gemeinsam im Bett schlafen dürfen, nennt man im Übrigen Speziesismus. Wer hat denn entschieden, dass es Nutztiere gibt? Ist diese Bezeichnung nicht absolut widerlich? Gibt es auch Nutzmenschen? Oh ja, glaub da klingelt was, „Sklaven“ hat man das mal genannt, oder?
Wenn Menschen den Tieren doch so überlegen sind, warum machen sie dann nicht Gebrauch von ihrer Fähigkeit, Empathie empfinden zu können? Heutzutage sind wir nicht mehr auf tierische Produkte angewiesen. Wir müssen nicht mehr in der Wildnis jagen gehen. Der einzige Grund, Fleisch, Milch oder Eier zu essen, ist deren Geschmack. Gesundheitlich gibt es keine Begründung, tierische Produkte zu konsumieren. Wir brauchen keine tierischen Produkte, wir brauchen Nährstoffe. Wenn Menschen doch so viel besser sind als Tiere, warum stellen wir uns dann trotzdem auf die gleiche Stufe und begründen unseren Fleischkonsum damit, dass Tiere sich in der Wildnis ja auch gegenseitig fressen oder damit, dass wir das doch schon immer so gemacht haben? Wir leben in einer hochentwickelten modernisierten Welt, in der nahezu nichts mehr natürlich ist. Smartphones, Autos, Heizungen, Supermärkte, … Alles Erfindungen der Neuzeit. Aber wenn‘s um Essen geht, sind wir auf einmal wieder Steinzeitmenschen? Come on.

Am laufenden Bande widerspricht sich die Autorin selbst, scheinbar ohne es zu merken. Das Misshandeln von Tieren in der Massentierhaltung findet sie zwar auch nicht so gut, aber „Nutztiere können ja durchaus ein gutes Leben führen, auch wenn sie eines Tages getötet werden. Aber bis dahin empfinden sie Lebenslust, werden von ihrer Mutter geliebt, lernen laufen, balgen sich mit ihren Geschwistern, machen Erfahrungen und Entdeckungen und erfreuen sich an saftigem Gras und vollem Korn.“ Süß, dass offenbar noch immer Menschen glauben, dass „Nutztiere“ so leben. Wer so eine Vorstellung hat, sollte dringend eine Doku über Massentierhaltung sehen. Da gibt es kein grünes Gras und volles Korn, da gibt es kalte Metallstangen, Dunkelheit und Antibiotika im Futter.
„Wer Tierrechte verteidigt, darf das nicht nur mit Blick auf Schmerz und Leid tun“ Worauf soll der Blick denn sonst sein? Sollen wir lieber weiter die Augen vor der Realität verschließen und so tun als gäbe es nur Bilderbuchbauernhöfe mit glücklichen Kühen auf grünen Wiesen? Der Text ist ein einziges Bullshit-Bingo: „Auch in der Wildnis müssen Tiere leiden und sterben“ Ja klar, das ist der Gang der Natur. Aber inwiefern rechtfertigt das denn jetzt, was wir jeden Tag mit Tieren machen? Wie kann dadurch Massentierhaltung legitimiert werden? Nur mal kurz zur Veranschaulichung: Laut dem Statistischen Bundesamt wurden im Jahr 2020 759 Millionen Tiere geschlachtet. 7 5 9 Millionen!
„Die wenigsten Menschen würden ihr ganzes Leben infrage stellen, nur weil es mit dem Tod und auch oft mit Krankheit endet. Warum blicken wir auf Tiere nur unter diesem Aspekt?“ Hm, weiß auch nicht, vielleicht weil der Vergleich gar keinen Sinn ergibt? Das systematische Quälen und Töten von Tieren ist halt was anders, als wenn ein Mensch beispielsweise an Krebs erkrankt oder einfach sein Leben lebt, bis er eines natürlichen Todes stirbt. „Leben bedeutet Leiden, zumindest ein Stück weit. Und doch ist das Leben, auch wenn es einem zwischendurch mal sehr schlecht geht, ein Geschenk.“ Ein freies Leben, das von Höhen und Tiefen gekennzeichnet ist mit der Gefangenschaft der Tiere in Massentierhaltung zu vergleichen, ist an Zynismus nicht zu überbieten.
„Bei einem Leben ohne Tiere fehlt ja auch der Umgang mit ihnen“ Das ist der Denkfehler, der sich durch den gesamten Text zieht. Dürfen Tiere nur existieren, wenn wir einen Nutzen davon haben? Wir brauchen keine tierischen Produkte, um uns zu ernähren. Aber das heißt doch nicht, dass Tieren ihr Existenzrecht abgesprochen wird? Warum können wir denn nicht friedlich koexistieren? Weil wir die Tiere dann nicht mehr ausbeuten können? Hat man das Recht zu leben nur, wenn man geschlachtet und gegessen wird? Woher haben dann wir Menschen unser Recht zu leben? Eine Welt ohne Tiere stimme die Autorin traurig. Die armen Kinder könnten gar nicht mehr lernen, „fremde Wesen, auch wenn man sie nicht versteht, zu respektieren, sich auf die nonverbale Kommunikation mit ihnen einzulassen und mit ihnen umzugehen“. Aber das ist doch das Stichwort: Respekt. Können Kinder den Umgang mit Tieren nur erlernen, wenn diese ein qualvolles Leben unter Schmerzen und Leid führen? Geht das nur, wenn die Tiere getötet werden? Oder ginge das vielleicht auch, wenn man die Tiere einfach in Ruhe lässt? Die Kinder würden dann doch viel eher lernen, was ein respektvoller Umgang ist. Wenn sie lernen, dass Tiere auch einfach nur leben wollen. Und, by the way, wer kennt ihn nicht, den Kindergartenausflug in die Massentierhaltung, um die Kühe und Schweine bisschen zu streicheln? Ich frage mich auch, mit welche*r Veganer*in die Autorin bitte gesprochen hat, dass sie auf die Idee kommt, das Ziel der veganen Bewegungen wäre das Auslöschen aller Tiere auf der Welt. Dem Veganismus geht es darum, wieder ein Bewusstsein für Leben und viel wichtiger ein Bewusstsein für Töten zu bekommen. Es geht darum, zu erkennen, dass diese absurd hohen Schlachtzahlen auf keinste Weise zu rechtfertigen sind. Aber es geht doch nicht darum, dass die Welt ohne Tiere sein soll. Wenn man Tiere nur als Nahrungsmittel sieht, dann klar: Veganismus gleich Welt ohne Tiere. Wir könnten aber auch mal unsere menschliche Arroganz ablegen und aufhören, davon auszugehen, dass Menschen die einzigen würdevollen Lebewesen sind. Dann würden wir vielleicht erkennen, dass jedes Leben das Recht auf Existenz hat.
„Außerhalb der Massentierhaltung haben Kühe und Schweine auf Bauernhöfen immer noch Namen. Landwirte lieben ihre Tiere, und am Sonntag isst man eben Lisa.“ Excuse me, what? Für mich klingt diese Aussage unfassbar befremdlich. Abgesehen davon, dass es das Töten kein Stück besser macht, wenn die Kuh nicht Kuh, sondern Lisa heißt, ist der Satz immer noch problematisch. Wir essen natürlich alle nur das gute Bio-Fleisch vom netten Bauern um die Ecke, man kennt‘s. Aber warum genau kommt dann laut dem Deutschen Tierschutzbüro unser Fleisch zu 97 Prozent aus der Massentierhaltung? Wer isst das denn, wenn wir doch alle nur das Fleisch der glücklichen Tiere von der Wiese nebenan essen? Philosophische Fragen…
Der Artikel liest sich nur wie eine weitere Rechtfertigung einer Fleischesserin, die verzweifelt versucht, ihren Konsum ins gute Licht zu rücken. Immer wieder erkennt sie ja sogar die Missstände in der Tierhaltung und kritisiert diese. Aber anstatt daraus den Schluss zu ziehen, dass wir etwas ändern sollten, sucht sie die Schuld bei Vegetarier*innen und Veganer*innen. Nicht der maßlos überzogene Konsum tierischer Produkte ist das Problem. Nein, es sind die bösen Veganer*innen, die den Tieren ihr schönes Leben vorenthalten wollen! Ich frage mich wirklich, was die Intention der Autorin war. Ist es der unbedingte Wille, edgy zu sein? Ist es die Angst, dass das geliebte Steak nicht mehr ohne schlechtes Gewissen genossen werden kann? In mir schwingt noch die kleine Hoffnung, dass der Text vielleicht einfach Satire ist und durch seine unsinnige Argumentation aufzeigen soll, wie inhaltsleer die Rechtfertigung unseres überzogenen Konsums ist.
„Tierhaltung und Fleischproduktion verursachen erhebliche Mengen von Treibhausgasen und bedeuten einen eklatanten Wasserverbrauch. Deshalb muss man den Fleischkonsum im Land unbedingt drosseln“. Ja, Punkt! Leider geht der Satz aber noch weiter und die Autorin verrennt sich erneut in ihrem Irrtum. Es grenzt wirklich an Wahnsinn, sogar zu erkennen, dass wir unseren Fleischkonsum dringend reduzieren sollten, aber dann trotzdem weiter zu argumentieren, dass das gleichbeutend mit der Eliminierung allen tierischen Lebens ist. Angesichts der Klimakrise ist der Text einfach nur unverantwortlich. Aber hey, wenn wir alle ausgestorben sind, weil wir den Planeten endlich zerstört haben, brauchen wir uns auch keine Gedanken mehr über unseren Fleischkonsum machen. Dann lebt niemand mehr, weder Mensch noch Tier. Win-Win!

Wer Tiere liebt sollte sie essen Text?

Wer Tiere liebt, respektiert und schätzt, sollte sie keinesfalls essen – denn Mitleid ist zu wenig!

Warum sollten wir Tiere nicht essen?

Fleischkonsum schadet der Gesundheit einen Schlaganfall. Auch die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, ist bei Menschen, die Fleisch und andere Tierprodukte essen, höher als bei vegan lebenden Menschen. Zudem wurde insbesondere verarbeitetes Fleisch wie Wurst und Schinken als krebserregend eingestuft.

Ist es moralisch vertretbar Tiere zu essen?

Eingepfercht, gemästet, geschlachtet – obwohl das Halten und Schlachten von Tieren in Übereinstimmung mit dem Tierschutzgesetz steht, ist für viele Tierschützer das Essen von Fleisch moralisch verwerflich.

Kann man tierlieb sein und Fleisch essen?

Veganer sind keine besseren Menschen – doch sie leben nicht mit dem Widerspruch, Tiere zu lieben aber sie trotzdem zu essen. Auch wenn man als Veganer trotzdem Tierleid verursacht, z.B. wenn man auf eine Ameise tritt oder Lebensmittel isst, bei deren Ernte Tiere zu Schaden kamen.

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