Alle menschen sind gleich bilder

Es war eine historische Entscheidung: Im Oktober 2017 erkannte das Bundesverfassungsgericht, das höchste Gericht Deutschlands, an, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt – und dass intergeschlechtliche Personen das Recht auf eine positive Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität haben. Die bisherige Regelung, wonach ein Geschlechtseintrag offengelassen werden kann, reicht nicht aus. Denn "Kein Geschlecht bin ich ja nun auch nicht", wie eine intergeschlechtliche Person dem Deutschen Institut für Menschenrechte sagte.

Für Amnesty International ist das Urteil ein großer Erfolg. Seit Jahren setzen wir uns für mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz intergeschlechtlicher Personen ein und protestieren gegen medizinische Behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern, die dazu dienen, sie an das männliche oder weibliche Geschlecht anzugleichen. Wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt hat, sind diese völlig unnötig – denn intergeschlechtliche Menschen sind gut so, wie sie sind!

Inzwischen hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des Urteils vorgelegt. Er stellt leider nur eine Minimallösung dar und wird von vielen Seiten kritisiert, da er die Pathologisierung intergeschlechtlicher Menschen fortsetzt. Das heißt, sie können nicht selbstbestimmt über ihren Geschlechtseintrag entscheiden, sondern müssen ein ärzt­liches Attest vorlegen. Vanja, die das Urteil, begleitet von der Kampagne "Dritte Option", erstritten hat, kritisiert, dass es nicht Aufgabe der Medizin oder Psychologie sei, über das Geschlecht zu entscheiden.

Das sieht auch Amnesty International so. Der Gesetzentwurf muss dringend nachgebessert werden und mehr Rechte und Selbstbestimmung für transgeschlechtliche Menschen garantieren. Trotzdem ist das Urteil ein wichtiger Schritt. Um es mit Vanjas Worten zu sagen: "Es ist eine erste offizielle Anerkennung der Tatsache, dass es eben nicht nur Männer und Frauen gibt, obwohl das ja oft so behauptet wird."

Maja Liebing ist Referentin für LGBTI-Rechte von Amnesty Deutschland

GrundgesetzArtikel 3

  1. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

  2. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

  3. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Alle Menschen sind unterschiedlich.

  • Menschen sind groß, klein oder mittelgroß.

  • Manche Menschen können gut Fußball spielen, andere können gut stricken.

  • Wieder andere können ganz andere Dinge.

  • Manche haben viel Geld, andere haben wenig Geld.

Eine Sache haben sie aber alle gemeinsam:
„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
“ Das steht in Artikel 3.

Zeichnung: Zwei Personen mit und ohne Rollstuhl auf einer Waage. Die Waage steht dafür, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. (© bpb)

Zeichnung: Zwei Personen mit und ohne Rollstuhl auf einer Waage. Die Waage steht dafür, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. (© bpb)

Zeichnung: Zwei Personen mit und ohne Rollstuhl auf einer Waage. Die Waage steht dafür, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. (© bpb)

Das bedeutet:

  • Für alle Menschen gelten die gleichen Gesetze.

  • Der Staat muss bei allen Menschen die Gesetze gleich anwenden.

  • Der Staat darf keine Person besser behandeln, weil sie aus einer berühmten Familie kommt oder weil sie eine wichtige Chefin ist.

  • Der Staat darf keine Person schlechter behandeln, weil sie eine Behinderung hat oder weil sie zu einer bestimmten Religion gehört.

Eine Frau mit westlicher Kleidung und eine Frau mit Kopftuch und langem Rock stehen auf einer Waage. Die Waage steht für die Gleichberechtigung verschiedener Religionen. (© bpb)

Eine Frau mit westlicher Kleidung und eine Frau mit Kopftuch und langem Rock stehen auf einer Waage. Die Waage steht für die Gleichberechtigung verschiedener Religionen. (© bpb)

Eine Frau mit westlicher Kleidung und eine Frau mit Kopftuch und langem Rock stehen auf einer Waage. Die Waage steht für die Gleichberechtigung verschiedener Religionen. (© bpb)

Gesetze müssen gleich für alle Menschen gelten. Das heißt aber nicht, dass in den Gesetzen stehen muss,

  • dass alle das Gleiche bekommen

  • oder alle das Gleiche tun müssen

  • oder das Gleiche tun dürfen.

Zum Beispiel

  • bekommen nicht alle Menschen Sozialhilfe, sondern nur Menschen mit sehr wenig Geld.

  • Oder es zahlen nicht alle Menschen Steuern an den Staat, sondern nur die, die genügend Geld verdienen.

  • Es dürfen auch nicht alle Menschen als Arzt oder Ärztin arbeiten, sondern nur die, die Medizin studiert haben. Sie müssen auch noch eine zusätzliche Ausbildung im Krankenhaus machen.

Manchmal kommt es trotzdem vor, dass einige Menschen schlechter und andere Menschen besser behandelt werden.
Einige Menschen werden benachteiligt, andere werden bevorzugt.

Das Grundgesetz soll Menschen vor Benachteiligung schützen.
Der Staat hat auch die Aufgabe dafür zu sorgen, dass es im Alltag immer weniger Benachteiligung gibt.
Dazu kann es dann auch andere Gesetze geben.

  • Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen regelt zum Beispiel, dass Briefe von Ämtern für möglichst alle Menschen verständlich sind.

  • Behinderte Menschen können zum Beispiel fordern, dass ihnen Briefe von Ämtern leicht und verständlich erklärt werden.

  • Es sollen auch immer mehr Informationen in leichter Sprache zur Verfügung stehen.

Es gibt noch andere Rechte im Grundgesetz, die dafür sorgen, dass alle Menschen gleich behandelt werden.

  • Zum Beispiel zählt bei der Wahl zum Bundestag jede Stimme gleich viel.

  • Alle deutschen Bürger und Bürgerinnen haben das gleiche Recht auf ein öffentliches Amt. Egal, welche Hautfarbe sie haben, welche Religion sie haben oder welche Politik sie gut finden.

Männer und Frauen sind gleichberechtigt

Artikel 3 sagt ausdrücklich: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“
Was Männer dürfen, dürfen auch Frauen.
Das gilt auch umgekehrt.

Als das Grundgesetz beschlossen wurde, durften Frauen vieles nicht, was Männer durften.

  • Bis 1958 durfte ein Mann die Arbeitsstelle seiner Frau kündigen, ohne sie zu fragen.

  • Bis 1977 mussten Ehefrauen ihre Männer um Erlaubnis fragen, wenn sie in einem bezahlten Beruf arbeiten wollten. Beides wurde geändert, weil es gegen das Grundgesetz war.

Frauen können sich heute jeden Beruf aussuchen. Zum Beispiel: Pilotin, Polizistin, Feuerwehrfrau oder Bürgermeisterin.
In Deutschland ist also vieles gerechter geworden. Auch weil die Gleichberechtigung im Grundgesetz steht.

Gleichberechtigung ist trotzdem noch nicht überall erreicht. Viele Frauen verdienen immer noch im selben Beruf mit der gleichen Arbeit weniger Geld als Männer.
In vielen Berufen haben es Frauen immer noch schwerer als Männer. Zum Beispiel sind die Chefs großer Firmen meistens Männer.

Auch der Staat hat eine Aufgabe: Der Staat muss etwas dafür tun, dass Frauen keine Nachteile mehr haben. Das steht in Artikel 3.