"Der Himmel ist ein Platz auf Erden". F�rberb�cks Film hat nicht nur einen magischen Erz�hlfluss sondern auch gigantische Einstellungen. Bildgestalter ist Felix Cramer. Ein Sch�ferst�ndchen endet t�dlich. Zwei Kopfsch�sse f�r den Mann in heruntergelassener Hose. Von der Person, die mit ihm zusammen war, fehlt jede Spur; sie blieb offenbar unverletzt. Nichts deutet auf ihre Identit�t hin. Der Tote ist ein angesehener Professor der Universit�t Erlangen und arbeitete an streng vertraulichen Forschungen f�rs Pentagon. Sein berufliches Umfeld erweist sich f�r die Kommissare Felix Voss und Paula Ringelhahn bald als ein toter Ast. Dagegen k�nnte die Tatwaffe eine wichtige Spur sein: vor Jahren ist sie einem Streifenpolizisten bei einem vergleichweise harmlosen Einsatz abhanden gekommen. Auch in der Nachbarschaft des Ermordeten k�nnten – zum Beispiel hinter der unterk�hlten Ehe-Fassade eines anderen in N�rnberg hoch angesehenen B�rgers – Motive f�r die Tat schlummern. Vielleicht gibt es ja eine Verbindung zwischen Tatwaffe und Beziehungsk�fig?
Nun hat auch der Bayerische Rundfunk neben den in (filmischen) Ehren ergrauten M�nchnern sein zweites „Tatort“-Team. Voss und Ringelhahn teilen sich die Leitung der N�rnberger Mordkommission, die �berregional in ganz Franken ermittelt. Fabian Hinrichs, der sich nicht allein ob seines „Gisbert“-Gastspiels im Leitmayr-Batic-Ausnahmekrimi „Der tiefe Schlaf“ einer gro�en Fan-Gemeinde erfreut, spielt den Norddeutschen, den es in den S�den Deutschlands verschl�gt. Dagmar Manzels Hauptkommissarin ist seit langem bei der Mordkommission Franken. Sie kommt aus dem Osten, hat aber der Liebe zu Demokratie und Freiheit wegen noch vor der Wiedervereinigung „r�bergemacht“. Die Ankunft eines neuen Kollegen ist Standardmotiv vieler Ermittlerkrimis. Ein so gelungenes Einfinden ins neue Team hat man bisher selten gesehen (eine andere Krimi-Standardsituation macht der Film zu seinen Komik-Highlights: das Vorsprechen beim Chef). Voss gibt den freundlichen H�ndesch�ttler und die �ltere Kollegin scheint freudig �berrascht zu sein, als sich dieser hoch aufgeschossene junge Mann als noch sympathischer entpuppt, als sie aufgrund seines Fotos erwartet hatte.
Bei der ersten gemeinsamen Autofahrt fragen sich die beiden im Plauderton gegenseitig aus – selbstverst�ndlich auch, um den Zuschauer �ber deren Vita ins Bild zu setzen. „Wie ist die Arbeit hier so?“, fragt Voss, wie man eben so fragt. Und Ringelhahn antwortet, wie sie zu antworten pflegt: „Prostitution, Raub, Drogen – nicht besonders kompliziert.“ Und sein Vorg�nger? Der hat seine Frau erschossen. „Keine Sorge, ist nicht Standard hier.“ Die Kollegin hat auch Humor und sie liebt es direkt. So versetzt dieses „Vorstellungsgespr�ch“, bei dem auch der Wirtschaftsstandort N�rnberg beil�ufig ironisch zur Sprache kommt („Unsere Weltgeschichtsstra�e: Quelle, Adler, AEG, lauter untergegangene Weltunternehmen“), nicht nur den aufgeschlossenen Kollegen in gute Laune, sondern vor allem auch den Zuschauer.
Wie unl�ngst beim neuen Berliner „Tatort“-Duo sind auch diese beiden Franken-Ermittler zwei, auf deren weitere F�lle man gespannt sein kann und auf die man sich freuen wird. Das Sch�ne dabei: das Ganze hat eine Konzeption und vielleicht steckt auch Kalk�l hinter dem Prinzip jung/�lter und der Setzung „ein Hamburger trifft auf eine Ossi“, aber man sp�rt nichts davon. So vielschichtig die beiden Charaktere in ihrem Verhalten, ihrem Wesen, auch in ihrer Biographie angelegt sind, so pr�sent und spielfreudig sind ihre Darsteller. Narration, Spiel und Inszenierung sind viel zu dicht, als dass man sich Gedanken �ber Realit�tsgehalt oder profane Produktionsentscheidungen machen w�rde. Der nach au�en lebensbejahend-ironische Umgang der beiden Kommissare mit dem Leben ist Teil des Konzepts, die beiden Figuren offen und flexibel anzulegen. „Dienst ohne Etikett“, nennt es die verantwortliche BR-Redakteurin Stephanie Heckner. „Sie bleiben in ihrer ganzen Nat�rlichkeit und Lebendigkeit immer �berraschend – f�r den Zuschauer und auch f�reinander.“ Fester Bestandteil der Dramaturgie sind die „Faktoren“ Manzel & Hinrichs. Diese Schauspieler lieben das Vielgesichtige, sind wandlungsf�hig, auch sie besitzen damit die F�higkeit zu �berraschen. Das haben sie gemeinsam mit Autor-Regisseur Max F�rberb�ck, der einerseits seine Drehb�cher als Schauspielervorlagen versteht, der aber gleichzeitig bei seiner Regie nichts dem Zufall �berl�sst. Reine Genrefilm-Semantik ist ihm eher fremd. So erw�chst auch die Geschichte von „Der Himmel ist auch ein Platz auf Erden“ aus den Figuren, aus dem feinen Gewebe, das sich zwischen Menschen spannt, aus Lebenslinien, die zusammenf�hren.
Umgesetzt in die �sthetische Sprache des Films ergibt sich bei den meisten Werken F�rberb�cks aus dieser sensitiven Sicht auf die Welt ein geradezu magischer Erz�hlfluss. Das Intro zum „Tatort“ ist – �hnlich wie bei seiner M�nchner „Tatort“-Premiere „Am Ende des Flurs“ (2014) – komponiert wie ein Kurzfilm im Film, der zeigt, wie jene Linien im Leben (oder eben auch in einem Film) geplant oder auch zuf�llig zusammenfinden. Ein Zug rast in Richtung N�rnberg – eine Pistole wird durchgeladen – Regen vor Landschaft – ein sehnsuchtsvoll verliebter Mann... Die Montage be- und entschleunigt zugleich, bel�sst alles noch im Vagen. Ein wundersch�nes Chanson legt sich �ber die Bilder. Melancholie liegt in der Luft. Dann zwei Sch�sse, ein Kopf, Blut, das Zuknallen eines Kofferraums. Auch sp�ter l�sst es F�rberb�ck flie�en. Immer wieder aus subjektiver Perspektive gefilmte Autofahrten versinnbildlichen sehr atmosph�risch den Gang der Handlung: das Finden der Spuren, Bewegungen hin zum Kern des Falls. Auf diese Weise wird der Zuschauer bereits in der Mitte des Films, viel fr�her, als es die Handlung will, assoziativ und indirekt mit dem T�ter bekannt gemacht. Auch flie�en Momentaufnahmen, die mal mehr (Hinweis auf den Sexpartner des Opfers) mal weniger leicht („Geh doch endlich zu den anderen“) zu interpretieren sind, in die komplexe Filmerz�hlung, die aber zu keiner Zeit unangemessen verr�tselt wirkt. Daf�r sorgen nicht zuletzt auch die beiden Kommissare, die �u�erst bodenst�ndig & sympathisch, klug & klar zur Sache gehen. Fazit: das Franken-„Tatort“-Duo und F�rberb�cks Auftakt im Besonderen hinterlassen einen ganz starken Eindruck. (Text-Stand: 22.3.2015)
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