Auswanderung nach amerika im 19. jahrhundert ankunft

Auswanderung nach amerika im 19. jahrhundert ankunft

Texte intégral

  • 1 http://www.humboldtgesellschaft.de/inhalt.php? name=amerika http://gutenberg.spiegel.de/goethe/gedi (...)

„Den Vereinigten Staaten
Amerika, du hast es besser,
Als unser Kontinent, der alte,
Hast keine verfallne Schlösser
Und keine Baßalte.
Dich stört nicht im Innern
Zu lebendiger Zeit
Unnützes Erinnern
Und vergeblicher Streit.
Benutzt die Gegenwart mit Glück!
Und wenn nun eure Kinder dichten,
Bewahre sie ein gut Geschick
Vor Ritter-, Räuber- und Gespenstergeschichten.“
Johann Wolfgang von Goethe
1

  • 2 Bade, Klaus J.: Europa in Bewegung. Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. München (...)

1Das Recht auf Auswanderung gilt als eines der elementarsten und ältesten Freiheitsrechte. Daher ist die Auswanderung kein Phänomen der Neuzeit, sondern so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst. „Den Homo Migrans gibt es, seit es den Homo sapiens gibt; denn Wanderungen gehören zur Conditio humana wie Geburt, Fortpflanzung, Krankheit und Tod. Migrationen als Sozialprozesse sind, von Fluchtund Zwangswanderungen abgesehen, Antworten auf mehr oder minder komplexe ökonomische und ökologische, soziale und kulturelle Existenz- und Rahmenbedingungen. Die Geschichte der Wanderungen ist deshalb immer auch Teil der Geschichte und nur vor ihrem Hintergrund zu verstehen.“2

  • 3 Die Geschichte der Deutschen wurde nachhaltig durch Wanderungen geprägt. Seit der Frühen Neuzeit bi (...)
  • 4 Bade, Klaus J: Homo Migrans Wanderungen aus und nach Deutschland. Erfahrungen und Fragen. Essen 199 (...)
  • 5 Obermann, Karl: Die deutsche Auswanderung nach den Vereinigten Staaten von Amerika im 19. Jahrhunde (...)

2Die hier untersuchte transatlantische Massenauswanderung im 19. und frühen 20. Jahrhundert, die selbst nur einen Ausschnitt der Bevölkerungsbewegung in Europa war, stellte zahlenmäßig den Höhepunkt der europäischen Expansionsgeschichte der Neuzeit dar.3 Rund 5,5 Millionen Deutsche wanderten in den Hungerjahren 1816/17 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 nach Amerika aus. Der Höhepunkt wurde zwischen 1846-1893, mit über 100.000 Emigranten pro Jahr, erreicht. In den 1850er und 1860er Jahren verließen bis zu 200.000 Menschen jährlich ihre alte Heimat, um sich in Amerika eine neue Existenz aufzubauen.4 Allein für das Großherzogtum Baden wird bis 1872 von einer Auswandererzahl von 153.366 ausgegangen.5 Das Problem betreffend der Richtigkeit der Auswandererzahlen wird an anderer Stellte noch genauer erörtert.

  • 6 http://www.geo.wiso.tumuenchen.de/lehre_und_studium/lehrveranstaltungen/begleitmaterial/hs_migra_be (...)
  • 7 Bade: Homo Migrans (wie Anm. 4), S. 15.
  • 8 Unter Auswanderung ist im Folgenden der Kürze wegen immer die deutsche überseeische Auswanderung in (...)

3Warum aber kehrten Millionen von Menschen ihrer Heimat den Rücken; was verbirgt sich hinter dem Begriff Migration? Jede Art von Migration beruht auf dem Wunsch nach einer Verbesserung der Lebensbedingungen. Je nach persönlicher Priorität erscheinen bestimmte Regionen ‚attraktiver’ als andere, da soziale, politische und ökonomische Rahmenbedingungen räumlich nicht gleich verteilt sind. Genau diese räumlichen Unterschiede sind es, die Menschen zu Wanderungen bewegen und wie im 19. Jahrhundert die Heimat hinter sich lassen, um ihr Glück in der ‚Neuen Welt’ zu suchen.6 Das Wanderungsverhalten selbst ist immer von verschiedensten Entwicklungen – materiellen und immateriellen (sozialen, ökonomischen, mentalen u. a.) – abhängig und muss daher stets im Gesamtkontext untersucht werden. Dies ergibt sich unter anderem daraus, dass Menschen bei der Herausbildung ihres Wanderungsprozesses „immer die gesamte, jeweils für sie überschaubare und realisierbare bzw. für realisierbar gehaltene Vielfalt von Alternativen räumlicher Mobilität ihrer Zeit vor Augen hatten.“7 Da es ein und dieselben Menschen waren, die sich zunächst aus der deutschen Umgebung herauslösten, sich dann in einer fremden Umgebung in den Vereinigten Staaten wieder einlebten und zugleich an die neue und die alte Heimat dachten, wurde die Auswanderung8 als ein ganzheitlicher Vorgang geplant, organisiert und erlebt und als solcher auch in der vorliegenden Arbeit untersucht.

  • 9 http://www.polwiss.fu-berlin.de/more/coe/lehre/SoSe2005/15400_K-HS/AG_2_III.pdf

4Auf individueller Ebene verändert Migration sowohl das Leben der Wanderer als auch das der Bevölkerung im Herkunfts- und Aufnahmeland. Hinzu kommt, dass Migration für alle Beteiligten mit einem finanziellem Aufwand (Anpassungs- und Integrationskosten) und vor allem mit sozialen, psychischen und kulturellen Herausforderungen verbunden ist.9

5Im Kern will sich diese Arbeit darauf beschränken, in einer kleinräumig angelegten Fallstudie, den Verlauf und die Besonderheiten der Amerikauswanderung aus dem Bezirksamt Karlsruhe zwischen 1880-1914 in ihren Ursachen und Wirkungen zu verfolgen, um am Ende der Arbeit eine Auswanderungscharakteristika dieser Region zu erhalten. Einzelne Gemeinden des Bezirksamts Karlsruhe werden nur exemplarisch besprochen. Die Ergebnisse aus Karlsruhe sollen dann in das Gesamtbild der badischen Auswanderung integriert werden. Die Arbeit erhebt jedoch nicht den Anspruch diese überaus komplexe Materie bis in ihre letzten Konsequenzen zu durchdringen. Denn eine exakte Behandlung derselben würde eine detailgeographische Erforschung der Auswanderung in einzelnen Teilgebieten Badens voraussetzen, die bislang nur unzureichend vorliegt. Daher können keine Vergleiche zum Wanderungsverhalten in den einzelnen Bezirksämtern gezogen werden; lediglich zu Baden. Aufgrund der Forschungslücken werden die im Rahmen dieser Arbeit erstellten Daten aus dem Bezirksamt in einzelnen Bereichen der Arbeit mit den Daten der Reichs- und/oder Landesebene verglichen, um Abweichungen überhaupt erst kenntlich machen zu können.

  • 10 Zusammenfassung in: Adams, Willi Paul (Hrsg.): Die deutschsprachige Auswanderung in die Vereinigten (...)
  • 11 Waibel, Barbara: Auswanderung vom Heuberg 1750-1900. Untersuchungen zur Wanderungsstruktur und Wand (...)

6Das Phänomen der Massenauswanderung aus Südwestdeutschland im 19. Jahrhundert wurde in einer Reihe von regionalen Publikationen behandelt. Dennoch sind die Ursachen der Auswanderungen, die regional und individuell recht unterschiedlich waren, noch nicht befriedigend untersucht worden. Zwar gibt es übergreifende Arbeiten, die z. B. die deutsche Auswanderung insgesamt behandeln, dennoch fehlt es vielfach an vergleichenden Regionalstudien, durch die einzelne Ergebnisse bestätigt oder relativiert werden könnten. Gerade zur Klärung der Ursachen bietet sich eine Regionalstudie an, da aufgrund der räumlichen Begrenzung das Quellenmaterial relativ überschaubar bleibt.10 „Erst auf der lokalen Ebene wird die Abwägung politischer und wirtschaftlicher Motive möglich, weil erst in diesem kleinen Raum Korrelationsrechnungen machbar, und damit Modelle, aber auch ideologische Aussagen überprüfbar werden […]. Die Kleinregion ist der Schlüssel zum Verständnis der Auswanderung.“11 Die vorliegende Arbeit versucht diese Schlüsselfunktion für das Bezirksamt Karlsruhe zu übernehmen.

  • 12 Moltmann, Günter (Hrsg.): Deutsche Amerikaauswanderung im 19. Jahrhundert. Sozialgeschichtliche Bet (...)
  • 13 Moltmann: Amerikaauswanderung (wie Anm. 12), S. 1.

7Auch in der internationalen Geschichtsschreibung ist die Amerikaauswanderung im 19. Jahrhundert ein viel geachtetes Thema; die Zahl diesbezüglicher Untersuchungen ist fast unübersehbar und wächst ständig weiter. „Jedoch gewährleistet die Fülle des Gedruckten keineswegs eine Vollständigkeit der Information oder gar eine Sättigung des Bedürfnisses nach Interpretation“12, da viele Fragen noch immer unbeantwortet sind und weiterhin großes Interesse an ihrer Erörterung besteht. Die große überseeische Bevölkerungsbewegung des 19. Jahrhundert kann allerdings nicht als geschlossener Vorgang betrachtet werden, sondern ist ein vielschichtiger Prozess, der aus einer Summe von Einzelvorgängen besteht; woraus auch die unübersichtliche Quellenlage resultiert. Archivalien verschiedener Provinzen und Publikationen unterschiedlicher Art sind verteilt auf viele Sammlungen, Archive und Bibliotheken. In den wenigen Fällen in denen geschlossene Quellenbestände vorhanden sind, spricht Moltmann von „sprödem Material“13, das sich dem Historiker, der übergreifende Fragen beantworten möchte, kaum erschließt.

  • 14 Hansen, Marcus Lee: The Atlantic Migration, 1607-1860. The Immigrant in American History. Cambridge (...)
  • 15 Der amerikanische Historiker Frank Thistlethwaite wurde am 24. Juli 1915 in Burnley, Lancashire geb (...)
  • 16 Moltmann: Amerikaauswanderung (wie Anm. 12), S. 4.

8Bei Betrachtung der Auswanderungsforschung des 19. und 20. Jahrhunderts, wird deutlich, dass es sich dabei vornehmlich um Vorgangsbeschreibung und Ereignisgeschichte handelt: Schicksale von Einzelpersonen und Auswanderergruppen wurden rekonstruiert, Siedlungsunternehmen nachgezeichnet, Assimilationsvorgänge aufgezeigt. Erst im Zeitalter der Nationalstaatsgründungen wuchs das Interesse an den Ausgewanderten. Hintergrund war der Versuch, durch die ‚ehemaligen’ Deutschen in den fernen Ländern ‚Weltgeltung’ für die eigene Nation zu erlangen. Übergreifende historische Analysen galten lediglich der statistischen Erfassung, wobei auch unterschiedliche Ausgangsregionen und Zielländer betrachtet wurden. Danach folgten Fragen nach den Auswanderungsmotiven, den ökonomischen, politischen und konfessionellen Auswirkungen, Fragen nach der Auswanderungspolitik. Für Moltmann wurde gerade in dieser frühen Phase der Forschung wesentliches Material zusammen getragen, ohne Rückgriff auf dieses heute kein Wissenschaftler arbeiten kann. Im Laufe des 20. Jahrhundert wurden die Fragestellungen erweitert; neue Impulse kamen nach dem Ersten Weltkrieg besonders durch amerikanische Veröffentlichungen hinzu. Hervorzuheben sind hier die Arbeiten des Historikers Marcus Lee Hansen14, der zu den ersten gehörte, die die Aus- und Einwanderung als ganzheitlichen sozialgeschichtlichen Prozess begriffen. Hansen begann seine Ausführungen mit der Ausgangsituation in der Alten Welt und beendete diese mit der Eingliederung der Europäer in die amerikanische Gesellschaft. Einen Wendepunkt brachten auch die Forderungen von Frank Thistlethwaite15 auf dem Internationalen Historikerkongress 1960 in Stockholm. In der Zukunft sollten eindringlichere Analysen der europäischen Ausgangsbedingungen des Wanderungsprozesses und länderübergreifende komparatistische Studien erstellt werden. Ebenso verlangte er Untersuchungen der Zusammenhänge zwischen Außen- und Binnenwanderung, zwischen Aus- und Rückwanderung und dem Ansehen der Wirtschaftsbedingungen im Herkunfts- und Aufnahmeland als gemeinsame Faktoren. In gleichem Maße fanden die Phasenproblematik, die Rolle der Bevölkerungsvermehrung, die Industrialisierung und auch die sozialen und psychologischen Barrieren Beachtung. Die Umsetzung dessen in der deutschen Forschung ließ ungeachtet lange auf sich warten – im Gegensatz zu der in den internationalen Studien. In sozialhistorischen Arbeiten zum 19. Jahrhundert wurde die deutsche Auswanderung gelegentlich in der landesgeschichtlichen Literatur aufgegriffen, in der „wertvolle Mosaiksteinchen zur Klärung des Gesamtvorgangs“16 bereit liegen. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass wichtige sozialhistorische und strukturelle Aspekte der deutschen Amerikawanderung im 19. Jahrhundert noch auf ihre Aufarbeitung warten.

  • 17 Zitiert nach: Haskett, Richard, C.: Problems and Prospects in the History of American Immigration. (...)

9An der Tatsache, dass „der wesentliche Effekt der wissenschaftlichen Arbeit einer Generation darin besteht, daß sich jeder, der das Problem der Wanderung zu bewältigen unternimmt, einer mühevollen Aufgabe unterzieht“17, hat sich seit Hansen und Hasketts nichts geändert. Somit birgt die Wahl dieses Themas für den Historiker Chance und Gefahr gleichermaßen.

1.1 Methodik und Vorgehensweise

10Der erste Arbeitsabschnitt für diese Studie bestand in der Quellenrecherche in den südwestdeutschen Archiven.

11Der Schwerpunkt der Archivarbeit lag in der Durchsicht der Quellen des Generallandesarchivs Karlsruhe. Die Bestände bilden nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ die wichtigste Quellengrundlage für diese Arbeit.

  • 18 Auch in den Ortsbüchern (Bestand GLA 434) wurde jeweils nur das Familienoberhaupt als Auswanderer g (...)
  • 19 Die Einzelfallakten belegen dies durch zahlreiche Anträge auf nachträgliche Entlassung aus dem Staa (...)

12Die bedeutendsten Informationen lieferten die Einzelakten des Bestands GLA 357. Die Zahl der Einzelfallakten für das Bezirksamt Karlsruhe liegt bei 799, wobei Familienangehörige jeweils in der Akte des Familienoberhauptes verzeichnet wurden. Nach Durchsicht der Ortsbücher GLA 43418, den Einzelfallakten und den Daten aus der Auswanderdatenbank des Land Baden-Württemberg, konnte für das Bezirksamt Karlsruhe im Zeitraum 1880-1914 eine Auswandererzahl von 1593 ermittelt werden. Die tatsächliche Zahl der Auswanderer muss jedoch auch in diesem Zeitraum, wie bei der gesamten Amerikaauswanderung, weitaus höher angesetzt werden. Quellenhinweisen zu Folge hat weiter eine große Zahl von Badenern auf illegalem Weg – ohne offizielle Entlassung aus dem Staatsverband – die Reise in die Vereinigten Staaten angetreten.19

13Sehr umfangreiche und bildhafte Erzählungen über das Leben der Badener in den Vereinigten Staaten bieten die Akten des Bestandes GLA 233 (badische Gesandtschaften). Diese Nachweise werden allerdings seit den 1870er Jahren immer weniger, da Baden nach der Reichsgründung auf die Entsendung eigener Botschafter verzichtete und seine Informationen über die Reichsgesandten bezog.

  • 20 Der Schwerpunkt der Quellenarbeit im GLA lag auf der Durchsicht der Bestände 357; 233; 236; 434.

14Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Quellenlage allgemein seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts verhaltener wird, was unter anderem auf dem starken Abfallen der Auswandererzahlen, dem Wegfall der staatlich organisierten Auswanderung als auch auf einem immer routinierteren Auswanderungsvorgang beruhen kann.20

  • 21 GA 2972, GA 5096, GA 4723.

15Im nächsten Abschnitt folgte die Durchsicht der Quellen des evangelischen Landeskirchenarchivs in Karlsruhe. Die Aktenlage zur Auswanderung insgesamt ist zwar relativ rar, bietet aber dennoch interessante Einblicke in die kirchliche Auswandererfürsorge.21

16Die Quellenlage im Stadtarchiv Karlsruhe und dem Staatsarchiv Freiburg stellte sich insgesamt für die Fragestellung dieser Arbeit als unbefriedigend heraus.

  • 22 Die Quellenlage im Stadtarchiv Karlsruhe ist deshalb rar, da sich die offizielle Auswanderung auf e (...)

17Auch ein in den 1920er Jahren durchgeführtes Projekt zur Kontaktaufnahme mit Badenern in den Vereinigten Staaten des Landesvereins Badische Heimat in Freiburg, blieb für das Bezirksamt Karlsruhe ergebnislos.22 Ausführlicher wird auf die Quellenlage in Kapitel 1.3 eingegangen.

18Die vorliegende Arbeit wird in elf Kapitel gegliedert und wie folgt aufgebaut: Um die Problematik der Quellenlage und die daraus resultierenden Folgen für die Forschungsarbeit kenntlich zumachen, wird zu Beginn der Arbeit eine detaillierte Abhandlung sowohl über den Forschungsstand als auch über die deutschamerikanische Quellenlage erstellt.

19Im nächsten Kapitel folgt ein kurzer Auszug über Forschungsaufgaben, Forschungsgeschichte und Forschungslandschaften der Migrationsforschung – im speziellen der historischen Migrationsforschung.

  • 23 Thistlethwaite, Frank: Europäische Überseewanderung im 19. und 20. Jahrhundert. In: Köllmann, Wolfg (...)

20Die Wanderungsforschung steht zwar im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Sozialwissenschaften und wurde nicht von den Historikern begründet, dennoch wird in der vorliegenden Arbeit lediglich auf die Geschichte der historischen Migrationsforschung eingegangen; die Sozialhistorische Migrationsforschung wird nur in ihren Grundzügen besprochen. Ein Motiv dafür liegt zweifelsohne in dem schwer erfassbaren Verhalten der größtenteils anonym Ausgewanderten, wodurch meistens auf statistisches Quellenmaterial Bezug genommen werden muss – im Vergleich zu anderen Objekten historischer Forschung.23 Eine Ausnahme dazu stellt eine geringe Zahl von Auswandererbriefen – die in Kapitel sechs näher untersucht werden – dar, welche einen Einblick in individuelle Auswandererschicksale zulassen. In Kapitel drei wird auf die Bestimmungsfaktoren und Entwicklungsbedingungen der deutschen überseeischen Massenauswanderung im Allgemeinen eingegangen, um in den darauf folgenden Kapiteln ein Gefühl für Abweichungen und Übereinstimmungen mit der Mikroebene zu vermitteln.

21Freilich kann die moderne deutsche Auswanderung nicht vollständig verstanden werden, wenn sie aus ihrem geschichtlichen Zusammenhang losgelöst wird. Deshalb muss einleitend auch die Geschichte der badischen Auswanderung vor der Gründung des Deutschen Reiches verfolgt werden, um die Auswanderung aus dem Bezirksamt Karlsruhe zwischen 1880 und 1914 besser in die Wanderungsbewegung einordnen zu können. Daher wird in Kapitel vier der Blick auf den badischen Wanderungsverlauf mit seinen drei Hochpunkten gerichtet.

22Kapitel fünf, der Schwerpunkt der Arbeit, stützt sich auf die empirische Auswertung der badischen Quellen und befasst sich intensiv mit den Strukturen der Auswanderung aus dem Raum Karlsruhe, über die wir zweifellos besonders schlecht informiert sind. Hierin wird die Hauptargumentation dieses Beitrags, ein typisches Profil dieser Region zu erhalten, deutlich.

  • 24 Mönckmeier, Walter: Wandlungen und Entwicklungstendenzen in der deutschen Auswanderung. In: Jahrbuc (...)

23Konnte die Auswanderung bis zur Jahrhundertmitte noch als Versuch angesehen werden, der tatsächlichen oder auch nur der befürchteten materiellen Not auszuweichen, soll nun für die letzte Auswanderungsphase die Beständigkeit dieser These überprüft werden. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, zunächst die wirtschaftliche Situation des Großherzogtums und insbesondere die des Bezirksamtes Karlsruhe zu untersuchen. In diesem Zusammenhang wird auch die Bevölkerungsdichte näher betrachtet, weil sie die Ernährungs- und Arbeitsmöglichkeiten eines Gebietes widerspiegelt. Bis heute verstehen wir unter Auswanderung das Verlassen des Heimatlandes, kurz das der Existenzgrundlage, um sich in einem anderen Land niederzulassen und eine neue, dauerhafte Existenzgrundlage aufzubauen. Ende des 19. Jahrhunderts ist der dauernde Aufenthalt in Amerika, der die bisherige Definition ausgemacht hat, bei einem Großteil der Auswanderer nicht mehr gegeben, da viele nur die günstige amerikanische Wirtschaftskonjunktur ausgenutzt haben – als eine Art überseeische Sachsengänger – und bei nachlassender Konjunktur in die Heimat zurückgekehrt sind. Ob sich diese Hypothese auch für die Karlsruher Auswanderer verifizieren lassen kann, soll unter anderem in diesem Kapitel erläutert werden.24

24In Kapitel sieben wird die rechtliche Seite der Auswanderung sowohl auf Reichs als auch auf Landesebene in Augenschein genommen. Obwohl das Augenmerk an der Auswanderung immer bei zwei Ländern, das der Auswanderung selbst und das der Einwanderung liegt, wird die amerikanische Gesetzgebung nur am Rande betrachtet. Grund dafür ist, dass die deutsche Einwanderung, somit auch die Badische, kaum noch von der amerikanischen Einwanderungsbeschränkung betroffen war.

25Kapitel acht ist ein Versuch den vorangegangen, größtenteils anonymen statistischen Ausführungen, individuellen Charakter zu verleihen, indem mit Hilfe von Einzelschicksalen mehr Nähe zu den Auswanderern herbeigeführt werden soll.

26Um aufzuzeigen, dass die Auswanderung alle Gesellschaftsbereiche durchzogen hat, wird in Kapitel neun auf die Rolle der Kirche im Auswanderungsprozess eingegangen.

27Der letzte Abschnitt der Arbeit beschäftigt sich mit dem Leben der Badener in den Vereinigten Staaten und versucht mögliche Ansätze für den vollständigen Verlust der badischen Kultur in der Neuen Welt zu liefern.

  • 25 In den Ortsbüchern werden die größten Rückwanderungsströme innerhalb der Reichsgrenzen und aus Unga (...)

28Für das 19. Jahrhundert liegen nur vereinzelt Nachweise über die Rückwanderung vor, weshalb diese in der vorliegenden Arbeit nicht näher untersucht wird. Dennoch lässt sich auf Grund der gesichteten Quellen vermuten, dass es im betrachteten Zeitraum kaum offizielle Rückwanderung von Nordamerika nach Karlsruhe gegeben hat.25

  • 26 Viele Auswanderer hinterließen in der Neuen Welt durch besonderes Engagement historische Spuren: Ca (...)

29Die Revolutionsflüchtlinge von 1848/49 stellen eine Sonderform der Auswanderung des 19. Jahrhunderts dar, weshalb diese nicht näher besprochen wird.26

30Wegen mangelnder Angaben kann nicht auf den Verlust von Arbeitskraft, Kapital und Volksvermögen eingegangen werden, den Baden durch die großen Auswanderermassen erfahren hat.

  • 27 Vgl. Moltmann, Günter: Nordamerikanische „Frontier” und deutsche Auswanderung – soziale „Sicherheit (...)
  • 28 Marschalck, Peter: Deutsche Überseewanderung im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur soziologischen The (...)
  • 29 Joseephy, Fritz: Die deutsche überseeische Auswanderung seit 1871 unter besonderer Berücksichtigung (...)
  • 30 Heyder, Franz: Beitraege zur Frage der Auswanderung und Kolonisation. Heidelberg 1894; zugleich Phi (...)

31Ebenfalls unberücksichtigt bleibt die Bedeutung der Auswanderung für das Reich – mit diesem „volkswirtschaftlichen Aderlaß“27 haben sich Peter Marschalck28 Fritz Joseephy29 und Franz Heyder30 näher beschäftigt.

1.1.1 Auswandererdatentabelle

  • 31 In den Einzelfallakten und Auswanderungsverzeichnissen sind allenfalls folgende Angaben – nicht imm (...)

32Über die Struktur der Auswanderung im Bezirksamt Karlsruhe (Geschlecht, Alter, Familienstand, Berufsstatus, soziale Herkunft u. ä.) sind wir bisher ohne Frage mangelhaft informiert.31 Um einen tieferen Einblick in die Motive und Auswirkungen des Wanderungsvorgangs sowohl im Aus-als auch im Einwanderungsland gewinnen zu können, ist eine genauere Kenntnis der Auswanderungsstruktur essentiell. Eine solche Strukturanalyse basiert hauptsächlich auf quantitativen Quellen, mit deren Hilfe die Aussagekraft von zeitgenössischen Beobachtungen besser beurteilt werden können und somit obligatorisch für eine kritische Auswertung der verschiedenen Quellen ist. Entscheidend dafür ist die Qualität der quantitativen Quellen, da sonst die Faktorenanalyse nicht auf hinreichend differenzierte Ergebnisse stößt. Um dies zu gewährleisten, wurde – neben den verfügbaren Makrodaten für das gesamte Großherzogtum – exemplarisch für das Bezirksamt Karlsruhe eine Mikrostudie erarbeitet, die wenigstens für diesen kleinen Raum eine genauere Auskunft über die Auswanderungsstruktur geben soll. Hierzu wurde eine Datentabelle angelegt. Auf Grund der bekannten Probleme durch illegale Auswanderung, kann bei der getroffenen Auswahl freilich nicht von Vollständigkeit ausgegangen werden. Diese lässt aber zumindest durch einen Vergleich der Ergebnisse typische Entwicklungslinien in Baden erkennen, die ausreichend gesicherte Aussagen zu lassen, da die fehlenden Angaben das bereits gewonnene Bild nicht verändern würden, im Gegenteil es sogar noch weiter verifizieren würden.

  • 32 www.auswanderer-bw.de

33Der Aufbau einer Datentabelle für das Bezirksamt Karlsruhe war die Basis für den statistischen Teil der Arbeit. Als Ausgangspunkt hierfür diente die Auswanderdatenbank der Landesarchive Baden-Württemberg.32 Da diese für den Raum Karlsruhe große Mängel aufweist, wurde sie systematisch überarbeitet und mit Hilfe der Einzelfallakten und den Ortsbüchern um die Bereiche Auswanderungsgrund, Zielort, Familiennachzug, Geburtsdatum, Familienstand, Beruf, Vermögensstand und Angaben zur Konfession für die Jahre 1880-1914 ergänzt.

  • 33 Die Bestände GLA 434/1939 und Oberrheinische Forschungsstelle waren nicht für die Öffentlichkeit zu (...)

34Auf die Abweichung der Auswandererzahlen zwischen der Datenbank der Archive, der neu angelegten Datentabelle und der Fehlerquelle bei den Entlassungsjahren wird noch genauer eingegangen.33 Auch bei Orts-, Berufs- und Altersangaben kommen innerhalb der verschiedenen Quellen des Generallandesarchivs unterschiedliche Angaben zum Vorschein.

  • 34 www.castlegarden.org
  • 35 Die Zielorte wurden duch einen vierstelligen Code angegeben. Trotz mehrfacher Nachfrage bei den Her (...)
  • 36 Die meisten Abweichungen treten bei den Alters- und Berufsangaben auf. Einige unterschiedliche Beru (...)

35Die neu gewonnen Datensätze wurden mit der Online Auswandererdatenbank von Castle Garden34 in New York, welche auf der Grundlage der Einwandererlisten in die Vereinigten Staaten beruht, abgeglichen und um die Kategorien Auswanderungsschiff, Einwanderungsdatum, Bildungsstand, Ziel35 und Beruf ergänzt. Abweichungen zu deutschen Quellen wurden kenntlich gemacht.36

36Um die neu entstandene Datentabelle auswerten zu können, mussten die bereits angesprochenen Problemfelder der Datenbank bereinigt werden: Die Angaben aus der Datenbank des GLA, die lediglich GLA als Quellenhinweis hatten wurden so beibehalten, da keine genaue Identifikation der Quelle möglich war. Als weitere Schwierigkeit stellten sich die unklaren Zielangaben heraus, die sich auch in einer falschen Schreibweise der amerikanischen Städte niederschlugen. Hinzu kommt, dass bei einem Antrag auf Auswanderung der gegen Ende eines Jahres gestellt wurde, die Auswanderung selbst erst Anfang des darauf folgenden Jahres stattfand, das Antragsjahr als Auswanderungsjahr vermerkt wurde. Die gleiche Problematik ergibt sich bei einer nachträglichen Entlassung aus dem Staatsverband. Hier wurde nicht das tatsächliche Auswanderungsjahr, sondern das Jahr in dem die nachträgliche Entlassung beantragt wurde als Auswanderungsjahr in das Verzeichnis aufgenommen. Die genaue Identifizierung einzelner Auswanderer wurde besonders durch das Fehlen der Vornamen von Frauen und Kindern erschwert. Demzufolge war es auch nach einer umfassenden Ergänzung und Überprüfung der verschiedenen Datensätze nicht möglich, alle mehrfach genannten Namen aus der Tabelle zu entfernen, da in einigen Fällen zu wenige Unterscheidungsmerkmale vorlagen. Wenn der Verdacht auf mehrfach angeführte Personen bestand, wurde dies unter der Rubrik ‚sonstiges’ vermerkt. Bei der Auswertung der generativen und sozialen Zusammensetzung der Auswanderer kamen signifikante Lücken und Mängel zum Vorschein. In den einzelnen Bereichen fehlen relevante Angaben in großer Zahl: für die Rubrik Beruf liegen lediglich 39,9%, für ausgeführtes Vermögen 13,8%, das Auswanderungsziel 26,6% und die Auswanderungsursache 47,6% Angaben der Auswanderer vor.

37Bei den nicht in den Statistiken erfassten Auswanderern kann man davon ausgehen, dass es sich in der Regel um Einzelauswanderer – allein reisende Männer jüngerer und mittlerer Altersklassen – handelte, da der plötzliche Wegzug einer ganzen Familien, gerade in Landgemeinden, von den Behörden leichter zur Kenntnis genommen werden konnte.

38Die nun zur Verfügung stehenden Daten dienen als Grundlage für den statistischen Teil der Arbeit und sollen für die Beantwortung vieler noch offener Fragen dienlich sein. Dazu zählt unter anderem die Motivation der Auswanderer, die von rein familiären bis hin zu wirtschaftlichen Gründen reicht. Gerade was die wirtschaftlichen Gründe anbelangt, ist es wichtig, diese im Zusammenhang mit den jeweiligen Hindergrundstrukturen zu erfassen, wie beispielsweise der Wirtschaftskonjunktur, der Teuerungsrate etc.

39Die Erforschung der Auswanderungsmotive hat eine immens hohe Bedeutung für die Analyse des Integrationsverhaltens der Immigranten und somit auch für die Einschätzung ihres politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Verhaltens im Einwanderungsland. Ebenfalls können erstmals Rückschlüsse auf die soziale Herkunft und auf den Berufstand der Karlsruher Auswanderer gezogen werden. Hinzu kommt eine differenzierte Unterscheidung der Stadt- und Land Auswanderer.

40Es wird beabsichtigt, die Aufmerksamkeit bei der Auswertung der Datensätze auf zwei wesentliche Aspekte zu richten: Zum einen soll versucht werden, die Auswanderung aus dem Bezirksamt quantitativ genauer zu erfassen, wobei neben temporären Schwankungen auch regionale Unterschiede in der Wanderungsstärke – im Vergleich zum restlichen Großherzogtum – auf deren Ursachen hin untersucht werden sollen. Zum anderen soll die genaue Auswanderungsstruktur im Raum Karlsruhe beleuchtet werden, wobei auch hier bei Bedarf Vergleiche zu Baden angestrebt werden, um eventuelle Übereinstimmungen oder Abweichungen kenntlich zu machen.

1.2 Forschungsstand

  • 37 Moltmann, Günter: Die deutsche Auswanderung in überseeische Gebiete: Forschungsstand und Forschungs (...)

41Das Phänomen der räumlichen Mobilität umfasst mannigfache Formen der Bevölkerungsbewegung wie Beispielsweise die Gastarbeiterwanderung, Binnenwanderung, Bevölkerungsumsiedlungen – im Grunde genommen jegliche Standortveränderung von Menschen für die diverse Gründe maßgebend sein können. In der Regel setzt Mobilität dann ein, „wenn der Drang nach örtlicher Veränderung zur Erzielung besserer Lebensbedingungen stärker ist als die Bindung im vorgegeben gesellschaftlichen und räumlichen Existenzrahmen.“37

  • 38 Ebd.

42Wer sich heute mit der deutschen Überseewanderung befasst, hat es folglich „mit der Einzelkomponente eines sozialgeschichtlichen Komplexes zu tun, nicht mit einem isolierten, klar abzugrenzenden Vorgang. Der größere Zusammenhang muß mit gesehen werden. Überseewanderung war immer ein vielschichtiger in die allgemeine Sozialgeschichte verwobener Prozeß.“38 Daher dürfen, um die Überseewanderung vollständig erfassen zu können, die sozialgeschichtlichen Strukturen in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert nicht unberücksichtigt bleiben.

  • 39 Zitiert nach Le Goff. In: Bade: Europa in Bewegung (wie Anm. 2), S. 6.

43Vom heutigen Standpunkt aus mag uns Sesshaftigkeit eher als der ‚ normale’Lebensweg vorkommen – in den letzten Jahrhunderten hingegen war räumliche Mobilität, internationale Mobilität und somit auch die Überseewanderung keinesfalls eine weniger ‚normale’ Erscheinung. Um die Vorgänge sowohl innerhalb der europäischen Geschichte als auch in der Gegenwart verstehen zu können, liefert die Migrationsforschung für den Historiker Le Goff essenzielle Bausteine zur Beantwortung der funtamentalen Frage „Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?“39 Bei Betrachtung der Historischen Migrationsforschung auf internationalem Gebiet fallen starke Unterschiede in Bedeutung und Schwerpunktsetzung auf, was mit den unterschiedlichen historischen Erinnerungstraditionen und dem Erfahrungsgewicht der Migrationsbewegung in den einzelnen Forschungslandschaften in Verbindung gebracht werden kann. Gleichermaßen spielt es eine wichtige Rolle, ob und wie tief die Migration im kollektiven Gedächtnis oder in den Gründungsmythen der einzelnen Länder verwurzelt ist und welche Inhalte daraus im kollektiven Gedächtnis dominieren.

  • 40 Bade, Klaus J.: Sozialhistorische Migrationsforschung. Göttingen Mai 2004. S. 44.

44Von Bedeutung ist auch die aktuelle Migrationsproblematik, die zum Aufgreifen abgerissener Erinnerungstraditionen führt, was in der Historischen Migrationsforschung essentiell ist. Gerade in den ‚klassischen’ Einwanderungsländern hat das Thema Einwanderung eine nachhaltige Erinnerungstradition, welche durch aktuelle Einwanderungsbewegungen stabilisiert wird. Bade führt an, dass hierzulande die Einwanderung wesentlich stärker in der Erinnerungstradition verhaftet sei als die Auswanderung.40

  • 41 Wätjen, Hermann: Aus der Frühzeit des Nordatlantikverkehrs. Leipzig 1932.
  • 42 Gelberg, Birgit: Auswanderung nach Übersee. Soziale Probleme der Auswandererbeförderung in Hamburg (...)

45Die meisten Historiker interessieren sich bei der überseeischen Auswanderung des 19. Jahrhunderts vor allem für Motive, Erfolge und Misserfolge der Auswanderer und deren Bemühungen, sich in der Neuen Welt eine wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Existenz aufzubauen. Der Auswanderungsvorgang selbst wird von den Autoren meistens nicht oder wenn nur am Rande betrachtet. Eine Ausnahme dazu bilden Rolf Engelsing und Hermann Wätjen. Engelsing legte den Schwerpunkt seiner 1961 veröffentlichten Dissertation „Bremen als Auswanderungshafen 1863-1880“auf die wirtschaftliche Bedeutung des Auswandererverkehrs für Bremen. Wätjen hingegen betrachtet in seinem Werk „Aus der Frühzeit des Nordatlantikverkehrs“41 die Gefahren und Probleme der Reise in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese Sichtweise greift auch Gelberg auf. Sie untersucht überwiegend die Probleme der europäischen Auswanderer zwischen 1850 und 1914, vom Eintreffen im Einschiffungshafen bis zur Ankunft in ihrem neuen Heimatort, untersucht.42

  • 43 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 58.

46Seit den 1960er Jahren hat die Auswanderungsforschung einen großen Aufschwung erlebt. Nicht nur die Abwanderung aus Europa, sondern auch die Aufnahme der Einwanderer in den Vereinigten Staaten hat besondere Aufmerksamkeit erregt. Hierbei sind amerikanische Forscher führend, wenn auch die europäischen durchaus nicht unbeteiligt sind. Die amerikanische Einwanderungsforschung knüpfte an die seit den 1920er Jahren bestehenden Forschungstraditionen an und brachte seit 1970 zahlreiche Arbeiten in den Disziplinen Demographie, Soziologie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Stadtgeschichte mit Fragenkomplexen der Akkulturation und Assimilation hervor.43

  • 44 Zitiert nach: Rudolph J. Vecoli. In: Ebd., S. 59.

47Auf der deutschen Seite hat sich das wissenschaftliche Interesse an internationalen Auswanderungsfragen nach dem Zweiten Weltkrieg nur zögernd wieder eingestellt. So gilt bis in die 1980er Jahre die Feststellung des Historikers Rudolph J. Vecoli von 1972: „Altough the Germans figured as the largest element in the nineteenth century immigration the historical literature dealing with them is quite slim.“44

48Wo stehen wir, wie ist der Forschungsstand zur deutschen Überseewanderung heute? Um diese Frage zu beantworten, bedarf es einer kurzen Schilderung des Forschungsstandes. Besonders vor dem Ersten Weltkrieg war die diesbezügliche deutsche Fachliteratur von großer Bedeutung. Sie beschäftigte sich vornehmlich mit der Motiverörterung, dem Auswanderungsrecht, den ökonomischen Folgen des Abzugs, der Statistik, der Auswanderungspolitik der Einzelstaaten, dem wellenförmigen Verlauf und der räumlichen Schwerpunktverlagerung der Auswanderung. Aus diesem Zeitraum stammen auch die für die Auswanderungsgeschichte unentbehrlichen Standartwerke von Eugen von Philippovich „Auswanderung und Auswanderungspolitik“ aus dem Jahre 1892 und von Wilhelm Mönckmeier „Die deutsche Überseeische Wanderung“ von 1912.

  • 45 Marschalck: Überseewanderung (wie Anm. 28).
  • 46 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 59; Walker, Mack: Germany and the Emigration (...)

49Nach dem Ende der transatlantischen Massenbewegung in den 1930er Jahren wurde das Thema Auswanderung in der europäischen Forschungslandschaft immer weiter zurückgedrängt. In Folge riss die Auswanderungsforschung zwar nie ganz ab, war jedoch großen Schwankungen unterworfen und im Nationalsozialismus stark durch den politischen Zeitgeist geprägt. Hinzu kam, dass nach dem Zweiten Weltkrieg großes Desinteresse auf dem Thema Auswanderung lag, das größtenteils durch das Ausklammern aller im Nationalsozialismus mit politischen Akzenten bedeckten Themen begründet werden kann. Daher schrumpfte die Amerikaauswanderung in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem Spezialgebiet der Amerikanisten, obwohl die europäische Wanderungsbewegung vom 2. Weltkrieg bis in die 1950er Jahre noch einmal deutlich zunahm. Seit den 1960er Jahren erscheinen wieder größere Forschungsarbeiten, davon sind besonders die bereits erwähnte Studie von Rolf Engelsings über den Bremer Auswanderungshafen und die demographischtypologisch angelegte Übersichtsarbeit über die deutsche Überseewanderung im 19. Jahrhundert von Peter Marschalck von 1973 hervorzuheben.45 Auf amerikanischer Seite erschien in diesem Zeitraum die sozialgeschichtlich angelegte Kontextanalyse von Mack Walkers „Germany and the Emigration 1816-1885“, die auch in Deutschland große Resonanz gefunden hat.46

  • 47 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 59. Hinzu kommt 1977 ein Symposium zur Geschi (...)

50In den Bereichen Genealogie, Lokalgeschichte und Landesgeschichte ist die deutsche Tradition der Auswanderungsforschung seit den 1970er Jahren wieder stark belebt und reicht von kleinen Berichten in Heimatblättern bis hin zu wissenschaftlichen Aufsätzen in der landesgeschichtlichen Fachliteratur und regionalgeschichtlichen Monographien. Gerade die übergreifenden Studien setzen eine große Zahl an Einzelstudien voraus, von denen seit Ende der 1970er Jahre zahlreiche vorliegen.47

  • 48 Bade: Sozialhistorische Migrationsforschung (wie Anm. 40), S. 45; ausführlicher dazu: Bade, Klaus J (...)
  • 49 Bade: Sozialhistorische Migrationsforschung (wie Anm. 40), S. 45.

51Durch den Wandel Europas vom Auswanderungs-zum Einwanderungskontinent im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts und den damit entstandenen neuen Herausforderungen lebte das Interesse an der Historischen Migrationsforschung wieder auf.48 Dabei ging es anfänglich zumeist darum, mit Hilfe von abgeschlossenen Migrationsprozessen die Probleme aktueller Migrationsprozesse besser beurteilen zu können. Folglich sind Wissenschaftler aus der Historischen Migrationsforschung – mit dem Hintergrund langer historischer Entwicklungslinien – bei der Diskussion um die Einschätzung aktueller Prozesse beteiligt. „Dabei ergab sich, über alle damit verbundenen inter- und transdisziplinären, insbesondere theoretischen, aber auch semantischen Verständigungsprobleme hinweg, eine stets enger werdende Kommunikation zwischen empirisch-gegenwartsorientierten und sozial- und/oder kulturhistorischen Richtungen der Migrationsforschung.“49

52Ein Blick auf die Forschungsarbeiten in den Vereinigten Staaten zeigt, dass es dort schon vor dem Ersten Weltkrieg detaillierte Arbeiten zu der deutsch-amerikanischen Vereinskultur, die in etwa das Gegenstück zur deutschen Landesgeschichte darstellte, gegeben hat. Die Mehrzahl der Veröffentlichungen die das Deutschtum in Amerika untersuchen waren stark bestimmt von der Tendenz, die Leistungen der Deutschen in der Neuen Welt hervorzuheben – als „Gift of immigrants approach“ wird dieser Ansatz in der neueren amerikanischen Forschung bezeichnet.

  • 50 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 61; Hansen, Marcus Lee: The History of Americ (...)
  • 51 Wittke, Carl: Refugees of Revolution. The German Forty-Eighters in America. Philadelphia 1952; Witt (...)
  • 52 Walker: Germany and the Emigration (wie Anm. 46).

53In der Zwischenkriegszeit beschäftigten sich die Wissenschaftler, vornehmlich die Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler, überwiegend mit Fragen der Akkulturation und Amerikanisierung. In den Folgejahren lag der Schwerpunkt des Forschungsinteresses, geweckt durch die Quotengesetzgebung in den 1920er Jahren, bei der New Immigration. Die ebenfalls in der Zwischenkriegszeit entstandene Arbeit von Marcus Lee Hansen, die auf intensiver Forschungsarbeit in deutschen und anderen europäischen Archiven beruht und den Prozess der Auswanderung von den europäischen Ursprüngen bis zur Niederlassung in Amerika behandelt, fand erst Jahre später den Weg in die Öffentlichkeit.50 Nach dem Zweiten Weltkrieg stand das Interesse für politische und kulturelle Interaktion im Vordergrund, wobei deskriptive Züge stark hervortraten. Zu den wichtigsten Werken dieser Richtung zählt Carl Wittkes Abhandlung über die deutschen Achtundvierziger im Amerika (1952), dem folgten weitere biographische Studien und sein bedeutendes Werk über die deutschamerikanische Presse (1957).51 Seit Ende der 1950er Jahre erschienen dann eine Vielzahl von kommunalen Fallstudien und regionalen Untersuchungen über Deutschamerikaner. Als wichtigstes übergreifendes Werk ist an dieser Stelle noch einmal Mack Walkers Arbeit über Deutschland und die Auswanderung 1816-1885 zu nennen.52

54Resümierend lässt sich festhalten, dass die deutsche Auswanderungsforschung und die amerikanische Einwanderungsforschung ohne brückenschlagendes Konzept verlief, obwohl es ein solches bereits seit der 1940 erschienen Arbeit von Marcus Lee Hansen gab. So stellten die Herauslösung der Auswanderer aus Deutschland, die Übersiedlung und die Eingliederung der Menschen in der amerikanischen Gesellschaft eine wegweisende Forschung dar; ebenso die Zuordnung von Teilvorgängen eines sozialhistorischen Gesamtprozesses, dessen Auswirkungen auf beiden Seiten und auf dem bilateralen Beziehungsfeld zu spüren waren – womit bereits inhaltliche Probleme der Auswanderungsforschung der späten 1970er Jahre berührt wurden.

  • 53 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 62.; zitiert nach: Thistlethwaite, Migration (...)
  • 54 Thistlethwaite, Frank: Migration from Europe Overseas in the Nineteenth and Twentieth Centuries. In (...)
  • 55 Ausführlicher siehe bei Joseephy: Überseeische Auswanderung (wie Anm. 29), S. 34-56.

55Beim Vergleich der früheren Fragestellung mit der modernen lässt sich erkennen, dass das wirtschaftliche Interesse an der Auswanderung, die Rekonstruktion der äußeren Vorgänge, der Verlaufsformen und der Leistungsnachweis nicht den Einwanderern in den Vereinigten Staaten gewidmet ist, sondern sich mehr der strukturellen Kontextanalyse und dem sozialgeschichtlichen Gesamtzusammenhang zugewendet hat. Die Perspektive wurde weiter und die Zielsetzung übergreifender, dementsprechend spezifischer ist die Faktenerforschung geworden – was sich an den internationalen Diskussionen zur Wanderungsgeschichte zeigt: Frank Thistlethwaite erhob die Forderung, die oftmals undifferenziert betrachteten Auswanderermassen auf ihren jeweiligen Herkunftsort hin detaillierter zu untersuchen. „Only when we examine such districts and town-ships, and trace the fortunes of their native sons, do we begin to understand the true anatomy of migration.“53 In gleichem Maße sollten die beruflichen Voraussetzungen und Arbeitsbedingungen der Auswanderer betrachtet werden. Was zeigt, dass die Detailforschung – wie sie auch im Rahmen dieser Arbeit betrieben wird – weiterhin nicht überflüssig geworden ist, sondern lediglich ihren Blickwinkel auf größere Zusammenhänge legen soll. Was die Untersuchung der Auswanderungsursachen anbelangt, legte die frühere Forschung eine „laundry list of ‚push’ and ‚pull’ factors“54, wie Thistlethwaite die rein getrennte Ursachenauflistung beschrieb, an. Wohingegen man seit den späten 1970er Jahren dazu übergegangen ist, die mentalen, religiösen, sozialen, wirtschaftlichen, administrativen und politischen Faktoren in einem gemeinsamen Beziehungssystem zu sehen, da fördernde und hemmende Einflüsse meist von komplexer Natur waren und deshalb mit den jeweiligen Hindergrundstrukturen erfasst werden müssen, wie etwa Wirtschaftskonjunktur, Agrarverfassung etc.55

  • 56 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 63.

56Die statistische Entwicklung der Auswanderungsbewegung wurde zwar bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nur unsystematisch und lückenhaft vorangetrieben, lässt aber dennoch die Auf- und Abschwünge der Wanderungsbewegung deutlich erkennen. Ende der 1970er Jahren begann man damit Phasen mit verstärkter Auswanderung auf ihre Relation zu sozialen Strukturveränderungen hin zu untersuchen – unter Berücksichtigung von Familien-, Einzel- und Arbeiterwanderung und der beruflichen Zusammensetzung der Auswanderer.56

  • 57 Bretting, Agnes; Bickelmann, Hartmut: Auswanderungsagenturen und Auswanderungsvereine im 19. und 20 (...)
  • 58 Bretting, Agnes: Soziale Probleme deutscher Einwanderer in New York City, 1800-1860. Stuttgart 1981
  • 59 Adams: Die deutschsprachige Auswanderung (wie Anm. 11), S. 11 f.
  • 60 Kuhn, Gertrud: USA – Deutschland – Baden und Württemberg. Eine Auswahl von Titeln zur Auswanderung (...)

57Die von Moltmann Ende 1979 gewünschten gründlicheren Untersuchungen der Auswanderungsorganisation – einschließlich der Rolle der Werbung, Agenturen und Transportunternehmen – und der Bedeutung der jeweiligen Verkehrsbedingungen für die Routen- und Ziellandwahl, wurde in der 1991 veröffentlichten Arbeit von Agnes Bretting und Hartmut Bickelmann „Auswanderungsagenturen und Auswanderungsvereine im 19. und 20. Jahrhundert“57 entsprochen. Ebenso hat sich Bretting mit den geforderten Akkulturations- und Assimilationsprozess der deutschen Einwanderer in ihrem Werk „Soziale Probleme deutscher Einwanderer in New York City, 1800-1860“58 auseinandergesetzt. Der fehlenden Auswertung der Auswandererbriefe wurde in der Arbeit „Briefe aus Amerika. Deutsche Auswanderer schreiben aus der Neuen Welt 1830-1930“ (München 1988) die von Wolfgang Helbich, Walter D. Kamphoefner und Ulrike Sommer herausgegeben wurde, nachgegangen. Dringend benötigt werde, so Moltmann, eine bessere Aufbereitung des Quellenmaterials und eine Zusammenfassung der bisherigen Forschungsergebnisse, da kaum ein Land eine so unübersichtliche Quellenlage aufweisen würde wie Deutschland. Auf die Quellenlage in den badischen Archiven ist Hermann Ehmer 1980 in einem Bericht über den Forschungsstand und die Quellenbestände, veröffentlicht durch das John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerika-Studien der FU Berlin, eingegangen.59 Einen hilfreichen Überblick über die Literatur zur Auswanderung aus Baden-Württemberg gab Gertrud Kuhn bereits 1976.60

58Dennoch konnte bis heute nicht die geforderte verbesserte Dokumentation in Findbüchern und eine bessere Kooperation der Landes-, Kreis-, und Gemeindearchiv erzielt werden – es fehlt weiter der Gesamtüberblick, was sich in der Auswanderungsforschung nachteilig bemerkbar macht.

  • 61 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 66.
  • 62 www.auswanderer-bw.de

59Auch die elektronische Erschließung der umfangreichen Archivalien brachte nicht die von Moltmann erhoffte Besserung; beispielsweise ist zu den Auswanderungsbeständen des Generallandesarchivs in Karlsruhe bis heute kein Onlinefindmittel existent, weshalb die entsprechenden Akten weiterhin mit Hilfe der Karteikarten der einzelnen Behörden aufgespürt werden müssen. Nötig scheint auch eine stärkere Internationalisierung der deutschen Forschung und der archivalischen Erschließung.61 Die 2004 neu überarbeitete Online-Auswandererdatenbank der Landesarchive Baden-Württemberg stellt eine enorme Erleichterung bei der Auswanderersuche – besonders für ausländische „Ahnenforscher“ – dar.62 Die Datenbank gibt jedoch lediglich einen Überblick über die Auswanderermassen und Hilft bei der Suche einzelner Auswanderer; für statistische Zwecke ist die Datenbank nicht geeignet. Ausführlicher wird auf die Datenbank in Kapitel 1.3.1 eingegangen.

1.3 Quellenlage

1.3.1 Badische Archive

  • 63 Dies traf für die im Rahmen dieser Arbeit benötigten Akten nicht zu.

60Die Suche nach Quellen zur Auswanderung aus Baden gestaltet sich sehr schwierig. Dieser Sachlage soll ein kurzer Abriss der Archivgeschichte Badens vorangehen. Bedingt wurde diese Situation durch das Ende der Existenz des Landes Baden 1945, der Etablierung eines Rest-Badens in der französischen Besatzungszone mit der Hauptstadt Freiburg und dem Zusammenschluss von Nordbaden und Nordwürttemberg, wodurch für das nunmehrige Land Baden in Freiburg eine eigene Archivbehörde, das Landesarchivamt, geschaffen wurde. Nach der Entstehung des Landes Baden-Württemberg blieb diese Behörde bestehen und arbeitete als Außenstelle des Generallandesarchivs in Karlsruhe, das von 1803-1945 als zentrale Archivbehörde für die staatlichen Akten in ganz Baden zuständig war. Mit der Neuordnung des Archivwesens 1974 wurde das Freiburger Archiv zum Staatsarchiv dieses Regierungsbezirkes erklärt. Problematisch ist hierbei, dass bislang kein Austausch der Bestände vorgenommen wurde – das heißt manche Akten von unteren und mittleren Verwaltungsstufen aus Südbaden können sowohl in Freiburg als auch in Karlsruhe verwahrt werden.63 Allein die Anzahl der Einzelfallakten aus den Bezirksämtern im Generallandesarchiv von 1816 bis 1945 schätzt Hermann Ehmer auf 100.000. Hierbei ist zu beachten, dass die vorhandenen Akten naturgemäß nur die Personen betreffen die legal ausgewandert sind – Ehmer vermutet eine ebenso große Dunkelziffer an Auswanderern.

  • 64 Ehmer, Hermann: Die Quellen zur Nordamerika-Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert im Generallande (...)

61Ferner kann eine Akte auch die Auswanderung einer ganzen Familie mit 8 oder 10 Köpfen betreffen. Die Aktenbestände sind allerdings nicht mehr vollständig vorhanden. Die Generalakten des Staatsministeriums (Abt. 233), auf die auch im Rahmen dieser Arbeit zugegriffen wurde, sind unter der Rubrik „Wegzug“ nach Zielländern geordnet. Für Amerika umfassen diese Akten die Jahre 1817 bis 1927. Die Akten des Innenministeriums (Abt. 236), geben Auskunft über Konzessionierung der Auswanderungsagenturen – sind jedoch nur bis 1880 erhalten. Problematisch ist das relativ späte Erscheinen der badischen Auswanderungsstatistik. Daher sind gesammelte Listen aller Auswanderer (Abt. 434) nur für den Zeitraum 1866-1911 erhalten. Weiter muss in diesem Zusammenhang noch auf drei Serien von gedruckten Statistiken verwiesen werden: Statistische Mitteilungen über das Großherzogtum Baden (1, 1869), das Statistische Jahrbuch für das Großherzogtum Baden (1, 1868) und die Beiträge zur Statistik der Inneren Verwaltung des Großherzogtums Badens (1, 1855). Hiervon ist lediglich das Statistische Jahrbuch noch nach 1918 erschienen.64

  • 65 Ehmer: Die Quellen zur Nordamerika-Auswanderung (wie Anm. 64), S. 155.
  • 66 Maenner, E.: Sippenkundliche Arbeit auf dem Gebiet des Auslanddeutschtums in Baden. In: Jahrbuch fü (...)
  • 67 Sauer, Paul: Das Quellenangebot der territorialen Staatsarchive, insbesondere Südwestdeutschlands, (...)

62Die gleiche Schwierigkeit ergibt sich bei der Aufbereitung der badischen Quellen. Bislang sind im GLA Karlsruhe lediglich zwei verschiedene Kategorien von Anfragen an die vorhandenen Quellen zu verzeichnen: zum einen von in den USA lebenden Nachkommen der im 19. Jahrhundert Ausgewanderten, um Auskunft über ihre Vorfahren zu erhalten. Zum anderen die Inanspruchnahme der Quellen für die Heimat- und Ortsgeschichtsforschung. Somit dient die bisher betriebene badische Auswanderungsforschung vornehmlich genealogischen und heimatgeschichtlichen Interessen und behandelt daher nur Teilgebiete der Auswanderung. Die 1892 von Eugen von Philippovich erschienene, besonders wertvolle Arbeit über die staatlich geförderte Auswanderung in Baden, wurde bislang leider nicht fortgeführt.65 Einzig Renate Vorwinkel beschäftigte sich in ihrem Werk „Ursachen der Auswanderung gezeigt an badischen Beispielen aus dem 18. und 19. Jahrhundert“ detailliert mit den badischen Auswanderungswellen. Die Anfänge der sippennkundlichen Arbeit auf dem Gebiet des Auslanddeutschtums der Badener gehen auf Dr. Wilhelm Groos zurück.66 Die Auswanderung fand besonders in den Südwestdeutschen Archiven einen reichen dokumentarischen Niederschlag. Da sie ein zentrales bevölkerungspolitisches Problem darstellte, beschäftigten sich alle Bereiche der Staatsverwaltung mit ihr. Die Politik der Regierungen spiegelt sich vor allem in den Akten der Zentralbehörden, für Baden in den im Generallandesarchiv Karlsruhe verwahrten Beständen „Baden Generalia“ wider. Unter der Rubrik „Wegzug“ (Abt. 77) ist beispielsweise die Auswanderung nach Pennsylvania und Preußen seit 1658 dokumentiert.67

63Mit zunehmenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen wurde der Weg in die Vereinigten Staaten von der Regierung geöffnet: wer auch immer der Heimat den Rücken kehren wollte, konnte dies tun. Er hatte lediglich nachzuweisen, dass er keine Schulden und unversorgte Angehörige in der Heimat zurücklassen würde. In erster Instanz prüften Gemeinderäte solche Auswanderungsanträge und stimmten der Auswanderung sozial schlecht gestellter Familien stets bereitwillig zu. Die in den Gemeindearchiven verwahrten Gemeinderatsprotokolle gehören zu den wichtigsten Quellen für die Auswanderung im 19. Jahrhundert, da diese auch über wertvolle soziale Hintergrundinformationen verfügen. Die Umfangreichen Aktenbestände der Ober- und Bezirksämter, der Kreis- und Landratsämter im Generallandesarchiv – auf die im Rahmen dieser Arbeit überwiegend zurückgegriffen wurde – sind hingegen bürokratisch und nüchtern gehalten. In diesen Einzelakten, wenn sie vollständig erhalten sind, finden sich sämtliche mit der Auswanderungsvorbereitung verbundenen Formalitäten: Antrag auf Auswanderung, Auszug aus dem Gemeinderatsprotokoll, Geburtsurkunde, Bürgschaftserklärung eines im Innland bleibenden Verwandten für eventuelle finanzielle Verbindlichkeiten, Bürgerverzichtsurkunde und die Einverständniserklärung der Militärbehörde bei Männern im militärpflichtigen Alter. Mit dem immer routinierteren Auswanderungsvorgang in den 1880er Jahren wurden auch die behördlichen Aufzeichnungen fragmentarischer.

  • 68 Vgl. Sauer: Das Quellenangebot der territorialen Staatsarchive (wie Anm. 67), S. 71.
  • 69 Ebd., S. 68 f.

64Von hohem dokumentarischem Wert sind die detaillierten Auswanderungsverzeichnisse des Badischen Statistischen Landesamtes für die Jahre 1866-1911 im GLA, die alle legalen Auswanderer aus Baden listenmäßig erfassen.68 Dennoch müssen die Einzelfallakten hinzugezogen werden, wenn man die Personalien und die für die Auswanderung wichtigen sozialen und wirtschaftlichen Tatbestände einigermaßen erfassen will. Obwohl das GLA Karlsruhe schätzungsweise 100.000 solcher Akten der 53 badischen Bezirksämter verwahrt, sind für manche Bezirke schmerzliche Lücken festzustellen. Hinzu kommt der zeitweise erheblich hohe Prozentsatz der illegal Ausgewanderten, der schon angesprochen wurde.69

  • 70 Ebd., S. 70.

65Bis zur Jahrhundertmitte begnügten sich die Regierungen im Wesentlichen damit, dem Auswanderungsstrom freien Lauf zu lassen und begünstigten sogar den Abzug armer Einzelpersonen und ganzer Dörfer. Das Schicksal der Auswanderer in den europäischen Seehäfen oder in Übersee kümmerte sie dabei nur wenig. Die wenigen badischen Konsulate in den amerikanischen Seehäfen und Städten leisteten den Auswanderern im Rahmen ihrer Möglichkeiten Hilfe. Durch die immer lauter werdenden Nachrichten über die betrogenen und ausgebeuteten Auswanderer entschloss sich die badische Regierung zu einer aktiven Auswanderungspolitik, bei der die Fürsorge im Vordergrund stand. In einem ersten Schritt wurde die Zahl der Konsulate erhöht. Die Aktenbestände des badischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vermitteln davon eine Vorstellung.70 Hierin enthalten sind eine Fülle von Berichten und Korrespondenzen (Zeitungen, Werbeschriften von Schifffahrtsunternehmen, Gesuche und Förderung von Vereinsprojekten, Ortsbeschreibungen der Konsuln).

66Unterlagen von besonderer Art sind im Bestand des Badischen Staatsministeriums unter der Rubrik „Interzessionen“ zu finden. Hierbei handelt es sich um Pensionsforderung von Angehörigen badischer Auswanderer, die im amerikanischen Bürgerkrieg umgekommen sind.

67Einen Interessanten Einblick in das Vereinsleben in den USA ermöglicht die Korrespondenz des badischen Großherzogs mit Privatpersonen und Vereinen in Amerika, die im GLA der Kategorie „Geheimes Kabinett“ zugeordnet sind.

68Im Innland überwachte die badische Regierung mit den unteren staatlichen Verwaltungsbehörden und den Gemeinden das Geschäftsgebaren von Agenten und Schifffahrtsunternehmen, indem sie ihnen eine staatliche Konzession auferlegte.

  • 71 Nicht zugänglich sind der Bestand Oberrheinische Forschungsstelle und GLA 434/1939.

69Zu den Fürsorge- und Hilfsmaßnahmen sind in den Akten des Innenministeriums aber auch in denen der mittleren und unteren staatlichen Verwaltungsebenen reichlich Quellen vorhanden. Durch die zahlreichen genealogischen Anfragen aus den Vereinigten Staaten haben einige Archive Namenkarteien von Auswanderern angelegt. Das GLA in Karlsruhe ist im Besitz einer Kartei für sämtliche Auswandererlisten des Badischen Statistischen Landesamtes. Die Schaffung alphabetischer Karten und die Register nach Herkunftsorten für Baden, stellten sich als besonders hilfreich zur Überprüfung einzelner Familien und Orte dar. Zur besseren Identifizierung der Familien leisten auch die Ortssippenbücher von Albert Köbele wertvolle Hilfe. Die verschiedenen Karteien über die das GLA verfügt, sind sich zum Teil überschneidende Einzelnachweise und nicht alle für die Öffentlichkeit zugänglich beziehungsweise noch nicht erschlossen. Diese wurden in der Auswanderdatenbank des Landes Baden-Württemberg eingesetzt und in die neu angelegte Datentabelle ungeprüft aufgenommen.71

  • 72 Sauer: Das Quellenangebot der territorialen Staatsarchive (wie Anm. 67), S. 71.

70Bislang wurde das reichhaltige archivische Primärmaterial zur Auswanderung im Südwesten leider im Wesentlichen nur für kleinere ortskundliche und genealogische Arbeiten herangezogen. Beinahe ganz fehlen übergreifende kultur- und sozialgeschichtliche Darstellungen. Dabei vermag gerade die wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Quellen Licht in die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen deutschen Staaten während des 19. Jahrhunderts zu bringen, und der sozialgeschichtlichen Forschung sowohl auf nationalem als auch internationalem Gebiet wichtige Impulse zu geben. Kein Zweifel besteht daran, dass die Aufteilung des Quellenmaterials auf eine Vielzahl von Archive und hier wiederum auf die verschiedensten Bestände sowie teilweise völlig ungenügend erschlossenes Archivgut oder teilweise gar nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Bestände, wie bereits erwähnt, eine starke Behinderung für die Forschung darstellen. Diesem Zustand kann lediglich durch archivübergreifende sachthematische Inventare Abhilfe geschaffen werden, wozu es eines im öffentlichen Rahmen oder mit privaten Mitteln finanzierten Sonderprogramms und dem zusätzlichen Einsatz von Wissenschaftlern bedarf.72

71Die durch die Datenverarbeitung und im Zeitalter des Internet neu entstandenen Möglichkeiten kommen leider nur sehr beschränkt, sowohl aus finanziellen als auch personellen Gründen, zum Einsatz – was die Suche auf amerikanischer und deutscher Seite erschwert.

72Im Rahmen dieser Arbeit muss allerdings die Frage aufgeworfen werden, ob sich die Auswandererdatenbank von Baden-Württemberg, zumindest was den hier näher untersuchten Karlsruher Teil anbelangt, überhaupt für eine quantifizierende Auswertung eignet. Um eine breit gefächerte Datenbasis zu erhalten, war es erforderlich eine neue Datentabelle, basierend auf der Datenbank der Baden-Württembergischen Archive, der Quellen des GLA und der Online Datenbank von Castle Garden in New York anzulegen. Auf die vorgefundenen Probleme wurde bereits und wird im Verlauf noch näher eingegangen.

  • 73 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika. Deutsche Aus (...)

73Kirchenbücher sind für die Nachforschungen über Herkunft und familiären Hintergrund der Auswanderer eine grundlegende, oftmals auch, wenn die Auswanderung nicht den behördlichen Weg nahm, die einzige Quelle. Für den Historiker haben gerade die protestantischen Kirchenbücher einen hohen Informationswert, da sie neben den Namen und Geburtsdaten fast immer über Berufsangaben verfügen, die in den katholischen Kirchenbüchern, die oft noch in lateinischer Sprache abgefasst wurden, ganz fehlen. In einigen Fällen wurden in den Pfarrregistern auch Datum der Auswanderung und Auswanderungsziel vermerkt, so dass die Einträge gelegentlich einen genauen Überblick über die Auswanderungsbewegung einzelner Gemeinden geben können.73

74Die Kirchenbücher im GLA sind nur auf Mikrofilm einsehbar und geben größtenteils keine ergänzende Auskunft zu den Einzelfallakten. Auf Grund dessen, der großen Auswandererzahl im Bezirksamt Karlsruhe und des engen Zeitplans, wurden die Kirchenbücher nicht als Quelle in die neu erstellte Auswanderertabelle aufgenommen.

75Gleichermaßen bedeutend sind die zeitgenössischen Landesbeschreibungen und Statistiken, die Aufschluss über die Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Sozialstruktur der Auswanderungsregion geben und somit meist Rückschlüsse auf wirtschaftliche und soziale Auswanderungsmotive zulassen. Des Weiteren erhalten sie Beschreibungen einzelner Ortschaften, die ansatzweise ein Bild vom Herkunftsmilieu des Auswanderers geben.

76In Karlsruhe – und Baden insgesamt – war für das Auswanderungsverfahren das Bezirksamt zuständig; infolgedessen befinden sich die entsprechenden Akten im Generallandesarchiv Karlsruhe. Aus solchen Einzelfallakten gehen im Idealfall nicht nur Name, Alter, Herkunft und Konfession hervor, sondern auch Beruf, Vermögensverhältnisse, Auswanderungsgrund und Auswanderungsziel.

77In der Regel weisen diese bedauerlicherweise große Unregelmäßigkeiten auf: Berufsund Vermögensangaben fehlen, als Reiseziel wird pauschal nur Amerika oder Nordamerika, als Auswanderungsgrund meist nur eine bessere Existenz angegeben. Nach der Durchsicht der Einzelfallakten des Bezirksamts Karlsruhe konnte, im Vergleich mit der Auswandererdatenbank des GLA, ein starkes ‚ Auseinanderklaffen’der Auswandererzahlen festgestellt werden, was aus dem Fehlen der Familienangehörigen in der Auswandererdatenbank des GLA, in der einzig Einzelauswanderer oder Familienoberhäupter verzeichnet werden, resultiert. Des Weiteren werden die einzelnen Quellen nicht einer Person zugeordnet, sondern jedes Mal mit einem Personeneintrag neu aufgeführt. Dies hat zum Ergebnis, dass ein Auswanderer der in vier Quellen nachgewiesen werden konnte, auch vier Personeneinträge in der Datenbank hat. Das gleiche Problem zeichnet sich bei den Familienoberhäuptern ab: diese erhielten lediglich einen Eintrag, auch wenn sie beispielsweise mit Frau und sechs Kindern die Ausreise angetreten haben.

  • 74 Hieraus lässt sich noch einmal deutlich die hohe Rate der illegal Ausgewanderten erkennen, die erst (...)

78Hinzu kommt die falsche Zuordnung der Auswanderungsjahre, was schon in Kapitel 1.1.1 näher erläutert wurde.74 Auch bei den Ortsangaben sind Abweichungen festzustellen.

79Dass schätzungsweiße über 50% der Auswanderer das Großherzogtum verließen, ohne zuvor das behördliche Placet einzuholen, kann mehrere Ursachen haben: die umständliche administrative Prozedur und die mangelnde Vertrautheit im Umgang mit den Behörden; Misstrauen gegenüber der Obrigkeit, seine persönlichen Verhältnisse preiszugeben; Angst vor Gläubigern und Finanzbehörden; Flucht vor dem Militärdienst etc. Der Hauptgrund für eine ‚illegale’ Auswanderung lag im Verlust der Staatsbürgerschaft. Wer einmal seine Staatsbürgerschaft aufgegeben hatte, musste, wenn er sich zur Rückkehr entschloss, mit großen Schwierigkeiten rechnen – dem viele Emigranten somit aus dem Weg gingen. Das offizielle Auswanderungsprozedere wurde mit steigenden Auswandererzahlen durch die Behörden nicht mehr sonderlich streng gehandhabt, denn schließlich war man mancherorts froh, wenn arme oder erwerbslose Untertanen sich von ihrer Heimat lossagten.

1.3.2 Passagierlisten

  • 75 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73) (...)
  • 76 Die Schiffslisten von Bremen sind erst seit 1907 erhalten.
  • 77 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73) (...)
  • 78 Die Aus- und Einreise war für die Auswanderer eine gute Gelegenheit sich eine neue Identität zuzule (...)
  • 79 Einige Auswandererhäfen wie Bremerhaven stellen die deutschen Auswandererlisten online. Wer allerdi (...)
  • 80 Die originalen Schiffslisten sind in der Library of Congress in Washington archiviert.
  • 81 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73) (...)

80Neben den lokalen Auswanderungsakten stellen auch Schiffslisten eine wichtige Quelle für die deutsche und damit auch für die badische Auswanderungsforschung dar. Hier sind nicht nur die Auswanderer verzeichnet die mit behördlicher Genehmigung ausgewandert sind, sondern auch jene, die das Land quasi auf illegalem Weg verließen.75 In Le Havre, Liverpool, Antwerpen und Rotterdam wurden solche Listen nicht angelegt oder wie im Fall von Bremen zerstört.76 Daher bleiben die statistischen Angaben für diese Einschiffungshäfen weit hinter der Wirklichkeit zurück. Für Hamburg liegen unterschiedliche Serien von Listen vor: eine für die „direkte“ Auswanderung Hamburg – USA zwischen 1850 und 1935 und eine zweite für die ‚indirekte’ Auswanderung über England zwischen 1854 und 1934.77 Die Listen geben Auskunft über den Namen des Schiffs und des Kapitäns, Auslaufdatum und Zielhafen sowie Name der Passagiere, Herkunftsort, Beruf, Familienstand und Geschlecht. Diese Einträge sind keinesfalls immer zuverlässig, zum einen weil sie nach Gehör niedergeschrieben wurden und sich so unter anderem durch die verschiedenen Dialekte Fehler bei der Schreibweise eingeschlichen haben, zum anderen weil die auf ‚illegalem’ Weg Ausgewanderten, aus Angst vor möglichen Repressalien, falsche Angaben machten.78 Die Listen sind auch nur dann nutzbar, wenn das Auswanderungsjahr in etwa bekannt ist, da kein Namensregister existiert – was die Listen für eine statistische Erhebung über das Bezirksamt Karlsruhe unbrauchbar macht.79 Ähnliches gilt für die Arbeit mit den Passagierlisten der amerikanischen Einwanderungshäfen (New York, Baltimore, Boston, New Orleans und Galveston).80 Zwar gibt es Findhilfen für bestimmte Perioden die von Namen ausgehen, aber auch hier ist die Suche nur dann erfolgreich, wenn der Ankunftshafen und Jahr wenigstens annähernd bekannt sind. Die Listen enthalten zwar teilweise Angaben über Name, Alter, Herkunftsort und Beruf, diese sind jedoch von fragwürdiger Qualität, da die Beamten, die die Register erstellten, die Sprache der Neuankömmlinge ebenso wenig beherrschten, wie diese das Englische.81

  • 82 Ferenczi, Imre: An Historical Study of Migration Statistics. In: International Labour Review, Bd. 2 (...)

81Auf die Lücken und verschiedenen Formen des statistischen Materials sind Ferenczi und Willcox bereits Ende der 1920er Jahre eingegangen. Mit deren Ergebnissen haben die Historiker dennoch, in groben Umrissen, ein Bild vom Ausmaß der Überseewanderung erhalten.82

  • 83 www.castlegarden.org und http://www.ellisisland.org

82Im Gegensatz dazu erwiesen sich die elektronischen Listen von Castle Garden, auf die online zugegriffen werden kann, als hilfreiche Ergänzung zu den Einzelfallakten. Diesen sind Angaben zu Auswanderungshafen, Schiffsname, Ankunftsdatum, Beruf, Bildungstand und Auswanderungsziel zu entnehmen. Da sich die Datenbank auf die herkömmlichen Listen stützt, treten, besonders was die Buchstabierweise der Namen angeht, große Probleme auf. Was den Nutzer bei Nachforschungen dazu veranlasst in mühsamer Weise verschiedene Varianten eines Namens zu prüfen (Bürck/Buerck/Burck/Buerk etc.), weshalb hier nicht alle Datensätze des Bezirksamts Karlsruhe zufriedenstellend überprüft werden konnten.83

1.3.3 Amerikanische Quellen

  • 84 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73) (...)
  • 85 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73) (...)
  • 86 Ebd.
  • 87 Ebd.
  • 88 Über den Verbleib der badischen Zeitung konnte leider sowohl innerhalb der deutschen Bibliotheken a (...)

83Einen weitaus größeren Stellenwert als die Schiffslisten nehmen die Statistiken des U. S. Census ein – eine bereits seit 1870 alle zehn Jahre durchgeführte Volkszählung. 1890 umfassten die Ergebnisse des Zensus bereits 25 Bände, ein Kompendium, eine Zusammenfassung und ein Atlas – zusammen über 26.000 Seiten. 1850 wurden zum ersten Mal Angaben über die Stärke der verschiedenen Einwanderergruppen in den einzelnen Staaten und größten Städten der Union festgehalten. Der Census 1860 verzeichnete darüber hinaus den Gesamtteil der ausländischen Bevölkerung für jedes County. Diese Angaben wurden dann ab 1870 nach den Anteilen der zahlenmäßig bedeutendsten ethnischen Gruppen aufgeschlüsselt – auch in den Beschäftigungsstatistiken wurde die ethnische Zugehörigkeit berücksichtigt. Eine detailliertere Überlieferung bieten die Erhebungen des „Agricultural Census“. Ab 1850 wurde beim Erwerb einer Farm genauestens darüber berichtet wie groß der Besitz war, ob es sich um Eigentum oder gepachtetes Land handelte, den Wert der Farm, des Viehs und der Gerätschaften und ob und in welcher Höhe Löhne entrichtet wurden. Darüber hinaus enthielten sie Angaben über Art und Menge der erzeugten Produkte.84 Eine noch bessere Übersicht, im Vergleich zu der lediglich alle zehn Jahre durchgeführten Volkszählung, bieten die Adressbücher „City Directories“ der größeren Städte, da diese in der Regel jährlich neu aufgelegt wurden. Hierin werden – mehr oder weniger vollständig – männliche Erwerbstätige und weibliche Haushaltsvorstände mit Namen, Privatadresse, Beruf aufgeführt; in einigen Fällen sind auch Angaben über Arbeitgeber bzw. Arbeitsplatz enthalten. Gerade was die Berufsangaben betrifft, enthalten die „City Directories“ oft präzisere Angaben als der Census. Deren Nachteil ist es, dass hier weder Alter noch Geburtsort erscheinen und bei häufig vorkommenden Namen die Identifizierung einer bestimmten Person schwierig oder gar unmöglich ist. Obwohl die Adressbücher von privaten Unternehmen hergestellt wurden und keinerlei offiziellen Charakter besitzen, gelten sie als recht zuverlässig, da die Herausgeber aus kommerziellen Gründen ein Interesse an möglichst fehlerfreien Angaben hatten. Für die Verzeichneten war ein Eintrag – vor dem Zeitalter des Telefons – die einzige Garantie für Erreichbarkeit.85 Ein Gegenstück zu den deutschen Landesbeschreibungen bilden, zumindest für den Mittleren Westen, die amerikanischen, ebenfalls privat veröffentlichten „County Histories“ des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sie enthalten Darstellungen über Verlauf der Besiedlung, einzelne Ortschaften, Kirchen, Wirtschaftsstruktur und biographisch Abrisse über die jeweiligen lokalen Honoratioren.86 Von überaus hoher Bedeutung, um sich einen Einblick in das Vorgehen in den jeweiligen deutschamerikanischen Commuity’s zu verschaffen, sind die deutsprachigen Zeitungen die der amerikanische Historiker Carl Wittke als „Stimme, Spiegel und […] Katalysator ethnischen Lebens“87 in den Vereinigten Staaten ansieht. Für die Auswanderer waren die Zeitungen in der Muttersprache eine der wenigen Quellen, um sich sowohl über das aktuelle Geschehen in Amerika als auch in der alten Heimat zu informieren.88

  • 89 GLA 236/8604; Liste anglisierter Namen: o=a, v=b, c=g, a=e, k=ch, i=ei, gh=ch, oo=o.

84Trotzdem gestaltet sich die Quellenlage in Amerika überaus problematisch, da anfänglich keine Meldepflicht bestand. Hinzu kam der Anglisierungsprozess bei den Vor- und Familiennamen der Einwanderer, weshalb es kaum noch möglich ist, von Deutschland aus größere statistische Erhebungen über den Verbleib der Auswanderer anzustellen.89

85Aufgrund dessen konnten im Rahmen dieser Arbeit keine Auswertungen amerikanischer Quellen im Hinblick auf die badischen Auswanderer erfolgen.

Notes

1 http://www.humboldtgesellschaft.de/inhalt.php? name=amerika http://gutenberg.spiegel.de/goethe/gedichte/auswandr.htm

2 Bade, Klaus J.: Europa in Bewegung. Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. München 2000. S. 11.

3 Die Geschichte der Deutschen wurde nachhaltig durch Wanderungen geprägt. Seit der Frühen Neuzeit bis hin zur Gegenwart haben die Deutschen alle Erscheinungsformen von Wanderung im In- und Ausland durchlebt: Aus-, Ein- und Transitwanderungen; Arbeitswanderungen und Wanderhandel; Flucht- und Zwangswanderung. Diese Formen der Wanderungen – besonders die Binnenwanderung – ließen zu, dass Einheimische selbst zu Fremden im eigenen Land wurden: die Ost-West-Fernwanderung der „Ruhrpolen“ und der „Ruhrmasuren“ aus dem preußischen Osten in das durch die Montanindustrie geprägte Ruhr- und Emscherrevier des Kaiserreichs bis zum Flüchtlingsstrom der Ostvertriebenen aus dem ehemals deutschen Osten am Ende und im Gefolge des Zweiten Weltkriegs. Heute wird mit der deutschen Auswanderung zumeist der Massenexodus im 19. Jahrhundert nach Amerika in Verbindung gebracht. Am Beginn der Auswanderung aus dem deutschsprachigen Kulturraum stand jedoch nicht die transatlantische Auswanderung, sondern die kontinentale Wanderung nach Osten – die deutsche Ostsiedlungsbewegung; bis der kontinentale Oststrom in den 1830er Jahren hinter der überseeischen Massenauswanderung zurücktrat. Ausführlicher nachzulesen bei Bade, Klaus J. (Hrsg.): Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart. München 1992. S. 29-123; Bade, Klaus J. (Hrsg.): Migration in der europäischen Geschichte seit dem späten Mittelalter. Osnabrück 2002; Bade, Klaus J. (Hrsg.): Menschen über Grenzen – Grenzen über Menschen. Herne 1995.

4 Bade, Klaus J: Homo Migrans Wanderungen aus und nach Deutschland. Erfahrungen und Fragen. Essen 1994. S. 15.

5 Obermann, Karl: Die deutsche Auswanderung nach den Vereinigten Staaten von Amerika im 19. Jahrhundert, ihre Ursachen und Auswirkungen (1830 bis 1870). In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1975 II. Berlin 1975. S. 33-55; hier: S. 35.

6 http://www.geo.wiso.tumuenchen.de/lehre_und_studium/lehrveranstaltungen/begleitmaterial/hs_migra_bev/Anton.pdf

7 Bade: Homo Migrans (wie Anm. 4), S. 15.

8 Unter Auswanderung ist im Folgenden der Kürze wegen immer die deutsche überseeische Auswanderung in die Vereinigten Staaten verstanden, soweit der Zusammenhang nicht ein anderes ergibt.

9 http://www.polwiss.fu-berlin.de/more/coe/lehre/SoSe2005/15400_K-HS/AG_2_III.pdf

10 Zusammenfassung in: Adams, Willi Paul (Hrsg.): Die deutschsprachige Auswanderung in die Vereinigten Staaten. Berichte über Forschungsstand und Quellenbestände. Berlin 1980. S. 31 (Zitate von Wessendorf und Scherer).

11 Waibel, Barbara: Auswanderung vom Heuberg 1750-1900. Untersuchungen zur Wanderungsstruktur und Wanderungsmotivation. (Hrsg.) Geschichtsverein für den Landkreis Tuttlingen. Tuttlingen 1992. S. 9.

12 Moltmann, Günter (Hrsg.): Deutsche Amerikaauswanderung im 19. Jahrhundert. Sozialgeschichtliche Beträge. Stuttgart 1976. S. 1.

13 Moltmann: Amerikaauswanderung (wie Anm. 12), S. 1.

14 Hansen, Marcus Lee: The Atlantic Migration, 1607-1860. The Immigrant in American History. Cambridge 1941.

15 Der amerikanische Historiker Frank Thistlethwaite wurde am 24. Juli 1915 in Burnley, Lancashire geboren. Er lehrte unter anderem and der Fakultät für Ökonomie und Politik in Campridge. Thistlethwaite starb am 17. Februar 2003 in Cambridge.

16 Moltmann: Amerikaauswanderung (wie Anm. 12), S. 4.

17 Zitiert nach: Haskett, Richard, C.: Problems and Prospects in the History of American Immigration. In: Schmidt, W. F.; Lavell, C. B. und Haskett, Richard C. (Hrsg.): A Report on World Population Migrations as Reated to the United Staates of America, Washington, D. C. 1956, S. 48.

18 Auch in den Ortsbüchern (Bestand GLA 434) wurde jeweils nur das Familienoberhaupt als Auswanderer gezählt und diesem die weiteren Familienangehörigen untergeordnet.

19 Die Einzelfallakten belegen dies durch zahlreiche Anträge auf nachträgliche Entlassung aus dem Staatsverband.

20 Der Schwerpunkt der Quellenarbeit im GLA lag auf der Durchsicht der Bestände 357; 233; 236; 434.

21 GA 2972, GA 5096, GA 4723.

22 Die Quellenlage im Stadtarchiv Karlsruhe ist deshalb rar, da sich die offizielle Auswanderung auf einer höheren Verwaltungsebene, wie der Bezirksämter abgespielt hat und diese Akten im GLA archiviert werden. Die Auswanderungsakten des Staatsarchivs Freiburg weißen durch die allgemeinen Verluste während des Zweiten Weltkriegs große Lücken auf.

23 Thistlethwaite, Frank: Europäische Überseewanderung im 19. und 20. Jahrhundert. In: Köllmann, Wolfgang; Marschalck, Peter: Bevölkerungsgeschichte. Köln 1972. S. 323-355; hier S. 329.

24 Mönckmeier, Walter: Wandlungen und Entwicklungstendenzen in der deutschen Auswanderung. In: Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik. Jena 1913. S. 335-347; hier S. 335.

25 In den Ortsbüchern werden die größten Rückwanderungsströme innerhalb der Reichsgrenzen und aus Ungarn verzeichnet. Ausführlicher mit dem Thema Rückwanderung haben sich befasst: Vagts, Alfred: Deutsch-Amerikanische Rückwanderung. Heidelberg 1960; Moltmann, Günter: American-German Return Migration in the Nineteeth and Early Twentieth Centuries. In: Central European History. Volume XIII. Atlanta 1980. S. 378-392; Kamphoefer, Walter: Umfang und Zusammensetzung der deutsch-amerikanischen Rückwanderung. In: Kruse, Horst; Lösch, Peter u. a. (Hrsg.) Amerikastudien. Jahrgang 33. München 1988. S. 291-307.

26 Viele Auswanderer hinterließen in der Neuen Welt durch besonderes Engagement historische Spuren: Carl Schurz und Friedrich Kapp stiegen zu den wohl bekanntesten Politikern in Amerika auf. Schurz wurde von 1869-75 zum Senator von Missouri und 1877-81 Innenminister der Vereinigten Staaten von Amerika. Friedrich Kapp war einer der wenigen Revolutionsflüchtlinge die wieder in ihre alte Heimat zurückkehrten, um dort politisch aktiv zu werden. Nachdem er im Exil in Brüssel, Paris und Genf gelebt hatte, wanderte er 1850 nach Amerika aus. 1870 kehrte Kapp, trotz seiner Karriere als Rechtsanwalt und „Comissioner of Immigration“ in New York, nach Deutschland zurück. Hier gehörte er von 1872-77 und 1881-84 zuerst als nationalliberaler und später als linksliberaler Abgeordneter dem Reichstag an.

27 Vgl. Moltmann, Günter: Nordamerikanische „Frontier” und deutsche Auswanderung – soziale „Sicherheitsventile“ im 19. Jahrhundert? In: Stegmann, Dirk; Wendt, Bernd-Jürgen; Witt, Peter-Christian (Hrsg.): Industrielle Gesellschaft und politische Systeme. Beiträge zur politischen Sozialgeschichte. Band 137. Bonn 1978. S. 279-296; hier: S. 294.

28 Marschalck, Peter: Deutsche Überseewanderung im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur soziologischen Theorie der Bevölkerung. In: Conze, Werner (Hrsg.): Industrielle Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte. Band 14. Stuttgart 1973. S. 85-95.

29 Joseephy, Fritz: Die deutsche überseeische Auswanderung seit 1871 unter besonderer Berücksichtigung der Auswanderung nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Berlin 1912. S. 109-132.

30 Heyder, Franz: Beitraege zur Frage der Auswanderung und Kolonisation. Heidelberg 1894; zugleich Phil. Dissertation Heidelberg um 1894. S. 9-21.

31 In den Einzelfallakten und Auswanderungsverzeichnissen sind allenfalls folgende Angaben – nicht immer vollständig – enthalten: Datum der Auswanderungsgenehmigung; Beruf des Einzelauswanderers oder Familienoberhauptes zumeist ohne genauere Angaben zur Qualifikation (Geselle, Meister); Heimatgemeinde; Alter, weitgehend ohne genaue Aussage zum exakten Geburtsdatum; Familienstand der Einzelauswanderer oder Familienoberhäupter; ausgeführtes Vermögen; erhaltene Unterstützung; exaktes Auswanderungsziel in Nordamerika; Auswanderungsursachen; Religionszugehörigkeit.

32 www.auswanderer-bw.de

33 Die Bestände GLA 434/1939 und Oberrheinische Forschungsstelle waren nicht für die Öffentlichkeit zugänglich und mussten daher ohne Prüfung von der Auswandererdatenbank des GLA in die neue Datentabelle übernommen werden.

34 www.castlegarden.org

35 Die Zielorte wurden duch einen vierstelligen Code angegeben. Trotz mehrfacher Nachfrage bei den Herausgebern der Datenbank von Castle Garden konnte bislang keine Zuordnung der Codes zu den jeweiligen amerikanischen Städten erfolgen.

36 Die meisten Abweichungen treten bei den Alters- und Berufsangaben auf. Einige unterschiedliche Berufsangaben lassen sich wiederum durch die Sprachbarrieren erklären: Mechaniker=Merchant; nebenberufliche Landwirte wurden als Farmer aufgeführt etc.

37 Moltmann, Günter: Die deutsche Auswanderung in überseeische Gebiete: Forschungsstand und Forschungsprobleme. S. 58-66. In: Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen. 32. Jahrgang. Februar 1979. Heft 1. Siegburg 1979. S. 57.

38 Ebd.

39 Zitiert nach Le Goff. In: Bade: Europa in Bewegung (wie Anm. 2), S. 6.

40 Bade, Klaus J.: Sozialhistorische Migrationsforschung. Göttingen Mai 2004. S. 44.

41 Wätjen, Hermann: Aus der Frühzeit des Nordatlantikverkehrs. Leipzig 1932.

42 Gelberg, Birgit: Auswanderung nach Übersee. Soziale Probleme der Auswandererbeförderung in Hamburg und Bremen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. Hamburg 1973.

43 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 58.

44 Zitiert nach: Rudolph J. Vecoli. In: Ebd., S. 59.

45 Marschalck: Überseewanderung (wie Anm. 28).

46 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 59; Walker, Mack: Germany and the Emigration 1816-1885. Cambridge, Massachusetts 1964. (Harvard Historical Monographs. 54.).

47 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 59. Hinzu kommt 1977 ein Symposium zur Geschichte der Amerikaauswanderung in Stuttgart, durchgeführt von der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien. 1978 startete ein von der Volkswagen-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt der überseegeschichtlichen Abteilung der Universität Hamburg unter dem Rahmenthema „Deutschamerikanische Wanderungsbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts im Kontext der Sozialgeschichte beider Länder.“ Ergebnisse wurden unter anderem vorgelegt von Moltmann, Günter (Hrsg.): Deutsche Amerikaauswanderung im 19. Jahrhundert: Sozialgeschichtliche Beiträge. Stuttgart 1976. (Amerikastudien/American Studies. Eine Schriftenreihe. 44.); Ders. (Hrsg.): Aufbruch nach Amerika, Friedrich List und die Auswanderung aus Baden und Württemberg 1816/17. Dokumentation einer sozialen Bewegung. Stuttgart 1979.

48 Bade: Sozialhistorische Migrationsforschung (wie Anm. 40), S. 45; ausführlicher dazu: Bade, Klaus J.: Mirgration und Migrationsforschung: Vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik. In: Westfälische Forschungen. Bd. 39. Münster 1989, S. 393-407.

49 Bade: Sozialhistorische Migrationsforschung (wie Anm. 40), S. 45.

50 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 61; Hansen, Marcus Lee: The History of American Immigration as a Field Research. In: American Historical Review 32, 1926/27, S. 500-518. Posthum erst erschienen: The Atlantic Migration 1607-1860: A History of the Continuing Settlement of the United States, Hrsg. von Arthur M. Schlesinger. Cambridge, Mass. 1940; The Immigrant in American History, ebd. 1941, deutsch: Der Einwanderer in der Geschichte Amerikas. Stuttgart 1948.

51 Wittke, Carl: Refugees of Revolution. The German Forty-Eighters in America. Philadelphia 1952; Wittke, Carl: The German Language Press in America. Lexington 1957.

52 Walker: Germany and the Emigration (wie Anm. 46).

53 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 62.; zitiert nach: Thistlethwaite, Migration from Europe Overseas, S. 43.

54 Thistlethwaite, Frank: Migration from Europe Overseas in the Nineteenth and Twentieth Centuries. In: XIe Congrès International des Sciences Historiques, Rapport V: Histoire contemporaine. Stockholm 1960, S. 32-60; hier: S. 46.

55 Ausführlicher siehe bei Joseephy: Überseeische Auswanderung (wie Anm. 29), S. 34-56.

56 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 63.

57 Bretting, Agnes; Bickelmann, Hartmut: Auswanderungsagenturen und Auswanderungsvereine im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 1991.

58 Bretting, Agnes: Soziale Probleme deutscher Einwanderer in New York City, 1800-1860. Stuttgart 1981.

59 Adams: Die deutschsprachige Auswanderung (wie Anm. 11), S. 11 f.

60 Kuhn, Gertrud: USA – Deutschland – Baden und Württemberg. Eine Auswahl von Titeln zur Auswanderung und zur Geschichte der Deutschen-Amerikaner vor allem aus Baden und Württemberg, von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Institut für Auslandsbeziehungen. Reihe und Dokumentation. Stuttgart 1976.

61 Moltmann: Die deutsche Auswanderung (wie Anm. 37), S. 66.

62 www.auswanderer-bw.de

63 Dies traf für die im Rahmen dieser Arbeit benötigten Akten nicht zu.

64 Ehmer, Hermann: Die Quellen zur Nordamerika-Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert im Generallandesarchiv Karlsruhe und im Staatsarchiv Freiburg. In: Adams, Willi Paul (Hrsg.): Die deutschsprachige Auswanderung in die Vereinigten Staaten. Berichte über den Forschungsstand und Quellenbestände. John-F. Kennedy-Institut für Nordamerika-Studien. FU Berlin, Berlin 1980. (John-F. Kennedy-Institut für Nordamerika-Studien Materialien, 14). S. 148-158; hier: S. 154.

65 Ehmer: Die Quellen zur Nordamerika-Auswanderung (wie Anm. 64), S. 155.

66 Maenner, E.: Sippenkundliche Arbeit auf dem Gebiet des Auslanddeutschtums in Baden. In: Jahrbuch für auslanddeutsche Sippenkunde (Stuttgart). 2. 1937. S. 147-148; hier: S. 148.

67 Sauer, Paul: Das Quellenangebot der territorialen Staatsarchive, insbesondere Südwestdeutschlands, zur Auswanderungsforschung. S. 67-74. In: Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen. 32. Jahrgang. Februar 1979. Heft. 1. Siegburg. S. 49.

68 Vgl. Sauer: Das Quellenangebot der territorialen Staatsarchive (wie Anm. 67), S. 71.

69 Ebd., S. 68 f.

70 Ebd., S. 70.

71 Nicht zugänglich sind der Bestand Oberrheinische Forschungsstelle und GLA 434/1939.

72 Sauer: Das Quellenangebot der territorialen Staatsarchive (wie Anm. 67), S. 71.

73 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika. Deutsche Auswanderer schreiben aus der Neuen Welt 1830-1930. München 1988. S. 39.

74 Hieraus lässt sich noch einmal deutlich die hohe Rate der illegal Ausgewanderten erkennen, die erst nachdem sie sich in den Vereinigten Staaten eine neue, sicher Existenz aufgebaut hatten, eine nachträgliche Entlassung aus dem Großherzogtum beantragten.

75 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73), S. 132.

76 Die Schiffslisten von Bremen sind erst seit 1907 erhalten.

77 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73), S. 42. Vgl. auch: Mönckmeier, Walter: Wandlungen und Entwicklungstendenzen (wie Anm. 24), S. 335 ff.

78 Die Aus- und Einreise war für die Auswanderer eine gute Gelegenheit sich eine neue Identität zuzulegen, da die Angaben nicht überprüft und ein Reisepass nicht zwingend notwendig war. Manche Migranten gaben sich bei der Aus-oder Einreise selbst amerikanische Namen.

79 Einige Auswandererhäfen wie Bremerhaven stellen die deutschen Auswandererlisten online. Wer allerdings mehr als nur Name, Alter und Auswanderungsjahr wissen möchte, erhält nur gegen eine Zahlung von 15 Euro pro Datensatz weitere Auskünfte. http://www.dad-recherche.de/hmb/index.html.

80 Die originalen Schiffslisten sind in der Library of Congress in Washington archiviert.

81 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73), S. 43.

82 Ferenczi, Imre: An Historical Study of Migration Statistics. In: International Labour Review, Bd. 20, 1929; Willcox, W. F. (Hrsg.): International Migrations. New York 1931.

83 www.castlegarden.org und http://www.ellisisland.org

84 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73), S. 44.

85 Helbich, Wolfgang; Kamphoefner, Walter D.; Sommer, Ulrike (Hrsg.): Briefe aus Amerika (wie Anm. 73), S. 45.

86 Ebd.

87 Ebd.

88 Über den Verbleib der badischen Zeitung konnte leider sowohl innerhalb der deutschen Bibliotheken als auch über eine internationale Fernleihenanfrage nichts in Erfahrung gebracht werden: „Die badische Landes-Zeitung. Den Interessen aller Badenser in den Vereinigten Staaten gewidmet. Eigentümer und Herausgeber M. Schneider u. Co; von 1908 ab R. Siller u. Co. New York * 1890-1905 und 1906-1918.“

89 GLA 236/8604; Liste anglisierter Namen: o=a, v=b, c=g, a=e, k=ch, i=ei, gh=ch, oo=o.

Wie war die Auswanderung nach Amerika?

Gut fünf Millionen Menschen verließen Europa zwischen 1850 und 1934 über den Hamburger Hafen. Die Auswanderer reisten unter oft schweren Bedingungen aus ganz Europa nach Hamburg. Ihr Ziel war Amerika – die "Neue Welt".

Warum wanderten Deutsche nach Amerika?

Hauptgrund für die meisten Auswanderer ist und war aber die wirtschaftliche Situation. Im 19. Jahrhundert bewirkten Hungersnöte in den Städten und die Landknappheit – durch ein Erbrecht, das das Land in immer kleinere Parzellen aufteilte –, dass vielen ein Überleben in Deutschland kaum möglich war.

Woher kommen die Einwanderer in USA?

An der europäischen Besiedelung des nordamerikanischen Festlandes waren Deutsche von Anfang an beteiligt, und bis ins 20. Jahrhundert hinein bildeten sie – noch vor den Briten, Iren, Italienern und Juden – sogar die stärkste Einwanderergruppe.

Warum wollten die Europäer nach Amerika?

Die Kolonisten in Nordamerika brauchten Arbeitskräfte. Ackerland war billig und reichlich vorhanden, aber Arbeitskräfte waren rar und teuer. Deshalb wurde armen Europäern, die auswandern wollten, aber kein Geld hatten, die Überfahrt nach Amerika bezahlt.