Fussballspieler der unterschied viertel millionen

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Foto: Simon Prades / DER SPIEGEL

Das Leben des Weltmeisters folgt einem strengen Regime. Freie Arztwahl? Verboten. Bei öffentlichen Auftritten eigene Klamotten tragen? Verboten. Pressekontakte? Nur nach Absprache mit der Klubleitung.

29 Seiten umfasst der "Premier League Contract" von Bastian Schweinsteiger, den er am 13. Juli 2015 bei seinem Arbeitgeber, der Manchester United Football Club Limited, unterschrieb. Der Mittelfeldspieler, der die deutsche Nationalmannschaft ein Jahr zuvor zum WM-Titel geführt hatte, war einiges gewohnt - auch bei Bayern München gibt es eindeutige Verhaltensregeln. Doch Englands Premier League ist noch mal etwas anderes.

29 Seiten, Dutzende Paragrafen - aus den juristischen Formulierungen sprechen Paranoia, Kontrollwahn und Regelungseifer. Als "Pflichten des Spielers" werden auch Selbstverständlichkeiten benannt - etwa dass er "an Spielen teilnimmt, zu denen er aufgestellt worden ist" (Paragraf 3.1.1.2), oder dass im Training Schmuck abzulegen sei, der "gefährlich für ihn oder eine andere Person sein könnte" (3.2.2). Vor allem aber steht das Vertragswerk für ein Rollenverständnis: hier die Marke Manchester United, die strahlen soll; dort der Fußballer, der zu funktionieren hat.

Würde Schweinsteiger seine Pflichten verletzen, verriete er den Medien zum Beispiel offen seine Meinung über den Trainer, wären die Konsequenzen glasklar - nachzulesen im ausführlichen Sonderteil ("Disciplinary Procedure and Penalties") seines Vertrags: Dort sind mündliche und schriftliche Verwarnungen aufgelistet, Geldstrafen ("beim ersten Vergehen maximal das Grundgehalt von zwei Wochen"), Suspendierungen, bis hin zur Kündigung. Immerhin hätte Schweinsteiger das Recht, auch das ist geregelt, innerhalb von 14 Tagen den Vorstand anzurufen, ihm seinen Fall zu schildern und die Disziplinarstrafe überprüfen zu lassen. Und natürlich sind die Summen festgelegt, die er verdient: Sie sind abenteuerlich.

Schweinsteigers Vertrag: Die Details

Foto: Carl Recine/ REUTERS

Für sein erstes Jahr in Manchester erhielt Bastian Schweinsteiger, so steht es in seinem Kontrakt, ein Grundgehalt von 7 Millionen und 548.357 Pfund, damals 10,5 Millionen Euro. Und er hätte dafür nicht ein einziges Spiel absolvieren müssen. Wundert es da, dass sich Premier-League-Profis Interviews verkneifen - oder allenfalls Nullsätze nachplappern? Dass sie alles hinnehmen, selbst wenn sie, wie Schweinsteiger im August, vom Trainer in die zweite Mannschaft abgeschoben werden?

Die Verträge von Spielern zu lesen - die Gehaltssummen, die Boni, die Klauseln, die geheimen Absprachen - kann unterschiedliche Reaktionen auslösen: Erstaunen, Empörung, Wut, Neid. In jedem Fall hilft die Lektüre beim Verstehen, was auf den großen Fußballbühnen dieser Welt, aber auch im Abstiegskampf in Bremen oder Hamburg wirklich geschieht, in den Köpfen von Profis und deren Beratern, im Kalkül von Trainern und Klubmanagern.

Durch viele Hundert Verträge haben sich die Rechercheure des Netzwerks EIC gekämpft, und wer sich nicht nur für die großen Gehälter, sondern auch für das Kleingedruckte interessiert, bekommt einen Eindruck, wie sich Profis ihre persönliche Freiheit durch teils obszön hohe Honorare abkaufen lassen, wie sie zu Leibeigenen auf Zeit werden, zum Werkzeug von Agenten und Vermarktern.

Darum geht es bei Football Leaks

Die Enthüllungsplattform Football Leaks sammelt vertrauliche Daten und E-Mails zu den Geldflüssen im Fußball. So deckt sie illegale Zahlungen an Spielerberater und Investoren ebenso auf wie die Versuche, Millionen an der Steuer vorbeizuschmuggeln dank Offshore-Geschäften. Football Leaks schweigt zu seinen Quellen, hat die Dokumente allerdings dem SPIEGEL und anderen Medien im Verbund der European Investigative Collaboration zur Verfügung gestellt. Mit einem Umfang von 1,9 Terabyte handelt es sich um den bisher größten Datensatz im Sport.

Kein Kontrakt ist wie der andere, die Unterschiede sind groß, zwischen Weltklasse- und Durchschnittsspielern, zwischen Jüngeren, denen eine große Zukunft prophezeit wird, und Älteren, bei denen nicht sicher ist, wie lange sie den Ansprüchen noch genügen. Die Verträge differieren, je nach Liga und Land, nach dem Renommee des Klubs und dem Leumund des Spielers.

Manchem Schriftwerk ist anzusehen, wie verbissen sich die Parteien im Kleinklein verhakt haben, auf der Pirsch nach dem letzten Euro, dem Vorteil beim Wiederverkauf oder dem Versuch, das Risiko eines Kreuzbandrisses abzuwälzen. Es ist ein Geschacher in drei Akten.

1. Das Gehalt: Darwinistische Anreize

Wenn ein Klub und ein Spieler, vertreten durch seinen Berater, einen Vertrag aushandeln, ist die Ausgangslage relativ banal. Der Klub möchte viel Geld nur ausgeben, wenn der Spieler auch spielt und die Mannschaft oft gewinnt. Der Spieler will seine Risiken gering halten: Verletzungspech, Formkrise, ein Trainer, der plötzlich den Konkurrenten im eigenen Team besser findet.

Der Spieler wird also ein hohes Fixum fordern, er will finanziell nicht vom Verlauf der Saison abhängig sein. Der besonnene Vereinsmanager bietet niedrige Grundgehälter und hohe Prämien. Ist die Mannschaft erfolgreich, spielt sie diese Prämien locker herein, über Zuschauer-, Fernseh- und Sponsoreneinnahmen.

Nun gibt es Profis mit einem Sonderstatus, Profis der Kategorie Kroos, Ibrahimovi oder Lewandowski. Sie sind die Zugnummern des Business, sie müssen sich nicht darauf einlassen, nach Einsätzen bezahlt zu werden. Ihre märchenhaften Gagen erhöhen sie durch Erfolgsprämien zwar um die eine oder andere Million, aber was macht das schon bei hohen sieben- bis achtstelligen Grundgehältern.

In der Bundesliga genießt Bayer Leverkusens Stürmer Javier Hernández, genannt Chicharito, einen Sonderstatus. Ohne ein hohes Fixum hätte man den Mexikaner kaum von Manchester United an den Rhein gelockt. Chicharito, 28, bezieht laut Vertrag vom 31. August 2015 monatlich 350.000 Euro; außerdem erhält er pro Saison eine "Sonderzahlung" von 1,8 Millionen Euro. Macht zusammen 6 Millionen Euro garantiert.

Hinzu kommen ein paar Zulagen, sofern er regelmäßig spielt: 12.000 Euro für jeden Sieg in einem Bundesligaspiel, 4000 Euro für ein Remis. Wenn der Torjäger in der Champions League spielt und gewinnt, werden ihm 30.000 Euro gutgeschrieben.

Chicharitos Vertrag: Die Details

Foto: AP AP

Wie wichtig für einen Klub heutzutage die Teilnahme an der Champions League ist, verraten Chicharitos vereinbarte Prämien: je 100.000 Euro für die Bundesligameisterschaft und für den Champions-League-Sieg, aber 150.000 Euro für die Qualifikation zur europäischen Eliteklasse. Siegen ist schön, dabei sein ist alles.

Die Unterschiede zwischen internationalem Star und nationaler Spitzenkraft verdeutlicht ein Blick in den Arbeitsvertrag von Stefan Kießling - er ist ebenfalls Stürmer bei Bayer Leverkusen, Kollege und Konkurrent von Chicharito.

Kießling, 32 und schon im elften Jahr in Leverkusen, muss sich gemäß dem 2013 modifizierten Kontrakt mit einem Monatsgehalt von 140.000 Euro begnügen. Dafür sind seine Einsatzprämien enorm: Steht er mindestens 45 Minuten auf dem Rasen, kassiert er bei einem Sieg 50.000 Euro, bei einem Remis 25.000 Euro, und selbst bei einer Niederlage werden noch 12.500 Euro vergütet. Wenn Kießling 20 Pflichtspiele bestritten hat, erhält er eine Sonderzahlung in Höhe von 120.000 Euro. Ob sein Trainer ihn also auf den Rasen oder die Ersatzbank schickt, macht für die Haushaltskasse der Kießlings eine Menge aus.

Kießlings Vertrag: Die Details

Foto: Bongarts/Getty Images

Der Weg von Bremen nach Wolfsburg ist nicht weit, 190 Kilometer, mit dem Auto kaum mehr als zwei Stunden. Was die Verdienstmöglichkeiten angeht, liegen die beiden Bundesligastädte jedoch weit auseinander. Wenn sich mancher Fan fragt, was einen bei Werder Bremen glücklichen Profi wie den Brasilianer Naldo vor ein paar Jahren nach Wolfsburg und im Sommer weiter zu Schalke 04 gezogen hat, so reicht ein Blick ins Gehaltsgefüge dieser drei Klubs.

Ein Vergleich von drei Leistungsträgern aus Bremen, Wolfsburg und Schalke - alle aus dem europäischen Ausland, alle aktuelle Nationalspieler - illustriert die Ungleichheit in der Bezahlung.

Der SV Werder lockte Zlatko Junuzovic mit folgenden Konditionen an die Weser: 65.000 Euro Grundgehalt pro Monat, dazu 21.000 Euro für einen Sieg und 7000 Euro für ein Unentschieden. Für 20 Pflichtspiele gibt es 120.000 Euro extra - vorausgesetzt, die Mannschaft schafft den Klassenerhalt.

Beim VfL Wolfsburg wird man über das Bremer Lohnniveau milde lächeln. Hier heuerte Ricardo Rodríguez 2012 für 110.000 Euro monatlich an. Pro Punkt stehen ihm laut Vertrag 15.000 Euro Einsatzprämie zu, also 45.000 Euro für einen Sieg. Bereits nach dem 15. Pflichtspiel wird eine Prämie von 200.000 Euro fällig, und nach dem 30. Pflichtspiel weitere 200.000 Euro. Selbst wenn der Schweizer erst zehn Minuten vor Schluss eingewechselt wird, gilt das Spiel als "halber Einsatz".

Das ist - dem VW-Konzern sei Dank - viel Geld, aber nahezu prekär im Vergleich zu jenem Vertrag, den Matija Nastasic 2015 bei Schalke 04 unterschrieben hat: 250.000 Euro Monatsfixum, 30.000 Euro Einsatzprämie pro Punkt. Qualifiziert sich die Mannschaft für die Champions League, erhöht sich sein Monatslohn auf 300.000 Euro, gewinnt sie den DFB-Pokal, gibt es 200.000 Euro extra.

Noch verlockender als der Ruf aus dem Ruhrgebiet ist jener aus England. Gestopft mit den Milliarden der Pay-TV-Sender Sky und BT sind die Premier-League-Klubs inzwischen das begehrteste, weil lohnendste Ziel hiesiger Profis. Allein Jürgen Klopp hat als Trainer des FC Liverpool sechs ehemalige Bundesligaspieler um sich geschart.

Aus Hoffenheim holte Liverpool den Brasilianer Roberto Firmino an die Anfield Road. Mit guten Argumenten: 68.085 Pfund "Basic Wage" pro Woche - viele englische Klubs berechnen die Gage wöchentlich. Aufs Jahr gesehen verdient der Stürmer gut vier Millionen Euro. Und wenn er fleißig ist, gibt es neben Erfolgsprämien (10.000 Pfund pro Sieg) auch üppige Boni: 300.000 Pfund für mehr als 30 Einsätze in einer Saison sowie einen Zuschlag von 10.000 Pfund pro Woche ab 35 Spielen.

Firminos Vertrag: Die Details

Foto: Phil Noble/ REUTERS

Im Bemühen gleichsam attraktiv, gerecht und wirtschaftlich vernünftig zu handeln, haben etliche Bundesligaklubs in den vergangenen Jahren die Gehälter mit vielen Finessen ausgestaltet, und immer mit der Botschaft: Leistung lohnt sich. So plant ein kluger Vertrag mit einem Nachwuchsspieler dessen Karriereaufstieg schon ein. Denn Vereinsmanager fürchten es, wenn ein 19-Jähriger nach drei guten Monaten schon um die erste Lohnrunde bittet - weil der Spieler begriffen hat, dass seine Kollegen ein Vielfaches kassieren; oder weil ihn erste Abwerbeversuche erreichen.

Wie fein so ein erster Kontrakt austariert sein kann, zeigt das Beispiel eines deutschen Talents, noch jung an Jahren, aber schon Nationalspieler bei Joachim Löw. Bayer Leverkusen garantierte ihm bei der Unterzeichnung ein monatliches Grundgehalt von 70.000 Euro für die ersten beiden Spielzeiten und 100.000 Euro ab der dritten Saison. Ab 25 Saisoneinsätzen erhöhte sich sein monatliches Fixum um 1000 Euro pro Spiel. Fürs Länderspieldebüt gab es 10.000 Euro pro Monat obendrauf und für 30 Pflichtspiele in einer Saison 240.000 Euro Bonus. Ein darwinistisches Anreizsystem.

Foto: DER SPIEGEL

Das Talent war offenbar so begehrt, dass Bayer ein "Signing Fee" für die Unterschrift unter diesen ersten Vertrag zahlte: 200.000 Euro. Dieser Obolus ohne echte Gegenleistung ist bei Vereinen unbeliebt, Spielerberater hingegen gieren danach.

Auf den ersten Blick scheint es egal, ob ein Profi 120.000 Euro Signing Fee erhält oder 10.000 Euro mehr Grundgehalt. Doch diese Betrachtung ändert sich, wenn sich der Spieler schwer verletzt. Die Zahlung des Gehalts setzt, wie bei normalen deutschen Arbeitnehmern, am 43. Tag aus - der Verein spart. Hat er ein Signing Fee gezahlt, ist das Geld perdu.

Nicht so freilich bei Bastian Schweinsteiger in Manchester. In Paragraf 7.2.1 seines Vertrags steht: Im Fall einer Sportverletzung werde "sein Grundgehalt für die ersten 18 Monate" weitergezahlt. England ist eben noch mal etwas anderes.

2. Die Nebenabreden: Musik im Annex

Die Deutsche Fußball Liga (DFL), die Dachorganisation der Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga, bietet ihren Mitgliedern eine Art Mustervertrag für Lizenzspieler an. Es gibt keine Pflicht, ihn zu benutzen. Aber die meisten Profiverträge, das hat die Sichtung der Football-Leaks-Dokumente ergeben, lehnen sich eng an den DFL-Entwurf an.

Es gibt ein paar fundamentale Themen, die sind nicht verhandelbar. Dass der Spieler keine Anteile an anderen Klubs der Ersten oder Zweiten Liga (außer bei seinem aktuellen) erwerben und halten darf; dass er keine Wetten auf eigene Spiele abschließen darf; dass er keine Siegprämien von vereinsfremden Personen annehmen darf. Und dass Doping verboten ist.

In den meisten Verträgen wird darauf hingewiesen, dass das Urlaubsgeld mit dem Gehalt abgegolten sei. Pro Jahr stehen jedem Profi 24 Urlaubstage zu, sie sind "in der pflichtspielfreien Zeit zu nehmen und zum Zwecke der Erholung zu nutzen".

Solche juristischen Klarstellungen klingen dröge, und sie sind es auch. Denn "die Musik", wie es ein Bundesligamanager nennt, steckt nicht in den Standardverträgen. Die Musik spielt in den individuellen Anhängen. Hier geht es bunt und laut und kühn zu - etwa wenn Schalke 04 einem Profi 500.000 Euro für den Gewinn der Champions League verspricht. Hier wetten die Spieler auf die eine, große Traumsaison, hier verwirklichen sich Berater, hier verlassen Klubbosse schon mal den Pfad der Vernunft.

Beispiel Chicharito, der Torjäger aus Mexiko, der in Manchester und Madrid spielte und nun in Leverkusen kickt. So einen muss man schon bezirzen, damit er in die Chemiestadt kommt.

Der Stürmer wollte eine Torprämie. Bundesligamanager betrachten das eher als Folklore, in England hingegen ist sie gängiger Bestandteil der Entlohnung. Also bekam Chicharito seine Sonderlocke: "Nach jedem 5. Pflichtspieltor in einer Spielzeit erhält der Spieler eine Sonderzahlung in Höhe von EUR 100.000 (brutto)."

In seiner ersten Saison für Bayer erzielte Chicharito in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League 26 Tore. Und bekam dafür 500.000 Euro.

Chicharitos Torprämie mutet ein wenig grobschlächtig an, vergleicht man sie mit den Usancen beim FC Liverpool. Denn hier wird differenziert: Roberto Firmino etwa schießt seine ersten fünf Tore zum Freundschaftspreis, für 25.000 Pfund (siehe Ausriss). Bei den Treffern 6 bis 10 erhöht sich seine Torprämie auf 45.000 Pfund, bei den Treffern 11 bis 15 auf 65.000 Pfund, und ab dem 16. Tor kassiert der Brasilianer 85.000 Pfund. Wohlgemerkt für jeden Schuss, der im Netz landet.

Verwandelte Elfmeter, das hat sich sein Berater abringen lassen, werden nicht mitgezählt. Dafür ist aber auch jedes Abspiel von Firmino zum Kollegen, der daraus ein Tor erzielt, gutes Geld wert: 25.000 Pfund "Assist Bonus" für die ersten fünf Vorlagen, 65.000 Pfund ab der elften Vorlage.

Die Gehaltsbuchhaltung des FC Liverpool hat gut zu tun angesichts der vielen Boni und Incentives, die jeden Monat ausgerechnet und ausgeschüttet werden. So bekommt Firminos deutscher Kollege Emre Can 20.000 britische Pfund für jedes Tor und jede Torvorlage. Honoriert wird auch ein Spiel ohne Gegentreffer, "Clean Sheet Bonus" heißt diese 10.000-Pfund-Prämie bei den "Reds".

Sogar Treue ist ein Wert, den sich der Klub etwas kosten lässt: Zwar besteht zwischen Can und Liverpool ein bis 2018 gültiger Vertrag; dennoch erhielt der Deutsche im Sommer 2015 und im Sommer 2016 jeweils einen "Loyalty Bonus" in Höhe von zwei Millionen Pfund. Auch sein Startelfdebüt in einem Pflichtspiel der Nationalmannschaft wurde Can mit einer Zulage von einer viertel Million Pfund versüßt. Bei jedem weiteren Qualifikations- oder Turnierspiel im DFB-Dress erhält er 10.000 Pfund.

Manche Vertragspassagen regeln freilich nicht nur dienstliche Pflichten und finanzielle Leistungen, zuweilen greifen sie auch ziemlich ungeniert ins Privatleben der Sportler ein. Das Thema Wohnen ist so eine Sache.

Fußballprofis sind moderne Nomaden, und manche Familie ist nach mehreren Vereinswechseln des Umziehens müde. Doch längere Anreisen zum Training mögen die Klubs nicht, und so schreiben einige Bundesligisten ihren Profis vor, ortsnah zu wohnen. Zu Paragraf 2, den "Pflichten des Spielers", gehört bei der TSG 1899 Hoffenheim: "Der Spieler wird sich (mit seiner Familie) in Sinsheim oder in der näheren Umgebung niederlassen."

Hoffenheim ist ein Ortsteil von Sinsheim, in Sinsheim gibt es das Stadion, ein Automuseum, Fachwerkhäuser, drei Autobahnauffahrten und sonst - na ja. Der Passus soll verhindern, dass Spieler weit entfernt wohnen, etwa in Frankfurt.

Eine ähnliche Klausel findet sich in Verträgen des VfL Wolfsburg. Denn unter Fußballprofis macht seit Jahren der Spruch die Runde, wonach das Beste an Wolfsburg die direkte ICE-Verbindung nach Berlin sei. Deshalb heißt es in dem Vertrag eines Nationalspielers: "Der Spieler verpflichtet sich, schnellstmöglich eine Wohnung oder ein Haus in der Nähe der Volkswagen Arena (Umkreis max. 35 km) zu beziehen."

Glücklich also, wer ein Angebot direkt aus Berlin, aus München oder aus Hamburg bekommt. Ein paar Beeinträchtigungen sind dennoch nicht zu vermeiden. Die Wahl des Automobils etwa ist nicht frei.

Fast alle Erstligisten haben einen Autohersteller in ihrem Sponsorenpool. Und der möchte natürlich, dass die Helden der Stadt auch mit seinem Produkt zu sehen sind. Also müssen sie "bei dienstlichen Anlässen ausnahmslos und bei privaten Unternehmungen regelmäßig" die zur Verfügung gestellten Fahrzeuge benutzen. Mancher Star empfindet es als harte Einschränkung, den privaten Ferrari allenfalls zu bewegen, wenn keiner hinschaut.

Sehr unterschiedlich sind die Pflichten der Profis, was ihr Werkzeug angeht: den Fußballschuh. Manche Klubs schreiben den Ausrüster vor. Bayern-Spieler tragen zum Beispiel Adidas - es sei denn, sie lassen sich wie Thiago Alcántara oder Arturo Vidal das Tragen von Nike-Schuhen in den Arbeitsvertrag hineinschreiben.

Auch bei Schalke 04 heißt der Partner Adidas - und aus manchen Kontrakten gibt es nur ein Entrinnen: Der Spieler weist nach, "dass er aus medizinischen Gründen nicht mit Schuhen der Marke Adidas spielen kann". Bremen schließt Verträge, in denen der Ausrüster Nike das Recht hat, auf die Konditionen eines Konkurrenten einzusteigen, wenn der einem Spieler einen persönlichen Werbevertrag anbietet.

In den Genuss solcher Zusatzeinkünfte kommen freilich nur die populärsten und besten Profis. Ivan Rakitic zum Beispiel, früher Schalke 04, heute FC Barcelona, hatte Anfang des Jahres einen Siebenjahreskontrakt mit Adidas vorliegen. Rakitic ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen, spielt für die kroatische Nationalmannschaft und, aus Adidas-Sicht, für einen der sechs attraktivsten Klubs der Welt - das macht ihn zu einer Werbefigur.

Der Adidas-Vertrag sichert ihm 550.000 Euro per annum zu; er muss dafür 40-mal im Barça-Dress auflaufen, für zehn PR-Termine von maximal sieben Stunden zur Verfügung stehen sowie fünfmal für das Adidas-Digitalangebot. Wird Rakitic spanischer Meister, gibt es 20.000 Euro Bonus, wenn er die Champions League gewinnt, 30.000 Euro. Für einen WM-Titel mit Kroatien erhielte er 50.000 Euro.

Einen Vereinswechsel sollte sich Rakitic aber gut überlegen. Würde er etwa zu Arsenal nach London gehen, reduzierte sich sein Jahressalär auf 250.000 Euro, der Premier-League-Klub ist für den Ausstatter nur ein "B-Klub". Heuerte er bei Borussia Dortmund an, wäre das Adidas nur noch 150.000 Euro wert. Alles geregelt auf elf Seiten und in übersichtlichen Tabellen.

Es gibt eine Menge abzustauben in diesem Milliardenspiel, auf dem Rasen und außerhalb. Allerdings sind die Erwartungen an das Sozialverhalten der Profis hoch, und deshalb unterscheiden sich nicht nur die Verträge zwischen Superstars und Mitläufern, sondern auch zwischen Profis mit guten Manieren und schlechtem Ruf.

Den aus pädagogischer Sicht wohl verrücktesten Vertrag entwarf der FC Liverpool, als er 2014 den italienischen Stürmer Mario Balotelli verpflichtete, einen Hünen mit dem Image eines schwer erziehbaren Kindskopfs: wegen Prügeleien mit Teamkollegen, Unmengen von Strafzetteln fürs Falschparken und immer wieder Platzverweisen wegen Tätlichkeiten oder Schiedsrichterbeleidigungen. Der Premier-League-Klub wob unter Paragraf 8, der Bezahlung, einen "Good Conduct Bonus" ein. Darin heißt es unter 8.3.9: Wenn der Spieler während einer Saison weniger als dreimal wegen schlechten Benehmens vom Platz gestellt werde, erhält er eine Million Pfund.

Den Bonus nahm Balotelli mit - er erhielt keine einzige Rote Karte. Allerdings war seine Leistung so mäßig, dass er nur 16 Premier-League-Spiele absolvierte und nur ein Tor erzielte. Liverpool schob sein mattes Juwel nach Mailand ab; im vergangenen August wurde es an den OGC Nizza verkauft.

3. Die Ausstiegsklausel: Scheiden macht reich

14 Paragrafen auf zwölf eng beschriebenen Seiten, das ist der Lizenzspielervertrag, den der Fußballprofi Kevin Volland am 26. Juli 2013 bei der TSG Hoffenheim unterschrieb. Der gebürtige Bayer war damals 20 Jahre alt und eines der größten Offensivtalente des Landes. Etliche Klubs hatten sich um Volland bemüht, Hoffenheim war sehr glücklich über den Transfer, bis 2017 hatte der Verein den Stürmer an sich gebunden.

Und doch hat dieser Vertrag etwas Merkwürdiges; der Keim der Trennung steckt in ihm. Denn Paragraf 10c nimmt viel Raum ein, etwa drei Seiten: "Sonderkündigungsrecht" ist das Kapitel überschrieben.

Paragraf 10c, Absatz 1 sagt zusammengefasst: Wenn Hoffenheim aus der Ersten Liga absteigt, darf Volland zu einem anderen Klub wechseln - für 7,5 Millionen Euro Ablöse. Wenn der neue Klub sich mit Volland für die Champions League qualifiziert, wird es etwas teurer (plus 500.000 Euro); auch wenn Volland dort Nationalspieler wird (100.000 Euro); wenn Volland beim künftigen Verein 30 Pflichtspieleinsätze bestritten hat (350.000 Euro). Und wenn der neue Klub - irgendwann - den Stürmer weiterverkauft, erhält Hoffenheim 20 Prozent an dem Transfererlös, der 7,5 Millionen Euro übersteigt.

Im Video: Der Vertrag von Kevin Volland

Aber nicht nur der Klub soll, so steht es auf Seite acht, an einem Wechsel profitieren: Volland erhält dann eine Sonderzahlung von 250.000 Euro und wird mit 25 Prozent an dem Transfererlös beteiligt, der 7,5 Millionen Euro übersteigt.

Kompliziert?

Es kommt noch besser, Paragraf 10c, Absatz 2: Falls der neue Verein Bayern München, Borussia Dortmund, Schalke 04, Bayer Leverkusen oder VfL Wolfsburg heißt, beträgt die Transfersumme 9,9 Millionen Euro. Plus die oben genannten Zuschläge, plus eine Sonderzahlung für Volland in Höhe von 500.000 Euro.

Verstanden?

Gut, dann Paragraf 10c, Absatz 3: "Sollte der Spieler während der Vertragslaufzeit seinen zweiten Pflichtspieleinsatz für die A-Nationalmannschaft absolvieren oder für … eine WM-/EM-Endrunde nominiert werden", so darf er kündigen, wenn ein Klub 15 Millionen Euro Ablöse zahlt. Plus Zuschläge, plus Sonderzahlung.

Noch im Spiel?

Dann wäre da noch Paragraf 10c, Absatz 4: Wird Volland von einem "ausländischen Verein" begehrt, beträgt seine Ablöse ebenfalls 15 Millionen Euro. Plus Zuschläge und Sonderzahlung.

Es scheint verrückt. Mit riesigem Aufwand und großen Scouting-Abteilungen fahnden die Klubs weltweit nach Ballkünstlern, die zur Meisterschaft, zur Champions-League-Teilnahme, zu noch mehr Einnahmen verhelfen sollen. Und wenn die Hochbegabten dann unter Vertrag genommen werden, ist jener Passus der wichtigste, in dem geregelt wird, wie man sich trennt.

Aber es ist nicht verrückt, es ist nur zynisch. Fußballspieler sind keine gewöhnlichen Arbeitnehmer, sie sind das Kapital des Klubs. Und da gibt es nichts zu verschenken.

Profiklubs haben kein Interesse daran, dass ein Vertrag einfach so zu Ende geht. Jeder auslaufende Kontrakt ist ein Kapitalvernichtungspapier.

Seit 21 Jahren ist das so. Damals erstritt ein belgischer Profi namens Jean-Marc Bosman ein Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof. Es hebelte eine jahrzehntelange Praxis aus. Selbst wenn ein Vertrag ausgelaufen war, durfte der abgebende Verein - nach einem bestimmten Berechnungsschlüssel - eine Ablöse fordern.

Das Bosman-Urteil beendete diese Art des Menschenhandels. Anfangs war die Branche geschockt, das System geriet ins Trudeln, doch inzwischen haben sich die Klubs, Spieler und Berater neu sortiert.

Geht ein Vertrag dem Ende seiner Laufzeit entgegen, wird der Klub viel, wenn nicht alles daransetzen, ihn zu verlängern. Selbst wenn beide Parteien den Wechsel wollen: Der Spieler wird erst verlängern - und sich das teuer bezahlen lassen. Durch ein Signing Fee. Oder durch eine Sonderzahlung beim Abschied. Oder durch eine Beteiligung am Transfererlös.

"Verlängerungen", erklärt ein langjähriger Klubmanager, "gehen fast immer einher mit Ausstiegsklauseln." Ein Spielerberater werde stets darauf achten, dass der Verein beim Verkauf keine abschreckenden Fantasiepreise verlangen kann: "Die Ablöse sollte festgeschrieben und möglichst niedrig sein - und damit attraktiv für andere Klubs."

Sonderkündigungsrechte, vulgo Ausstiegsklauseln, sind vor allem bei Topkräften ein Mittel der Karriereplanung - und des Abkassierens.

Das galt 2014 auch für die Beziehung zwischen der TSG Hoffenheim und Kevin Volland. Nach nur neun Monaten einigten sich Verein und Spieler auf eine "Änderungsvereinbarung": Vollands Sonderkündigungsrecht wurde um ein Jahr auf Juni 2015 verschoben. Im Gegenzug erhielt der Profi "eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von brutto 1.000.000 Euro". Eine weitere Million stellte der modifizierte Vertrag in Aussicht, sollte Volland den Hoffenheimern auch 2015 treu bleiben.

Die Karriereplanung verlief nach Wunsch. Und ebenso das Kassemachen. Volland debütierte in der Nationalelf, blieb Hoffenheim auch 2015 treu und wurde im vergangenen Juli an Bayer Leverkusen verkauft. Hoffenheim bekam eine Transferentschädigung in Höhe von 20 Millionen Euro, gemäß Ausstiegsklausel erhielt Volland über zwei Millionen Euro.

Eine Punktlandung. Zwölf Monate später wäre Vollands Vertrag ausgelaufen. Und sein Wert auf null gesunken.

Das SPIEGEL-Team zu den Football Leaks

Rafael Buschmann, Jürgen Dahlkamp, Stephan Heffner, Christoph Henrichs, Andreas Meyhoff, Nicola Naber, Jörg Schmitt, Alfred Weinzierl, Michael Wulzinger