Warum ist das Berliner Testament meist falsch?

20. November 2018 / Erbrecht

Ehepaare erstellen häufig gemeinschaftliche Testamente, wobei üblicherweise eine Regelung getroffen wird, die als Berliner Testament bezeichnet wird. Nach dieser Regelung setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Erben ein und (eine) dritte Person(en) - häufig die Kinder - zu Erben des Letztversterbenden. Bei solchen Testamenten sind die Ehepartner an die wechselbezüglichen Bestimmungen im Testament gebunden und können diese weder zu Lebzeiten beider noch nach dem Tod des Partners einseitig ändern. Doch auch hier ist einmal mehr die Auslegung der fixierten Bestimmungen entscheidend - und die hatte im folgenden Fall das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) zu treffen.

Eine Frau hatte zusammen mit ihrem Ehemann ein Testament verfasst. In diesem bestimmten sie jeweils handschriftlich, dass der jeweils andere Ehepartner ihr Erbe werden sollte. Nach dem Tod des Ehepartners sollten wiederum jeweils die eigenen Kinder aus erster Ehe zu Erben werden. Nach dem Tod ihrer einzigen Tochter schloss die Ehefrau mit deren Lebenspartner einen Erbvertrag - ohne Beteiligung ihres Ehemannes. Darin bestätigte die Ehefrau die Erbeinsetzung ihres Ehemannes als nicht befreiter Vorerbe und setzte den Lebensgefährten anstelle ihrer verstorbenen Tochter zum Nacherben ein. Nach dem Tod der Ehefrau stritten nun der Witwer und der Lebensgefährte der verstorbenen Tochter darüber, ob die Erbeinsetzung des Lebensgefährten wirksam war.

Das OLG kam zu dem Schluss, dass in dem gemeinschaftlichen Testament eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet wurde. Auch wenn sie das Testament als "Berliner Testament" bezeichnet hatten, war es nicht so, dass die Eheleute ihr gemeinschaftliches Vermögen einheitlich nach dem ersten Erbfall dem überlebenden Ehegatten und nach dessen Tod einer oder mehreren Personen zugedacht hatten. Sie hatten vielmehr bestimmt, dass nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten der jedem Ehegatten zu seinen Lebzeiten gehörende Teil der eigenen Verwandtschaft zugewendet werden sollte. Die Ehegatten hatten also jeweils eigene Nacherben für ihr jeweiliges Vermögen bestimmt. Die Nacherbschaft war auch nicht durch den Tod der Tochter entfallen. Zwar war eine Neuregelung des Nacherbes im gemeinschaftlichen Testament nicht eindeutig geregelt. Da es den Eheleuten aber bei der Gestaltung des Testaments ersichtlich darum ging, die Vermögen zu trennen und das eigene Vermögen ihren eigenen Abkommen zu hinterlassen, konnte die Ehefrau nach dem Tod der Tochter frei über ihren Anteil verfügen. Sie konnte somit zulässigerweise im Erbvertrag den Lebensgefährten der Tochter zu ihrem Nacherben bestimmen und war nicht aufgrund der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments daran gehindert.

Hinweis: Die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Daher sollte man sich genau überlegen, welche Fälle geregelt werden und inwieweit diese Regelungen bindend sein sollen. Darüber hinaus sollte man gegebenenfalls auch Möglichkeiten des Widerrufs vorsehen, um flexibel auf geänderte Umstände reagieren zu können.

Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.08.2018 - 3 Wx 67/18

(aus: Ausgabe 11/2018)

Vorsicht beim „Berliner Testament“

Von Eheleuten beziehungsweise eingetragenen Lebenspartnern, die ein Testament errichten, entscheiden sich rund zwei Drittel für das sogenannte „Berliner Testament“ – eine Sonderform des gemeinschaftlichen Testaments. Das Berliner Testament birgt allerdings seine Tücken. 

Nur Ehepaare und eingetragene Lebenspartner können in dem Berliner Testament ihren Nachlass gemeinsam regeln. Sie setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Zugleich bestimmen sie in ihrem Testament, dass ihr gemeinsames Erbe nach dem Tod des länger lebenden Partners an einen oder mehrere Dritte gehen soll. Das können die Kinder sein. Das kann aber auch jede andere Person, eine Stiftung oder ein Verein sein.

Ein solches gemeinschaftliches Testament muss entweder notariell beurkundet werden, oder aber einer der beiden Ehegatten setzt es eigenhändig handschriftlich auf und beide Ehegatten unterschreiben es eigenhändig. Das Berliner Testament birgt allerdings seine Tücken. Der juristische Laie geht häufig von falschen Rechtsfolgen aus, weshalb diese Gestaltungsform in vielen Fällen gar nicht den erbrechtlichen Bedürfnissen entspricht.

1. Kann bei einem „Berliner Testament“ solange beide Ehegatten noch leben ein Ehegatte auch gegen den Willen des anderen einzelne im Testament getroffene Verfügungen widerrufen?

Die meisten Menschen würden meinen, dass das nicht geht. Es geht aber doch. Alles in einem solchen Testament kann in diesem Stadium einseitig widerrufen werden. Das funktioniert sogar bei wechselbezüglichen Verfügungen. Hier muss der Widerruf allerdings durch notariell beurkundete Erklärung dem anderen Ehegatten zugestellt werden. Das hat dann weiterhin zur Folge das auch die korrespondierende wechselbezügliche Verfügung des anderen Ehegatten automatisch unwirksam wird.

Wer einen weitergehenden Bindungsgrad ohne Widerrufsmöglichkeit erreichen möchte, für den ist das „Berliner Testament“ ungeeignet. Hier wäre über den Abschluss eines Erbvertrages nachzudenken.

2. Ist, wenn der erste Ehegatte verstorben ist, der überlebende Ehegatte an die Schlusserbeneinsetzung gebunden oder kann er diese abändern?

Soweit Verfügungen wechselbezüglich getroffen worden sind, entfällt jetzt mit dem Tod des ersten Ehegatten die Möglichkeit zum Widerruf, das heißt, es tritt Bindungswirkung ein. Wer hier Flexibilität haben möchte, muss dies im Berliner Testament ausdrücklich vorbehalten.

3. Kann nach dem Tod des ersten Ehegatten der überlebende Ehegatte das Testament rückwirkend anfechten?

Ja, und zwar immer dann, wenn auf einmal ein Pflichtteilsberechtigter da ist, der im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments noch nicht vorhanden war. Dieses Anfechtungsrecht entsteht daher insbesondere dann, wenn sich der überlebende Ehegatte nach Errichtung des Testaments noch einmal fortpflanzt oder nach dem Tod des Ehegatten wieder heiratet. Will man eine solche Anfechtung verhindern, muss das Anfechtungsrecht im Testament ausgeschlossen werden.

4. Was passiert, wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt?

Schlägt der überlebende Ehegatte das ihm Zugewendete aus, entfällt eine etwaige Bindungswirkung und er kann hinsichtlich seines eigenen Vermögens wieder völlig frei testieren.

5. Was ist beim Tod des ersten Ehegatten mit etwaigen Ansprüchen der Kinder?

In diesem Falle haben die Kinder gegenüber dem alleinerbenden Elternteil einen Pflichtteilsanspruch, bei dem es sich um einen sofort fälligen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils handelt. Befindet sich in einem Nachlass in der Hauptsache nur eine werthaltige Immobilie und kein Bargeld, so kann der überlebende Ehegatte hier gezwungen sein, die Immobilie eiligst zu veräußern, um die Pflichtteilsansprüche der Kinder bedienen zu können. Die Schlusserbeneinsetzung der Kinder hindert die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nicht.

6. Werden beim „Berliner Testament“ die steuerlichen Freibeträge in der Familie effektiv genutzt?


Nein, werden sie nicht. Reicht der persönliche Freibetrag des überlebenden Ehegatten (500.000 Euro) nicht aus, den Anfall von Erbschaftsteuer zu kompensieren, muss der darüber hinaus gehende Teil des Erbes versteuert werden. Etwaige Freibeträge der Kinder, die diese gegenüber jedem Elternteil haben (je 400.000 Euro) bleiben dann beim Tod des ersten Ehegatten ungenutzt. Darüber hinaus wird das Vermögen des erstversterbenden Ehegatten zweimal versteuert, bis es zu den Kindern gelangt.

Welche Nachteile hat ein Berliner Testament?

Die drei Nachteile des Berliner Testaments für Eheleute.
Kinder können ihren Pflichtteil einfordern..
Man bezahlt mehr Erbschaftsteuer als notwendig..
Ein Berliner Testament bindet die Eheleute..

Wie sinnvoll ist ein Berliner Testament?

Was hat das Berliner Testament für Vorteile? Der Vorteil des Berliner Testaments ist: Das Vermögen geht auf den überlebenden Ehegatten über – er muss keine weiteren Erben auszahlen. Das gilt besonders, wenn fast das gesamte Vermögen aus einer Immobilie besteht, die der länger Lebende weiter bewohnen soll.

Wann ist das Berliner Testament ungültig?

Wenn die Ehe geschieden worden ist, dann ist auch das gemeinsame Berliner Testament automatisch unwirksam. Es muss dazu nicht aufgehoben oder widerrufen werden. Gibt es andere Fallen und Nachteile, die man beim Berliner Testament beachten sollte?

Wie sicher ist ein Berliner Testament?

Das Berliner Testament klingt zunächst praktisch und bietet den Vorteil, dass im Falle des Todes eines Partner der andere Teil das gesamte Vermögen erhält und so im Normalfall weiterhin ein geregeltes Leben etwa in einer gemeinsam gekauften Immobilie führen kann. Er ist wirtschaftlich abgesichert.