Was bedeuten lebhafte und bunte träume

Sie mögen berühren, bedrücken, befreiend sein, spannend oder wirr. Ob unsere Träume einen Sinn haben, wie sie zu verstehen und ob sie jemals zu enträtseln sind, das bringt vielleicht sogar einigen Schlafforschern schlaflose Nächte. In einem Punkt aber sind sich alle einig: Träume tun uns gut.

Die meisten Träume verblassen schnell, sobald wir uns dem Tagesgeschehen widmen, manche aber haften wie ein Ohrwurm im Gedächtnis. Gefährliche, trübe Gewässer durchschwimmen, ohne Fluggerät fliegen, zu spät kommen, sich öffentlich nackt zeigen oder seine Notdurft schamvoll in der Menge verrichten, in schwindelerregender Höhe den Boden unter den Füßen suchen, verfolgt und angegriffen werden, eine Prüfung verpatzen – die Hitliste des allnächtlichen Kopfkinos ist noch viel länger.

Ein Netzwerk von Hirnstrukturen ist es, das uns Nacht für Nacht groteske Streiche spielt. Besonders aktiv ist dabei die so genannte Amygdala (griechisch: Mandelkern), die genau wie der so genannte Hippocampus im Schläfenlappen des Gehirns angelegt ist. Die Amygdala gilt nicht nur als das Angstzentrum des Gehirns, sondern überhaupt als Sitz für das emotionale Gedächtnis. Über komplexe Schaltkreise erhält sie vorverarbeitete Informationen unter anderem aus dem Großhirn, ist sehr empfänglich für Gefahrenimpulse, wahrscheinlich in jegliche Gefühlserregung eingebunden und gibt ankommenden Impulsen erst ihr emotionales Gewicht. Signale sendet sie ihrerseits unter anderem an das Zwischenhirn, wo Thalamus und Hypothalamus dirigieren.

Der Hippocampus (griechisch: Seepferdchen) ist eine aus Nervenzellen der Großhirnrinde geformte Struktur, die neue Informationen aus dem bewussten Tageserleben kurz zwischenspeichert, für das Langzeitgedächtnis aussortiert und ans Großhirn überspielt. Diese Aufgaben erledigt er, während wir schlafen. Einer der Konzertmeister des Schlafs ist der Hypothalamus im Zwischenhirn, der als Steuerzentrum des vegetativen Nervensystems auch Taktgeber für den Tag-Nacht-Rhythmus und die Regulation des Schlafes ist. Auf die Meldung von Netzhautzellen über schwindendes Tageslicht reagiert der Hypothalamus mit der Anforderung des schlaffördernden Hormons Melatonin aus der Zirbeldrüse. Den ebenfalls im Zwischenhirn agierenden Thalamus betrachten Hirnforscher als Tor zum Bewusstsein. Über zahlreiche Neuronen (= Nervenzellen) ist er mit anderen Hirnarealen interaktiv verbunden. Je nach Wachheitszustand leitet der Thalamus Informationen nur gefiltert an die Großhirnrinde weiter, je nachdem, was aktuell zur Bewusstmachung wichtig scheint. Der eigentliche Türöffner des Bewusstseins wiederum ist die so genannte Formatio reticularis. Dieses Netzwerk von Nervenzellen sitzt im Hirnstamm und schickt dem Thalamus über aktivierende und hemmende Botenstoffe jene rhythmischen Diktate, die über die Erregung und damit den Wachheitszustand des Gehirns entscheiden.

Neuronenfeuer

Der Informationsaustausch zwischen Nervenzellen und Hirnarealen geschieht entweder über Nervenzellfortsätze – fast wie über Kabelsonden – oder über Synapsen. Das sind Andockstellen für Botenstoffe, wo ein ankommendes elektrisches Signal in ein biochemisches umgewandelt und zur nächsten Zelle geschleust wird, bevor es wiederum als elektrischer Impuls weiterrast. Als Neuronenfeuer bezeichnen Hirn- und Schlafforscher diese lebhaften elektrischen Kaskaden. In den verschiedenen Schlafstadien verändern sich ihre Muster, die sich auch im Hirnstrombild (EEG) als charakteristische Wellen darstellen. Wer siebeneinhalb bis acht Stunden pro Nacht schläft, durchschreitet fünf Schlafzyklen von jeweils zirka 90 Minuten. Diese Zyklen sind jeweils geprägt von drei unterschiedlich langen Schlafphasen – dem Leichtschlaf, dem Tiefschlaf und den REM-Phasen. Rapid eye movements – dieses Phänomen ist Namensgeber für jenes Schlafstadium, das die Traumforscher wohl am meisten fasziniert. Schnelle Bewegungen der Augen unter geschlossenen Lidern verraten, dass der Schlafende träumt. Während einige Gehirnareale hochaktiv sind, die Augen die innere Szene vielleicht wie mit einem Scanner versuchen abzutasten, ist die Skelettmuskulatur völlig erschlafft, buchstäblich außer Kraft gesetzt. Die ersten REM-Phasen mögen nur wenige Sekunden dauern, doch sie werden auf Kosten des Tiefschlafs immer länger, je länger der Schlaf dauert, je näher der Morgen rückt. Was immer auch die Schlafqualität insgesamt beeinträchtigen kann, wirkt sich auch auf den REM-Schlaf aus. Schlaf- und Beruhigungsmittel, Alkohol und andere Suchtgifte gehören zu den zahlreichen Substanzen, die die Schlafkurven verändern können.

Wer in der REM-Phase aus dem Schlaf gerissen wird, hat fast immer noch die Erinnerung an seinen Traum parat. Wahrscheinlich hängt es vom gefühlsmäßigen Eindruck dieser Erlebnisse und von der Schlafqualität ab, wie gut wir uns auch noch am nächsten Tag daran erinnern. Nicht geklärt ist, ob während der gesamten REM-Phase geträumt wird oder nur genau dann, wenn wir die Augen rollen. Viele Schlafmediziner vermuten sogar, dass Traumähnliches sich auch in anderen Schlafphasen abspielt, allerdings nicht in anschaulichen bunten Bildern, sondern eher in einfacheren, vielleicht sogar schwarzweißen Gedankenspuren.

Sinnloses Zufallsprodukt?

Sind Träume nun das Ergebnis eines unkontrollierbaren Neuronenfeuers, sinnloses Zufallsprodukt von Synapsen und Botenstoffen? Ist etwa der Botenstoff Acetylcholin, der unter anderem die Erregbarkeit des Gehirns steuert, der wahre Stoff, aus dem die Träume sind, wie manche Hirnforscher behaupten? Woraus unsere Träume wirklich komponiert werden, das ist noch nicht entschlüsselt, bedauert die Wiener Schlafforscherin Dr. Brigitte Holzinger, Lehrtherapeutin für Integrative Gestalttherapie vom Institut für Bewusstseins- und Traumforschung. Die Gestalttherapie ist eine Methode der Psychotherapie, die es über die Auseinandersetzung mit Gefühlen ermöglichen soll, zu unbewussten Verhaltensmustern zu finden.

Zweifellos geben Gefühle in unseren Traumbildern den Ton an. „Beispielsweise schildern Patientinnen mit Bulimie geradezu epische Träume, die von Außenstehenden oft als unerträglich beurteilt werden. Die Patientinnen selber stellen die Träume als spannend dar. Vielleicht sind Träume für diese Menschen ein Fingerzeig, wie sie wieder bewussten Zugang zu ihren verschütteten Gefühlen finden könnten“, meint Dr. Holzinger.

Nicht alle Traumforscher vertreten die Ansicht, dass Träume eine Schüsselfunktion für Kreativität erfüllen. Dr. Holzinger ist jedoch davon überzeugt, dass der Traum das Eldorado der Phantasiewelt ist, das Maler, Schriftsteller, Filmschaffende und andere Künstler seit jeher inspiriert.

Der Traumschlaf ist wohl auch eine Art Entrümpelungsaktion, die irrgelaufene Signale wie auf einer Festplatte richtig zuordnet, damit wir am nächsten Tag wieder funktionieren können. Vielleicht können wir auch nur so unser innerstes Weltbild, das wir von Geburt an in uns tragen, ergänzen und erweitern, so dass tagsüber Wahrgenommenes, Gefühltes, Erlebtes unseren Erfahrungsschatz bereichert. Dass wir im Schlaf dazulernen, ist ohnehin längst bewiesen. Allerdings nicht im Sinne unerledigter Hausaufgaben unterm Kopfkissen, wie es sich manches Schulkind wünschen würde. Je berührender er ist, umso leichter graviert sich ein Lerninhalt vom Vortag ins Gedächtnis ein. Gleichzeitig wird aber sein emotionaler Eindruck entschärft.

Für die Erinnerung dürfte der REM-Schlaf nicht primär geschaffen sein. Allerdings können Träume durchaus im Gedächtnis bleiben, es ist nur eine Frage des Trainings. Die Wiener Traumexpertin rät dazu, die nächtlichen „Drehbücher“ am besten gleich nach dem Aufwachen zu notieren. Der feste Vorsatz, sich zu erinnern, erleichtert die Rückkehr auf die Brücke vom Wachsein zum Traum. Ein Traumtagebuch ist sicher hilfreich, seinem Ich näherzukommen. Selber entwickelte Symbole zum Beispiel für Gefühle, Sinnesempfindungen, Traumstimmung und etwaige Tagesreste – sie vereinfachen das Festhalten der flüchtigen Trauminhalte. Vielleicht könnte ein diszipliniert geführtes Traum-Logbuch langfristig sogar der Entwicklung von Gedächtnisproblemen vorbeugen.

Traumdeutung

Der einstige Übervater der Psychoanalyse und Traumdeutung, Sigmund Freud, hielt Träume für unerfüllte Wünsche, ungelöste Konflikte, die aus den Tiefen der Seele ins Bewusstsein drängen. Dass wir nicht alles, was täglich auf uns einstürmt, bewusst wahrnehmen können, ist zwar auch heute ebenso anerkannt wie die Meinung, dass die Verdrängung von traumatisierenden Ereignissen zunächst ein Schutzmanöver des Organismus ist. Der Vorstellung Freuds, die Traumzeichen mit einer Art Lexikon zu dechiffrieren, ist jedoch von vielen seiner Nachfolger widersprochen worden. „Ein Traum ist wie ein Gemälde“, meint Dr. Holzinger, „das verschiedene Menschen unterschiedlich interpretieren, ohne je den Kern zu treffen, weil es aus sich selber wirken muss.“ Dennoch wird das Kunstwerk „Traum“ häufig immer noch durch die Freud‘sche Brille betrachtet, Spitzes als Phallussymbol, Rundes als Vagina übersetzt. Diese Gleichnisse werden ihrer Meinung nach dem vielfältigen Kaleidoskop der Traumbilder nicht gerecht und das gleiche Traumsymbol hat für mehrere Menschen ganz unterschiedliche Bedeutungen.

Vermutlich ist es eine der Hauptaufgaben des Traums, starke emotionale Themen zu spiegeln, auf sie aufmerksam zu machen. Einfach noch einmal drüber schlafen, das hilft bei schweren Konflikten leider nicht. Sie müssen im vollen Tagesbewusstsein beleuchtet werden, um sie möglichst aufzulösen, wenn nötig mit professioneller Unterstützung. Häufige dramatische Albträume können Zeichen für lange erfolgreich verdrängte Belastungen sein, die nun vehement ins Leben drängen. Bei der Auseinandersetzung damit ist Begleitung ratsam, betont Dr. Holzinger, die mit dem „Schlafcoaching“ auch eine dreisemestrige Ausbildung zum Schlafcoach an der Medizinischen Universität Wien entwickelt hat und lehrt.

Über eine mögliche vererbte Tendenz zu Albträumen liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Psychologen wissen aber, dass traumatisierende Ereignisse oft erst in der nächsten oder übernächsten Generation überwunden werden können. Vielleicht könnte das die Erklärung dafür sein, warum Hirnstrommuster etwa von Mutter und Tochter in der Regel kaum unterscheidbar und innerhalb einer Familie ähnlich sind. Gerade Kinder im Volksschulalter werden besonders von Albträumen geplagt. Vielleicht ist, so argwöhnt Dr. Holzinger, nicht der bei Kindern höhere REM-Schlafanteil schuld, sondern nicht kindgerechter Drill und schulische Überforderung. Sie empfiehlt, sich schon am Frühstückstisch mit dem Kind über seine Träume zu unterhalten. Je ausführlicher es darüber sprechen kann, umso eher verliert der nächtliche Spuk seinen Schrecken. Dass Schlafwandlern nichts passieren kann, das ist ein Märchen. Ihre Streifzüge finden auch nicht im REM-Schlaf statt. Sie träumen nicht, sondern nehmen ihre Umgebung schemenhaft und eher schwarzweiß wahr, ohne Raumgefühl und unfähig, Glas zu erkennen. Daraus erklären sich Stürze durch geschlossene Fenster und Türen. Ein Bewusstseinszustand der ganz anderen Art sind so genannte Klarträume, von Schlafforschern „luzide Träume“ genannt. Die träumende Person schaut sich sozusagen beim Träumen zu, erkennt, dass sie träumt, kann das Traumgeschehen sogar lenken. Dieses Phänomen ist nur unter höchster Konzentration bei gleichzeitig tiefster Entspannung möglich, vergleichbar einer Hypnose, einer Trance oder einer Meditation.

Traum-Happyend

Auch das ist ein Weg, Träume selbst zu komponieren. Die aktive Imagination, vom legendären Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung vor fast 100 Jahren entdeckt, benutzt die Kraft der Phantasie aus Tag- und Nachtleben, um Endlosschleifen von Albträumen zu beenden, neue Zusammenhänge zu weben. Sie ermutigt zum inneren Dialog mit bedrohlichen Traumbildern, die, neu benannt und verwandelt, ihren Schrecken verlieren.

Zum Glück sind längst nicht alle Träume beängstigend, aber wenn schon, dann ist die Erleichterung umso größer, sich aus einem bedrückenden Erlebnis mit dem Aufwachen auszuklinken und zu erkennen: alles nur geträumt!

Gotteszeichen

In allen Epochen der Menschheitsgeschichte und in allen Religionen haben Träume die Menschen in ihren Bann gezogen. Ägyptische Pharaonen, babylonische Herrscher, persische Feldherren – von ihren Traumdeutern und Propheten wurden sie als Gotteszeichen interpretiert, die Kriege entfacht, Schicksale besiegelt, Zuversicht und Furcht verbreitet haben. Der Traum galt in der Antike als Brückenschlag für die Seele zu überirdischen Begegnungen und der griechische Arzt Hippokrates glaubte, dass Krankheiten sich durch Träume erstmals zeigten.

Klaus Stecher

Dezember 2016

Fotos: shutterstock/conny kraus; privat

Kommentar

„Wer einen Traum erzählt, offenbart sein Innerstes. Träume sind das beste Kommunikationsmittel unter Erwachsenen aber auch zwischen Eltern und ihren Kindern.

Dr. Brigitte Holzinger

Institut für Bewusstseins- und Traumforschung, Wien

‌ Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020

Was bedeuten Bunte Träume?

Nach Meinung einiger Traumforscher verfügen Menschen, die farbig träumen, über mehr Temperament als andere, die alles nur schwarzweiß sehen. Diese Menschen gelten als besonders vital, und die bunten Träume werden als als Beweis für ein lebhaftes Unbewusstes gewertet.

Was sind lebhafte Träume?

Albträume sind lebhafte Träume mit beängstigendem oder beunruhigendem Inhalt. Viele Menschen erleben gelegentlich Albträume, die sich von selbst auflösen. Eine Alptraumstörung ist jedoch eine Schlafstörung, bei der die Alpträume die Fähigkeit, ausreichend Schlaf zu bekommen, beeinträchtigen.

Was bedeutet es wenn sich ein Traum real anfühlt?

Zunächst wird ein Traum als Wahrtraum bezeichnet, wenn er dem Träumenden etwas über seine konkrete Lebenssituation aussagt. Er zeichnet sich weiterhin durch den Eindruck eines realen Erlebens aus, wie es sonst nur im Wachzustand erfahren wird.

Warum Träume ich so viel und intensiv?

Intensives Träumen hat Ursachen, wie zum Beispiel einen längeren Schlaf mit mehr REM-Phasen oder auch starke Emotionen im Alltag. Erlebnisse werden nämlich durch die gespeicherten Gefühle verarbeitet. Die aufgenommenen Bilder spielen dabei eher eine Nebenrolle.