Was ist der Rat in der EU?

Der Rat der Europäischen Union (in den Verträgen nur Rat, informell zumeist Ministerrat oder EU-Rat) ist das EU-Organ, das die Regierungen der Mitgliedstaaten vertritt. Er koordiniert die Politik der EU und ist regelmäßig gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission für die Gesetzgebung der EU zuständig. Die Plenumsdebatten von Rechtsetzungsvorhaben werden im Internet veröffentlicht. Der Rat der Europäischen Union ist zu unterscheiden vom Europäischen Rat, dem Treffen der Staats- und Regierungschefs, und dem Europarat, der kein EU-Gremium sondern eine internationale Organisation mit 47 Mitgliedstaaten ist.

Der Rat setzt sich aus je einem Fachminister aus allen EU-Mitgliedstaaten zusammen. Es gibt insgesamt zehn Ratsformationen, eine davon ist der Umweltrat.

Die Tagesordnung des Rates gliedert sich in sogenannte A-Punkte, bei denen die vorbereitenden Gremien schon eine Einigung erzielt haben, und sogenannte B-Punkte, bei denen dies noch nicht der Fall ist. Die A-Punkte werden in der Regel summarisch von irgendeinem Rat ohne Aussprache angenommen. Die B-Punkte werden von den fachlich zuständigen Ministern beraten und gegebenenfalls beschlossen.

Der Umweltrat tagt in der Regel viermal im Jahr: im März in Brüssel, im Juni und im Oktober in Luxemburg und schließlich im Dezember wieder in Brüssel.

Neben diesen förmlichen Ratssitzungen lädt die jeweilige Ratspräsidentschaft in der Regel einmal während ihres Vorsitzes in ihr Heimatland zu einem informellen Ratstreffen ein. Auf informellen Treffen können keine förmlichen Beschlüsse gefasst werden. Sie dienen insbesondere der Sondierung besonders schwieriger oder neuer Fragen.

Letzte Sitzungen

Sitzungskalender

Gremien und Organisationen

Was ist der Rat in der EU?

Die Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind in zwei Gremien vertreten: im Europäischen Rat und im Rat der Europäischen Union. Beide sind nicht zu verwechseln mit dem Europarat, einer eigenständigen Institution mit Sitz in Straßburg zum Schutz der Menschenrechte, der unter anderem auch Norwegen, Russland und die Türkei angehören.

Der Europäische Rat setzt sich aus den 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Hinzu kommen die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und der Hohe Vertreter, Josep Borrell. Die Sitzungen werden vom Präsidenten des Europäischen Rats, Charles Michel, geleitet. Er ist für zweieinhalb Jahre gewählt, eine einmalige Wiederwahl ist möglich.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission und der Präsident des Europäischen Rats bilden gemeinsam die so genannte Doppelspitze der EU. Die Kommissionspräsidentin ist – im Gegensatz zum Ratspräsident – durch das Europäische Parlament legitimiert.

Der Europäische Rat tagt mindestens zweimal im Halbjahr und zwar immer in Brüssel. Er ist zuständig für grundsätzliche, allgemeine Fragen zu Ausrichtung und Zukunft der EU. Zudem entscheidet er in strittigen Punkten, die der Rat der Europäischen Union nicht klären konnte. Dies erfordert immer häufiger auch informelle Sondertreffen. Die Ergebnisse dieser Gipfeltreffen werden in Form von Schlussfolgerungen veröffentlicht.

Der Rat der Europäischen Union besteht aus je einem Vertreter der Mitgliedstaaten und tagt, je nach Politikbereich, in verschiedenen Formationen. Da die Mitgliedstaaten oft die entsprechenden Fachminister entsenden, wird der Rat der Europäischen Union auch Ministerrat genannt. Den Vorsitz in allen Ratsformationen (mit Ausnahme des Rats für Auswärtige Angelegenheiten) hat die jeweilige Ratspräsidentschaft, die unter den Mitgliedstaaten im halbjährlichen Rhythmus wechselt. Alle Ratsformationen tagen in der Regel zweimal pro Ratspräsidentschaft.

Zusammen mit dem Europäischen Parlament entscheidet der Rat über die von der Kommission vorgeschlagenen Gesetzesentwürfe. Für das Gesetzgebungsverfahren bedarf es einer qualifizierten Mehrheit im Rat von 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung repräsentieren.

Rat der Europäischen Union
— Rat —

Was ist der Rat in der EU?

Staatliche Ebene
Was ist der Rat in der EU?
Europäische Union
Stellung Intergouvernementales legislatives Organ (und Teil des politischen Systems der EU)
Gründung 1952
Hauptsitz Europagebäude,
Brüssel,
Was ist der Rat in der EU?
 Belgien
Vorsitz Vorsitz:
Was ist der Rat in der EU?
 Tschechien
vertreten durch
Jan Lipavský
(1. Juli 2022 – 31. Dezember 2022)

Generalsekretär:

Was ist der Rat in der EU?
 Jeppe Tranholm-Mikkelsen
(seit 1. Juli 2015)

Website consilium.europa.eu

Der Rat der Europäischen Union (im Vertragstext nur Rat, nichtamtlich oft auch EU-Ministerrat oder Ministerrat) ist ein Organ der Europäischen Union. Im politischen System der EU übt er zusammen mit dem Europäischen Parlament die Rechtsetzung der Europäischen Union aus. Da er die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten repräsentiert, kann er als die Staatenkammer der EU bezeichnet werden (neben dem Europäischen Parlament als Bürgerkammer).

Die Europäische Union verhandelt einige Politikbereiche, in denen das Europäische Parlament weniger Mitsprache hat. Diese intergouvernementalen Bereiche betreffen unter anderem die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Innerhalb dieses Rahmens arbeiten die Minister im Ministerrat zusammen.

Die Funktionsweise des Rates ist in Art. 16 EU-Vertrag und in Art. 237 ff. AEU-Vertrag geregelt. Er setzt sich aus jeweils einem Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen, der ermächtigt sein muss, für seine Regierung verbindliche Entscheidungen zu treffen. Der sogenannte Ministerrat ist zwar insgesamt ein einziges Organ, seine Sitzungen finden aber getrennt nach Politikbereich statt. Man spricht von den Ratsformationen. Zum Beispiel in derjenigen Ratsformation, in der es um Landwirtschaftsfragen geht, treffen sich die nationalen Minister, die in ihrer Regierung das entsprechende Ressort vertreten. Die Vertreter können von ihrer Regierung frei bestimmt werden; wichtige Entscheidungen werden jedoch üblicherweise dann getroffen, wenn die Minister anwesend sind.

Den Vorsitz im Ministerrat hat nicht eine Person, sondern ein Staat. Dieser wechselt jedes halbe Jahr und rotiert unter den Mitgliedstaaten; ein Staat wird also erst wieder Vorsitzender, wenn alle anderen Staaten in der Zwischenzeit an der Reihe gewesen sind. Man sagt auch, der betreffende Staat habe die Ratspräsidentschaft inne. Vorsitzender einer Ratsformation ist dann jeweils derjenige Minister aus diesem Staat. Bei wichtigen Anlässen vertritt auch der jeweilige Regierungschef seinen Staat. Der aktuelle Staat der Ratspräsidentschaft, der vorherige Staat und der künftige Staat arbeiten seit 2007 in einer Triopräsidentschaft zusammen. Dadurch soll es mehr Kontinuität geben.

Der Ministerrat ist nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat: Jener besteht aus den Regierungschefs aller Staaten, sofern ein Staat nicht vom Staatsoberhaupt vertreten wird. Hinzu kommen der Kommissionspräsident sowie ein gesondert gewählter Präsident des Europäischen Rates. Der Europäische Rat hat andere Aufgaben als der Ministerrat, ist aber ebenfalls ein Organ, das die Regierungen der Mitgliedstaaten vertritt.

Sitz des Ministerrates ist das Europa-Gebäude in Brüssel.[1] In den Monaten April, Juni und Oktober finden die Tagungen in Luxemburg statt.

Zusammensetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Was ist der Rat in der EU?

Der Rat ist ein einheitliches Organ, tagt aber aufgrund der unterschiedlichen Politikbereiche in unterschiedlichen Zusammensetzungen – den sogenannten Ratsformationen, bei denen jeweils die Vertreter unterschiedlicher Ressorts zusammentreffen. Jede Formation setzt sich aus je einem Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen. Diese Vertreter sind nach Art. 16 EU-Vertrag befugt, für ihre jeweilige Regierung verbindlich zu handeln. Deshalb können föderal verfasste Mitgliedstaaten auch Minister der subnationalen Ebene in die Ratssitzungen entsenden, wenn die Zentralregierung in der betreffenden Frage keine Kompetenzen hat. Dies ist etwa für Belgien öfter der Fall, das in verschiedene Ratsformationen jeweils Minister der Regionen oder Gemeinschaften entsendet.

Bis Juni 2000 tagte der Rat zeitweise in zwanzig verschiedenen Zusammensetzungen. Danach wurde die Zahl zunächst auf sechzehn, im Juni 2002 weiter auf neun reduziert, durch den Vertrag von Lissabon erfolgte 2009 eine Erweiterung auf zehn.

Eine besondere Rolle spielt der Rat für Allgemeine Angelegenheiten, in dem die Außen- oder Europaminister der Mitgliedstaaten vertreten sind. Er koordiniert die Tätigkeiten der anderen Ratsformationen und trifft Entscheidungen, die keiner anderen Ratsformation zuzuordnen sind. Daneben treffen sich die Außenminister auch im Rat für Auswärtige Angelegenheiten, der für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zuständig ist. Der Auswärtige Rat ist zugleich der einzige, der neben den Vertretern der Mitgliedstaaten noch ein weiteres Mitglied hat, nämlich den Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Dieser führt im Auswärtigen Rat den Vorsitz, hat allerdings bei Entscheidungen kein Stimmrecht.

Im Einzelnen gibt es folgende Ratsformationen:

BezeichnungAbkürzung
      dt.            en.            fr.      
Rat für Allgemeine Angelegenheiten
(seit 1. Dezember 2009 statt Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen)
RAA GAC CAG
Rat für Auswärtige Angelegenheiten
(seit 1. Dezember 2009)
RAB FAC CRE
Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz BeSoGeKo EPSCO
Rat für Bildung, Jugend, Kultur und Sport BJKS (auch
BiJuKu)
EYCS EJCS
Rat für Justiz und Inneres JI JHA JAI
Rat für Landwirtschaft und Fischerei  
(auch GAP)
AGRIFISH
(auch CAP)
AGRIPECHE
(auch PAC)
Rat für Umwelt ENVI
Rat für Verkehr, Telekommunikation und Energie TTE
Rat für Wettbewerbsfähigkeit WBF COMP
Rat für Wirtschaft und Finanzen ECOFIN

Arbeitsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ratsformationen treten in der Regel zweimal pro Ratspräsidentschaft, also alle drei Monate, auf Ministerebene zusammen. Der Allgemeine Rat, der Rat für Landwirtschaft und Fischerei und der Rat für Wirtschaft und Finanzen tagen häufiger, teilweise monatlich. Die Tagungen des Rates sind grundsätzlich öffentlich, wenn er als Gesetzgeber tätig wird; Tagungen, bei denen keine Gesetzgebungsentscheidungen getroffen werden, finden jedoch meist nicht-öffentlich statt.

Die Sitzungen des Rates werden zuvor auf unterschiedlichen Ebenen vorbereitet. Die wichtigste Koordinationsinstanz ist der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV, auch Coreper), in dem sich die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU regelmäßig treffen. Er ist aufgeteilt in zwei Gruppierungen: Während die meisten Ratsformationen vom AStV I vorbereitet werden, in dem sich die stellvertretenden Ständigen Vertreter treffen, ist der AStV II, in dem die Ständigen Vertreter selbst zusammenkommen, für die Ratsformationen mit besonders sensiblen Politikbereichen zuständig, nämlich speziell für den Allgemeinen Rat, den Auswärtigen Rat, den Rat für Wirtschaft und Finanzen und den Rat für Justiz und Inneres. Daneben hat der Rat für Landwirtschaft und Fischerei ein eigenes vorbereitendes Komitee, den Sonderausschuss Landwirtschaft (SAL). AStV und SAL bereiten die Tagesordnung der Ratssitzungen vor und machen Entscheidungsvorschläge für die Themen, zu denen zwischen den Mitgliedstaaten Einigkeit besteht.

Die eigentliche inhaltliche Vorbereitung der Ratssitzungen erfolgt durch die Ratsarbeitsgruppen, die sich aus Beamten der Mitgliedstaaten zusammensetzen und jeweils auf bestimmte Politikfelder spezialisiert sind. Für Verwaltungs- und Übersetzungstätigkeiten verfügt der Rat zudem über ein Generalsekretariat mit circa 2.500 Mitarbeitern. Seit 2009 war der Franzose Pierre de Boissieu Generalsekretär, ihm folgte 2011 der Deutsche Uwe Corsepius, auf welchen wiederum am 1. Juli 2015 der Däne Jeppe Tranholm-Mikkelsen folgte. Dessen Amtszeit endet voraussichtlich 2025.[2]

Wenn die Minister im Rat über bestimmte Fragen keine Einigung erzielen konnten, können sie die Frage an den Europäischen Rat weiterleiten, in dem sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten treffen. Der Europäische Rat kann selbst nicht in die Rechtsetzung der EU eingreifen, sondern nur allgemeine Leitlinien erlassen. Da jedoch innerhalb der nationalen Regierungen die Mitglieder des Rates – also die Minister – den Mitgliedern des Europäischen Rates – also den Regierungschefs – untergeordnet sind, dienen die Kompromisse des Europäischen Rates auch als Richtlinien für die Entscheidungen des Rates.

Vorsitz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Vorsitz im Rat der Europäischen Union (auch als Ratspräsidentschaft bezeichnet) wechselt halbjährlich zwischen den Mitgliedstaaten; die Sitzungen der verschiedenen Ratsformationen, aber auch aller untergeordneten Gremien wie der Ratsarbeitsgruppen, werden jeweils von dem Vertreter des betreffenden Staates geleitet. Eine Ausnahme bildet der Rat für Auswärtige Angelegenheiten, in dem der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik den Vorsitz führt.

Seit 2007 wird der Vorsitz im Rat in Form einer sogenannten Triopräsidentschaft jeweils für einen Zeitraum von 18 Monaten von einer Gruppe von jeweils drei Mitgliedstaaten ausgeübt. Dabei nimmt weiterhin jeweils ein Staat für sechs Monate den Vorsitz ein, die drei Staaten präsentieren aber ein gemeinsames Programm und können einander auch beim Vorsitz einzelner Ratssitzungen vertreten.

Am 1. Januar 2007 hat der Rat der Europäischen Union die Reihenfolge für die Wahrnehmung des Vorsitzes im Rat bis 2020 festgelegt.[3] Zuvor waren am 1. Januar 1995 die Vorsitzstaaten bis Mitte 2003 und am 12. Dezember 2005 diejenigen bis Mitte 2018 festgelegt worden, aber durch den Beitritt von Rumänien und Bulgarien war eine Ergänzung der Vorsitzliste um diese beiden Staaten nötig geworden. Am 26. Juli 2016 hat der Rat einen Beschluss verabschiedet, mit dem die Reihenfolge, in der die Mitgliedstaaten den Vorsitz im Rat der EU bis 2030 wahrnehmen, geändert wird.[4]

Nachdem das Vereinigte Königreich mitgeteilt hat, dass es auf den Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2017 verzichtet, hat der Rat beschlossen, die Ratsvorsitze ab dem 1. Juli 2017 um jeweils sechs Monate vorzuziehen.[4]

Vorsitz im Rat der Europäischen Union[4]
Jahr, Staat (1. Halbjahr, 2. Halbjahr)
2007 Deutschland, Portugal 2008 Slowenien, Frankreich 2009 Tschechien, Schweden
2010 Spanien, Belgien 2011 Ungarn, Polen 2012 Dänemark, Republik Zypern
2013 Irland, Litauen 2014 Griechenland, Italien 2015 Lettland, Luxemburg
2016 Niederlande, Slowakei 2017 Malta, Estland 2018 Bulgarien, Österreich
2019 Rumänien, Finnland 2020 Kroatien, Deutschland 2021 Portugal, Slowenien
2022 Frankreich, Tschechien 2023 Schweden, Spanien 2024 Belgien, Ungarn

Abstimmungsverfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abstimmungen im Rat der Europäischen Union erfolgen im Regelfall mit qualifizierter Mehrheit, bei einigen in den Verträgen bestimmten Fällen aber auch mit einfacher Mehrheit oder einstimmig.[5] In reinen Verfahrensfragen beschließt der Rat meist mit einfacher Mehrheit. Bei Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und anderen politisch heiklen Angelegenheiten, wie der Steuerpolitik, beschließt der Rat einstimmig (siehe Rechtsetzung der Europäischen Union).

Eine einfache Mehrheit liegt nach Art. 238 Abs. 1 AEUV vor, wenn die Mehrheit der Mitgliedstaaten zustimmt.

Qualifizierte Mehrheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, das in den meisten EU-Politikfeldern gilt, und für viele andere Beschlüsse im Rat ist die qualifizierte Mehrheit notwendig. Nach Art. 16 Abs. 3 EUV ist immer die qualifizierte Mehrheit maßgeblich, wenn die Verträge kein anderes Verfahren vorsehen. Diese wird seit dem Vertrag von Lissabon über das Prinzip einer doppelten Mehrheit definiert (Art. 16 Abs. 4 EUV), die erfordert, dass

  • mindestens 55 % der Mitgliedstaaten zustimmen (das wären aktuell 15), die gleichzeitig
  • mindestens 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren, wobei
  • eine Sperrminorität gilt, durch die Mitgliedstaaten, welche mehr als 35 % der EU-Bevölkerung repräsentieren plus ein zusätzlicher Mitgliedstaat (das wären aktuell insgesamt 4) ein Veto einlegen können. (Hinzu kommt die Möglichkeit eines aufschiebenden Vetos durch aktuell 3 Mitgliedstaaten nach dem Kompromiss von Ioannina)

Das bedeutet in der Praxis, dass mindestens 23 (von 27) Mitgliedstaaten zustimmen müssen, um sicher einen Beschluss durchzusetzen. Tatsächlich wird aber selbst in Bereichen, in denen theoretisch nur eine qualifizierte Mehrheit erforderlich wäre, in der Regel einstimmig (konsensual) entschieden.

Für den Fall, dass der Rat nicht auf Vorschlag der Europäischen Kommission oder des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik entscheidet, sieht Art. 238 AEUV Sonderregelungen vor.

Um vergleichbare Daten über die Einwohnerzahl der einzelnen Mitgliedstaaten zu haben, findet beginnend mit dem Zensus 2011 alle zehn Jahre eine europaweite Volkszählung nach einheitlichen Kriterien statt.

Bestimmung der Qualifizierte Mehrheit bis 2017[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Was ist der Rat in der EU?

Sitz des EG-Ministerrats in Brüssel (1975)

Das Prinzip der doppelten Mehrheit wurde erst ab dem Jahr 2017 endgültig eingeführt; ab 2014 wurde es angewandt, sofern kein Mitgliedstaat widersprach. Ansonsten galt bis dahin übergangsweise die Definition der qualifizierten Mehrheit, die im Vertrag von Nizza vorgesehen war. Dazu wurde allen Mitgliedstaaten jeweils eine bestimmte Anzahl an Stimmen zugewiesen, die von 3 (Malta) bis 29 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien) reichen. Für die Verabschiedung eines Rechtsakts notwendig waren nach diesem Verfahren

  • eine einfache Mehrheit der Mitgliedstaaten
  • und eine Mehrheit von 260 der 352 Stimmen
  • Auf Antrag eines Mitgliedstaates musste darüber hinaus festgestellt werden, ob die zustimmenden Mitgliedstaaten mindestens 62 % der EU-Bevölkerung umfassen.

Die Stimmengewichtung richtete sich grob nach der Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten, wobei jedoch die kleinen Staaten proportional bevorzugt waren (sog. degressive Proportionalität). Allerdings erfolgte die Stimmenverteilung nach keinem klaren Schlüssel. So hatten die vier bevölkerungsreichsten Staaten alle dieselbe Anzahl an Stimmen, obwohl Deutschland deutlich mehr Einwohner hat als die anderen drei. Auch einige der erst 2004 beigetretenen Staaten hatten im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl eine eher geringe Anzahl an Stimmen; Spanien und Polen schnitten bei der Stimmengewichtung dagegen recht gut ab.

Stimmengewichtung EG-10
StaatStimmenStimmenanteil
BR Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien je 10 je 15,9 %
Belgien, Niederlande, Griechenland je 5 je 7,9 %
Dänemark, Irland je 3 je 4,8 %
Luxemburg 2 3,2 %
Anzahl der Gesamtstimmen63100 %
 
Stimmengewichtung EU-15 vor dem Vertrag von Nizza
StaatStimmenStimmenanteil
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien je 10 je 11,5 %
Spanien 8 9,2 %
Belgien, Griechenland, Niederlande, Portugal je 5 je 5,7 %
Österreich, Schweden je 4 je 4,6 %
Dänemark, Finnland, Irland je 3 je 3,4 %
Luxemburg 2 2,3 %
Anzahl der Gesamtstimmen87100 %
 
Stimmengewichtung EU-27
StaatStimmenStimmenanteil
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien je 29 je 8,4 %
Polen, Spanien je 27 je 7,8 %
Rumänien 14 4,1 %
Niederlande 13 3,8 %
Belgien, Griechenland, Portugal, Tschechien, Ungarn je 12 je 3,5 %
Bulgarien, Österreich, Schweden je 10 je 2,9 %
Dänemark, Finnland, Irland, Litauen, Slowakei je 7 je 2,0 %
Estland, Lettland, Luxemburg, Slowenien, Republik Zypern je 4 je 1,2 %
Malta 3 0,9 %
Anzahl der Gesamtstimmen345100 %
 
Stimmengewichtung EU-28 (1. Juli 2013 bis 2017)
StaatStimmenStimmenanteil
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien je 29 je 8,2 %
Polen, Spanien je 27 je 7,7 %
Rumänien 14 4,0 %
Niederlande 13 3,7 %
Belgien, Griechenland, Portugal, Tschechien, Ungarn je 12 je 3,4 %
Bulgarien, Österreich, Schweden je 10 je 2,8 %
Dänemark, Finnland, Kroatien, Irland, Litauen, Slowakei je 7 je 2,0 %
Estland, Lettland, Luxemburg, Slowenien, Republik Zypern je 4 je 1,1 %
Malta 3 0,9 %
Anzahl der Gesamtstimmen352100 %

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Rat nimmt Teil an der Legislative, der Gesetzgebung. Seine Mitglieder sind jedoch Teil der nationalen Regierungen, also der Exekutive. So gilt er als ein typischer Fall von Exekutivföderalismus. Kritiker sehen darin einen Widerspruch zum Prinzip der Gewaltenteilung und einen Grund für das wahrgenommene Demokratiedefizit der EU. Dabei wird häufig das sogenannte Spiel über die Bande kritisiert, bei dem Regierungen Gesetzesvorschläge, für die es auf nationaler Ebene keine Parlamentsmehrheit gibt, über den Umweg der europäischen Gesetzgebung durchzusetzen versuchen. Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, das für die meisten EU-Politikbereiche gilt, muss allerdings neben dem Rat auch das direkt gewählte Europäische Parlament einem Gesetzgebungsakt zustimmen, damit dieser in Kraft treten kann. Zudem ist Gewaltenteilung auch in den Mitgliedstaaten oft nicht von strikter Teilung, sondern Verschränkung geprägt. Beispielsweise darf in Deutschland nicht nur der Bundestag oder der Bundesrat, sondern auch die Bundesregierung ein Gesetz vorschlagen.

Ein weiterer Vorwurf an den Rat war seine mangelnde Transparenz. Bis zum Vertrag von Lissabon (2007) waren die Ratssitzungen grundsätzlich nichtöffentlich. Dadurch konnte die Öffentlichkeit nicht nachvollziehen, wie eine bestimmte Regierung in einer Frage abgestimmt hatte. Seit Inkrafttreten des Vertrags sind die Tagungen grundsätzlich öffentlich, wenn der Rat als Gesetzgeber tätig wird. Tagungen, bei denen keine Gesetzgebungsentscheidungen getroffen werden – also etwa vorbereitende Sitzungen oder auch die Treffen des Rates für auswärtige Angelegenheiten – finden weiterhin nichtöffentlich statt.

LobbyControl stellte in einer Studie vom April 2019 fest, dass die Positionen, die ein EU-Mitgliedstaat im Rat vertrete, nur selten öffentlich bekannt würden. Lobbyisten der Industrien könnten auf nationaler Ebene Einfluss auf Politiker und so im Hintergrund auch auf die Entscheidungen des Rates nehmen.[6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sven von Alemann: Der Rat der Europäischen Union. Seine Stellung im institutionellen Gefüge des europäischen Mehrebenensystems und sein Beitrag zur demokratischen Legitimation der Europäischen Union. Carl Heymanns, Köln/München 2009, ISBN 978-3-452-26973-7.
  • Ines Härtel: Handbuch Europäische Rechtsetzung. Springer, Berlin/Heidelberg 2006. ISBN 3-540-30664-1.
  • Daniela Kietz, Nicolai von Ondarza: Willkommen in der Lissabonner Wirklichkeit. In einer konfliktbeladenen Umbruchszeit deuten sich weitreichende Machtverschiebungen in den EU-Ratsstrukturen an. In: SWP-Aktuell. 2010/A 29.
  • Jakob Lempp: Macht „im“ Rat und Macht „des“ Rates. Eine Analyse des Machtgefüges im Rat und um den Rat der Europäischen Union. In: Werner J. Patzelt (Hrsg.): Parlamente und ihre Macht. Kategorien und Fallbeispiele institutioneller Analyse. Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1588-5, S. 115–144.
  • Jakob Lempp: Die Evolution des Rats der Europäischen Union. Institutionenevolution zwischen Intergouvernementalismus und Supranationalismus. Nomos, Baden-Baden 2009, ISBN 978-3-8329-4277-9.
  • Michael Mentler: Der Ausschuss der Ständigen Vertreter bei den Europäischen Gemeinschaften, Nomos-Verlag, Baden-Baden 1996, Schriftenreihe Europäisches Recht, Politik und Wirtschaft, Bd. 181, ISBN 978-3-7890-4189-1 (zugl. Passau, Dissertation).
  • Nicolai von Ondarza: Rat der Europäischen Union . In: Werner Weidenfeld, Wolfgang Wessels (Hrsg.): Jahrbuch der Europäischen Integration. 1. Auflage. Nomos, Baden-Baden 2021, ISBN 978-3-8487-7252-0, S. 91–98.
  • Offizielle Website des Rates
  • Überblick über den Rat auf der Kommissionsseite
  • Erläuterung des Rats bei Netzwerk EBD (Memento vom 10. November 2010 im Internet Archive)
  • Archivische Quellen zur Geschichte des Rates der Europäischen Union in den Beständen des Historischen Archivs der EU in Florenz

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rat der Europäischen Union: Die Gebäude des Rates. In: consilium.europa.eu. 19. Februar 2020, abgerufen am 30. November 2021.
  2. Der Generalsekretär. Abgerufen am 30. Juni 2020.
  3. Beschluss des Rates vom 1. Januar 2007 zur Festlegung der Reihenfolge für die Wahrnehmung des Vorsitzes im Rat (2007/5/EG, Euratom).
  4. ↑ a b c Europäischer Rat: Turnusmäßig wechselnder Ratsvorsitz: Beschluss über Änderung der Reihenfolge vom 26. Juli 2016, abgerufen am 4. August 2016.
  5. Abstimmungsverfahren. Rat der Europäischen Union, abgerufen am 1. November 2021.
  6. Alicia Prager: LobbyControl: Fortschritte in Brüssel, kaum Transparenz in Berlin. In: euractiv.de. 29. April 2019.

Was ist der Europäische Rat einfach erklärt?

Der Europäische Rat kümmert sich in der Regel nicht ums Alltagsgeschäft der EU , sondern um die großen zukunftsbestimmenden Fragen. Er legt die politischen Ziele der Europäischen Union fest. Allerdings muss er mitunter über strittige Fragen entscheiden, die auf Ministerebene nicht geklärt werden konnten.

Für was ist der Rat der EU zuständig?

"Der Europäische Rat gibt der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten hierfür fest. Er wird nicht gesetzgeberisch tätig." (Artikel 15 des Vertrags über die Europäische Union).

Wer ist Mitglied im EU Rat?

Die Mitglieder des Europäischen Rates sind die Staats- und Regierungschefs der 27 EU‑Mitgliedstaaten, der Präsident des Europäischen Rates und der Präsident der Europäischen Kommission.

Wie setzt sich der Rat der EU zusammen?

Im Rat der Europäischen Union kommen die Vertreter:innen der Regierungen der 27 Mitgliedstaaten zusammen. Er ist das Forum, in dem die verschiedenen Regierungen ihre Interessen vertreten und Kompromisse aushandeln. Die Vertreter:innen aus den Mitgliedstaaten handeln für ihre jeweilige Regierung verbindlich.