Welche bedeutung hat die umklassifizierung zu gewerbe einkünften

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Abgrenzung der Einkünfte nach § 15 und § 18 EStG
2.1 Gewinneinkünfte nach § 15 EStG
2.2 Gewinneinkünfte nach § 18 EStG
2.3 Steuerliche Konsequenzen aus der Klassifizierung der Einkünfte

3 Der Normierungsinhalt des § 35 EStG
3.1 Begründung und Entwicklung des § 35 EStG
3.2 Die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die
Einkommensteuer
3.2.1 Der Ermäßigungshöchstbetrag nach § 35 Abs. 1 EStG
3.2.2 Besonderheiten bei Mitunternehmerschaften nach § 35 Abs. 2 EStG
3.3 Die Überkompensation durch § 35 EStG im Hinblick auf die Festsetzung der Annexsteuern

4 Optionsmöglichkeiten zu den Einkünften nach § 15 EStG
4.1 Vorteilhaftigkeitsüberlegungen einer hypothetischen Wahlmöglichkeit
4.2 Argumentationsmöglichkeiten gegenüber der Finanzverwaltung

5 Fazit und kritische Würdigung

Anhang

Literaturverzeichnis

Verzeichnis sonstiger Quellen

Rechtsprechungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zahlenbeispiel zur Berechnung der Summe der positiven gewerblichen Einkünfte

Tabelle 2 : Zahlenbeispiel zur Berechnung der Summe aller positiven Einkünfte

Tabelle 3: Zahlenbeispiel zur Verdeutlichung der Wirkung unterschiedlicher GewSt-Hebesätze auf § 35 EStG

Tabelle 4: Zahlenbeispiel zur Verdeutlichung der möglichen Überkompensation bei Anwendung des § 35 EStG

Abbildungsverzeichnis

Abb.1: Schaubild zur Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags ab VZ 2008

Abb. 2: Vergleich der Gesamtsteuerbelastungen bei unterschiedlichen Einkunftsarten und Gewerbesteuerhebesätzen

1 Einleitung

Das deutsche Einkommensteuergesetz regelt die Besteuerung des Einkommens von natürlichen Personen, die nach § 1 EStG beschränkt oder unbeschränkt steu- erpflichtig sind.1 Der Einkommensteuer unterliegen die in § 2 Abs. 1 EStG aufge- führten sieben Einkunftsarten, bei denen zwischen Gewinn- und Überschussein- kunftsarten differenziert wird.2 Sie unterscheiden sich im Wesentlichen hinsicht- lich ihrer Einkunftsermittlung.3 Während die Gewinneinkünfte anhand der Be- triebseinnahmen abzüglich der Betriebsausgaben ermittelt werden, wird bei den Überschusseinkünften der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zugrunde gelegt.4 Zu den Gewinneinkunftsarten gehören u. a. die in der vorliegen- den Arbeit behandelten Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG, sowie die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach § 18 EStG. Die Klassifizierung von Einkünften zu solchen nach § 15 oder § 18 EStG gestaltet sich oftmals als schwie- rig, obgleich sie eine hohe steuerliche Relevanz hat, da die Einkünfte nach § 15 EStG zusätzlich zur Einkommensteuer auch mit Gewerbesteuer belastet werden. Zur Verringerung dieser doppelten Ertragsteuerbelastung5 von gewerblichen Ein- künften, schaffte der Gesetzgeber die Anrechnungsnorm des § 35 EStG, die eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer zulässt.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich primär mit der Frage, ob durch die An- rechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG die Mög- lichkeit der steuerlichen Begünstigung eines Steuerpflichtigen mit Einkünften nach § 15 EStG im Vergleich zu einem Steuerpflichtigen mit Einkünften nach § 18 EStG entstehen kann. Hieran bestimmt sich auch das Ziel der Arbeit, wel- ches die eingehende Untersuchung einer möglichen Überentlastung durch die An- wendung des § 35 EStG beinhaltet. In diesem Zusammenhang erfolgen anschlie- ßend Überlegungen im Hinblick auf mögliche steuerliche Gestaltungs- und Wahl- möglichkeiten.

Die Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. Zunächst wird dem Leser ein Grobüber- blick über die behandelte Thematik und Problemstellung gegeben. Im zweiten Ka- pitel werden die Einkünfte nach § 15 und § 18 EStG einzeln definiert und vonei- nander abgegrenzt. Anschließend erfolgt eine Darstellung der steuerlichen Folgen im Hinblick auf die Abgrenzung. Im dritten Kapitel wird die Steuerermäßigung nach § 35 EStG behandelt. Als erstes werden dem Leser die Entstehungsgründe dieses Paragrafen nebst den inzwischen vorgenommenen Änderungen aufgezeigt. Danach wird der Inhalt des § 35 EStG untersucht, wobei vor allem auf die Beson- derheiten beim Ermäßigungshöchstbetrag und bei Mitunternehmerschaften einge- gangen wird. Im Anschluss werden die Überkompensationsmöglichkeiten des § 35 EStG im Zusammenhang mit den festzusetzenden Annexsteuern unter Zu- grundelegung eines ausführlichen Zahlenbeispiels (vgl. Anlage 2, S. 31f.) analy- siert. Im vierten Kapitel werden die Optionsmöglichkeiten zu den Einkünften nach § 15 EStG diskutiert. Dabei werden zum einen Überlegungen in Bezug auf eine hypothetische Wahlmöglichkeit zwischen den Einkünften nach § 15 und § 18 EStG angestellt. Zum anderen werden mögliche Argumentationsgänge, die für die Ausübung von Einkünften nach § 15 EStG sprechen, herausgearbeitet. Schluss- endlich erfolgt im letzten Kapitel eine zusammenfassende Wiedergabe der Fest- stellungen der vorliegenden Arbeit, sowie ihre kritische Würdigung, auch in Be- zug auf mögliche zukünftige Gesetzesänderungen.

2 Differenzierung zwischen der Erst- und Zweitausbil- dung

Im deutschen Einkommensteuerrecht wird zwischen der sog. Erst- und Zweitaus- bildung unterschieden. Im folgenden Kapitel werden diese beiden Ausbildungsar- ten zunächst unabhängig voneinander definiert und anschließend voneinander ab- gegrenzt. Des Weiteren wird auf denkbare Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen einer sog. Vorabausbildung eingegangen und die steuerlichen Auswirkungen der Einordnung in Erst- oder Zweitausbildung behandelt.

2.1 Abgrenzungsmerkmale zwischen der Erst- und Zweitausbil- dung

Zu de

2.2 Gewinneinkünfte nach § 18 EStG

Im Gegensatz zu den Einkünften nach § 15 EStG findet sich für die Einkünfte nach § 18 EStG keine Legaldefinition. Sie werden lediglich in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG exemplarisch aufgelistet und umfassen hauptsächlich die § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten freiberuflichen Tätigkeiten. Darunter sind wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende und erzieherische Tätigkeiten, so- wie die Ausübung der sog. Katalogberufe, die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ange- führt werden, zu verstehen. Zu den Katalogberufen gehören, um einmal die gän- gigsten Beispiele zu nennen, die selbstständige Tätigkeit von Ärzten, Rechtsanwäl- ten, Architekten und Steuerberatern. Hinzukommend werden im § 18 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 EStG die den Katalogberufen ähnliche Berufe zu den Einkünften aus selbst- ständiger Arbeit subsumiert.

Die Ausübung eines Katalogberufes erfordert in der Regel eine gesetzlich vorge- schriebene Berufsausbildung oder das Ablegen einer gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung, sodass nur derjenige diesen Beruf ausübt, der auch berechtigt ist die Be- rufsbezeichnung zu führen.6 So setzt bspw. die Ausübung einer selbstständigen Tä- tigkeit als Steuerberater zwingenderweise die vorherige Bestellung zum Steuerbe- rater durch die entsprechende Kammer voraus.7

Ferner beinhaltet § 18 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG auch die Einkünfte aus sonstigen selbstständigen Tätigkeiten, zu denen die Einkünfte als staatlicher Lotterieeinneh- mer, Testamentsvollstrecker, Vermögensverwalter und Aufsichtsratsmitglied gehö- ren. Diese Einkünfte stellen allerdings nur einen nebensächlichen Teil der Ein- künfte nach § 18 EStG dar, sodass sie im weiteren Verlauf der Arbeit nicht näher betrachtet werden.

Grundsätzlich gelten die bereits in Unterkapitel 2.1 genannten Positivmerkmale zum Vorliegen eines Gewerbebetriebes, nämlich die Selbstständigkeit, Nachhaltig- keit, Gewinnerzielungsabsicht und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, ebenfalls für das Vorliegen von Einkünften nach § 18 EStG.8 Das Nega- tivmerkmal des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG, nämlich der Ausschluss von Einkünften nach § 18 EStG, verdeutlicht, dass es sich bei den Einkünften nach § 18 EStG um eine spezielle Einkunftsart handelt, die den Einkünften nach § 15 EStG vorgeht.9 Aufgrund der nahezu identischen Tatbestandsmerkmale zum Vorliegen von Ein- künften nach § 15 oder § 18 EStG ergeben sich vor allem bei den katalogähnlichen Berufen, die nicht ausdrücklich im § 18 EStG genannt werden, oftmals Klassifizie- rungsschwierigkeiten.10

Zum bedeutsamsten Abgrenzungskriterium gehört die Unterscheidung, ob der Ein- satz der persönlichen Arbeitskraft des Geschäftsinhabers oder der reine Kapitalein- satz im Vordergrund steht.11 Bei den Einkünften nach § 18 EStG werden eine ei- genverantwortliche Arbeitsweise, eigener Arbeitseinsatz des Unternehmers, sowie weitreichende fachliche Kenntnisse vorausgesetzt.12 Es ist fraglich, inwiefern diese Abgrenzung in der heutigen Zeit noch Bestand hat. Laut der Auffassung von Schef- fer, der m. E. zu folgen ist, ist die Klassifizierung der Einkünfte hinsichtlich dieser Merkmale als nicht zeitgemäß anzusehen.13 Aufgrund der immer stärkeren Einbin- dung von Dienstleistungen auch in Gewerbebetriebe, spielt bei diesen die persönli- che Arbeitskraft des Geschäftsinhabers ebenso eine wichtige Rolle. Zur Erbringung diverser Dienstleistungen ist in vielen Fällen eine fachliche Aus- bzw. Vorbildung notwendig. Auf der anderen Seite tätigen auch viele Freiberufler hohe Investitionen in längerfristiges Anlagevermögen, sodass dann auch bei den Einkünften nach § 18 EStG ein gewisser Kapitaleinsatz zu verzeichnen ist. Des Weiteren haben sich in den letzten Jahren eine Reihe neuartiger Berufe entwickelt, welche den Charakter der selbstständigen Einkünfte aufweisen, allerdings noch keinen Eingang in die Auflistung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gefunden haben.14 Ihre Einordnung zu einer der beiden Einkunftsarten gestaltet sich folglich als problematisch.

Trotz alledem wird diese historische Kategorisierung der gewerblichen und selbst- ständigen Einkünfte auch heute noch angewandt. So gilt als Anhaltspunkt für die Ausübung eines dem Katalogberuf ähnlichen Berufes eine umfassende Vor- bzw. Ausbildung und die eigene Mitarbeit des Steuerpflichtigen.15 Unter umfassender Ausbildung ist i. d. R. eine wissenschaftliche Ausbildung an einer Hochschule zu verstehen, die mit der eines Katalogberufes vergleichbar ist. Alternativ kann der Steuerpflichtige seine Vorbildung durch ein Selbststudium erwerben (sog. Autodi- dakt).16 Der Steuerpflichtige hat seine Vorbildung bspw. durch die Teilnahme an Kursen oder ein Selbststudium gegenüber der Finanzverwaltung nachzuweisen.17 Das Selbststudium muss dabei der Tiefe und Breite nach mindestens den Kernbe- reich eines entsprechenden Hochschulstudiums abdecken.18

Von besonderer Bedeutung für die Einkünfte nach § 18 EStG ist zudem, dass der Berufsträger leitend und eigenverantwortlich tätig ist.19 Dabei darf er sich zwar auch der Hilfe von fachlich ausgebildeten Arbeitskräften und Subunternehmern be- dienen, allerdings hat er ihre erbrachten Vorleistungen stets zu überprüfen und ihnen seinen „Persönlichkeitsstempel“ aufzudrücken.20

Personengesellschaften erzielen ebenfalls Einkünfte nach § 18 EStG, sofern es sich um einen Zusammenschluss von natürlichen Personen handelt, die ausschließlich freiberuflich tätig sind. Die reine kapitalmäßige Beteiligung eines Gesellschafters ist ungeachtet seiner Beteiligungshöhe schädlich und führt zur Umqualifizierung der Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb.21 Unschädlich hingegen für die Erzie- lung von freiberuflichen Einkünften ist, wenn die Gesellschafter unterschiedliche freiberufliche Tätigkeiten ausüben.22

2.3 Steuerliche Konsequenzen aus der Klassifizierung der Einkünfte

Die Entscheidung darüber, ob es sich bei den Einkünften um solche aus § 15 oder § 18 EStG handelt, hat weitreichende steuerliche Folgen. Werden Einkünfte nach § 15 EStG bejaht, so resultiert daraus nach § 2 Abs. 1 GewStG eine Gewerbesteuer- pflicht. Einkünfte nach § 18 EStG genießen hingegen das Privileg, nicht der Ge- werbesteuer zu unterliegen.

Weiterhin sind Gewerbetreibende handelsrechtlich nach § 238 Abs. 1 HGB buch- führungs- und bilanzierungspflichtig. Dies gilt nach § 140 AO entsprechend auch steuerrechtlich.23 Eine Ausnahme von der handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflicht ist durch § 241a HGB gegeben. Demnach können Einzelkauf- leute, die die in § 241a HGB aufgeführten Umsatz- und Gewinngrenzen unter- schreiten, auf die Führung von Büchern und Bilanzierung verzichten. Ein Äquiva- lent zu dieser Befreiung ist im Steuerrecht unter § 141 AO zu finden. 24 Freiberufler hingegen sind unabhängig von Umsatz- oder Gewinngrenzen weder handels- noch steuerrechtlich buchführungs- und bilanzierungspflichtig. Sie haben ihren Gewinn lediglich mithilfe einer steuerlichen Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Es steht ihnen allerdings auch frei, eine Steuerbilanz nach § 4 Abs. 1 EStG aufzustellen.

Ein weiterer Vorteil bei der Erzielung von Einkünften nach § 18 EStG bietet sich im Hinblick auf die Umsatzsteuer. Im Gegensatz zum Gewerbetreibenden handelt es sich bei einem Freiberufler unabhängig von der Umsatzhöhe um einen sog. Ist- Versteuerer nach § 20 Nr. 2 UStG. Das bedeutet, dass der Unternehmer die Um- satzsteuer auf seine Umsätze erst zum Zeitpunkt des tatsächlichen Geldzuflusses nach § 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung anzumelden und an die Finanzverwaltung abzuführen hat.25 Diese Regelung ist m. E. vor allem aus Liquiditätsgesichtspunkten vorteilhaft, da das Rechnungsdatum und der tat- sächliche Zahlungseingang des Rechnungsbetrages oftmals nicht in einen Voran- meldungszeitraum zusammenfallen, bspw. aufgrund länger gewährter Zahlungs- ziele. Im Gegensatz zur Ist-Besteuerung hat der Unternehmer bei Anwendung der sog. Soll-Besteuerung die Umsatzsteuer bereits im Voranmeldungszeitraum der Leistungsausführung anzumelden und abzuführen.26 Folglich muss er in vielen Fäl- len die Umsatzsteuer „in Vorkasse“ an die Finanzverwaltung abführen, wodurch seine Liquidität eingeschränkt wird.

3 Der Normierungsinhalt des § 35 EStG

Das nachfolgende Kapitel gibt zunächst einen Überblick über die Historie des § 35 EStG und erläutert diese Anrechnungsnorm in Bezug auf ihre Besonderhei- ten beim Ermäßigungshöchstbetrag, sowie bei Mitunternehmerschaften. Im An- schluss wird eine Analyse einer möglichen Überkompensation durch § 35 EStG im Hinblick auf die Annexsteuern durchgeführt und anhand eines Zahlenbeispiels quantifiziert.

Auf die Besonderheiten bei Tonnagegewinnen, mehrstöckigen Personengesell- schaften und Organschaften wird in der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen.

3.1 Begründung und Entwicklung des § 35 EStG

Gewerbliche Einkünfte nach § 15 EStG, die von Einzel- oder Mitunternehmern, sowie persönlich haftenden Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft auf Ak- tien (KGaA) erzielt werden, unterliegen einer steuerlichen Doppelbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer, wohin gegen die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach § 18 EStG lediglich mit Einkommensteuer belastet werden. Zur Ein- dämmung dieser Ungleichbehandlung von gewerblichen und nicht gewerblichen Einkünften und somit einer Angleichung der Ertragsteuerbelastung dieser beiden Einkunftsarten, wurde im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2001 die Entlas- tungsvorschrift des § 35 EStG geschaffen.27 Sie löste damit die vorherige Tarifbe- grenzung der Einkommensteuer auf die gewerblichen Einkünfte nach § 32c EStG a. F. ab, die seit ihrer Einführung in 1994 als verfassungswidrig deklariert wurde.28 Darüber hinaus ist § 35 EStG der Annäherung an eine rechtsformunab- hängige Besteuerung zweckdienlich, da bei der Besteuerung von natürlichen Per- sonen verglichen mit juristischen Personen Diskrepanzen bestehen.29 Während das zu versteuernde Einkommen von juristischen Personen30 einem seit 2008 ge- Kapitalgesellschaften. minderten Körperschaftsteuersatz nach § 23 Abs. 1 KStG in Höhe von 15 % un- terliegt, kann der Einkommensteuersatz einer natürlichen Person nach § 32a Abs. 1 EStG bis zu 45 % 31 betragen.

Die Anwendung des § 35 EStG a. F. war erstmals für den Veranlagungszeitraum (VZ) 2001 möglich.32 Bis zum VZ 2007 erfolgte eine zweistufige Entlastung von der Doppelbelastung. Zum einen wurde nach § 35 EStG a. F. eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die geminderte tarifliche Einkommensteuer33 des Steuerpflichtigen in Höhe des 1,8-fachen des (anteiligen) Gewerbesteuermess- betrages durchgeführt.34 Zum anderen wurde der Gewinn aus Gewerbebetrieb durch den Abzug der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe gemindert, sodass sich auch eine verminderte Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ergab. Die für den Steuerpflichtigen wünschenswerte vollständige Kompensation von der Gewerbesteuer wurde bei einem Gewerbesteuerhebesatz i. H. v. rd. 310 % er- reicht.35

Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 erfolgte eine Überarbeitung des § 35 EStG a. F., die vor allem eine Anhebung des Anrechnungsfaktors von 1,8 auf 3,8 vorsah. Damit versuchte der Gesetzgeber die Absenkung des Körperschafts- steuersatzes von 25 % auf 15 %, sowie den Ausschluss der Gewerbesteuer vom steuerlichen Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 5b EStG zu kompensieren.36 Ferner wurde das Anrechnungsvolumen auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbe- steuer beschränkt, wodurch jegliche Möglichkeiten von Überentlastungen verhin- dert werden sollten.37

Überlegungen im Hinblick auf eine komplette Abschaffung der Gewerbesteuer sind in Ermangelung einer gleichwertigen Alternative wieder verworfen worden, da Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG den Gemeinden eine eigene wirtschaftskraftbezogene Einnahmequelle mit Hebesatzrecht zusichert.38 Folglich würde ihre Abschaffung einen Eingriff in die Finanzautonomie der Gemeinden bedeuten, der verfassungs- rechtlich ohne weiteres nicht möglich ist. 39 Außerdem würden die Gemeinden durch eine Abschaffung der Gewerbesteuer hohe finanzielle Einbuße erfahren.

Im Jahr 2016 bspw. generierten deutsche Gemeinden Steuereinnahmen aus den Gemeindesteuern40 i. H. v. insgesamt rd. Mrd. Euro 63,80. 41 Der Anteil der Ge- werbesteuer hieran hat rd. Mrd. Euro 50,10 betragen, somit in etwa 78,50 %, so- dass sie die wichtigste originäre Einnahmequelle der Gemeinden darstellt.

Auch eine Anrechnung der tatsächlich gezahlten Gewerbesteuer als eine Art Ein- kommensteuervorauszahlung auf die Einkommensteuer, wird als nicht durchsetz- bar angesehen, da sie einen Eingriff in das Finanzausgleichssystem des Art. 106 GG bedeuten würde und damit folglich verfassungswidrig wäre.42

Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des § 35 EStG n. F. bestehen im Üb- rigen nicht.43

3.2 Die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer

Die Norm des § 35 EStG in seiner neuen Fassung kann ab dem VZ 2008 von be- schränkt und unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen,44 die gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 15 EStG erzielen, angewandt werden. Auf Ka- pitalgesellschaften findet die Anrechnungsvorschrift hingegen keine Anwendung, auch dann nicht, wenn diese Mitunternehmer einer Personengesellschaft sind und ihnen folglich ein anteiliger Gewerbesteuermessbetrag zugewiesen wird.45

§ 35 EStG sieht eine Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer durch die pau- schalierte Anrechnung der Gewerbesteuer vor. Dabei beträgt die größtmögliche Ermäßigung46 das 3,8-fache des für den jeweiligen VZ nach § 14 GewStG festge- setzten (anteiligen) Gewerbesteuermessbetrags und ist von der sog. geminderten tariflichen Einkommensteuer abzuziehen. Bei der geminderten tariflichen Ein- kommensteuer handelt es sich um die tarifliche Einkommensteuer nach § 32a EStG nach Abzug der sonstigen vorrangigen Steuerermäßigungen, zu denen sol- che nach §§ 34, 34a, 34b, 34e und 35b EStG, sowie die Anrechnung ausländischer Steuern nach § 32d Abs. 6 S. 2 EStG, gehören. Durch die Priorität der vorgenann- ten Ermäßigungsvorschriften wird automatisch das Anrechnungspotenzial des § 35 EStG geschmälert.

[...]


1 Vgl. Rose/Watrin (2017): 31f.

2 Vgl. Kreft (2014): 18.

3 Vgl. Beck et al. (2015): 153.

4 Vgl. Bornhofen/Bornhofen (2011): 29-34.

5 Zu den Ertragsteuern gehören die Einkommensteuer mitsamt ihren Zuschlagsteuern, die Körper- schaftsteuer, sowie die Gewerbesteuer. Vgl. Rose/Watrin (2017): 23.

6 Vgl. H 15.6 EStR.

7 Erst dann führt er die Berufsbezeichnung „Steuerberater“.

8 Vgl. H 15.6 EStR.

9 Vgl. Scheffer (2016): 66.

10 Vgl. Birk/Desens/Tappe (2014): 230.

11 Vgl. Wacker (2015b): Z. 6.

12 Vgl. H 15.6 EStR.

13 Vgl. Scheffer (2016): 67.

14 Vgl. Preißler (2014): 225.

15 Vgl. H 15.6 EStR.

16 Vgl. Birk/Desens/Tappe (2014): 231.

17 Vgl. H 15.6 EStR.

18 Vgl. H 15.6 EStR.

19 Vgl. H 15.6 EStR.

20 Vgl. Birk/Desens/Tappe (2014): 232.

21 Vgl. H 15.6 EStR.

22 Vgl. H 15.6 EStR.

23 Sog. abgeleitete Buchführungspflicht. Vgl. Bornhofen/Bornhofen (2011): 9.

24 Vgl. Bornhofen/Bornhofen (2011): 10.

25 Vgl. Bornhofen/Bornhofen (2012): 331.

26 Vgl. Bornhofen/Bornhofen (2012): 330.

27 Vgl. Wacker (2015c): Z. 2.

28 Vgl. Wendt (2001): 95.

29 Vgl. Wacker (2015c): Z. 2.

30 Zu den körperschaftsteuerpflichtigen juristischen Personen gehören nach § 1 KStG vor allem die

31 Spitzensteuersatz der letzten Tarifzone, vgl. § 32a Abs. 1 EStG.

32 Dies galt auch für abweichende Wirtschaftsjahre, die in 2001 endeten. Vgl. BMF (2016): Z. 1.

33 Zur Erklärung, was unter der „geminderten tariflichen ESt“ zu verstehen ist, siehe Unterkapitel 3.2.

34 Vgl. Littmann/Bitz/Pust (2017): Z. 3.

35 Vgl. Littmann/Bitz/Pust (2017): Z. 3.

36 Vgl. Wacker (2015c): Z.4.

37 Vgl. Littmann/Bitz/Pust (2017): Z. 4.

38 Vgl. Wendt (2001): 95.

39 Vgl. Littmann/Bitz/Pust (2017): Z. 5.

40 Zu den Gemeindesteuern zählen vor allem die Grund- und Gewerbesteuer.

41 Vgl. URL: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steu- ern/Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2017-05-05-gewerbesteuereinnahmen-2016.pdf? blob=publicationFile&v=2, Abruf am 23.10.2017.

42 Vgl. Littmann/Bitz/Pust (2017): Z. 39.

43 Vgl. Littmann/Bitz/Pust (2017): Z. 35f.

44 Es findet sich keine Sondervorschrift für beschränkt Steuerpflichtige im § 50 Abs. 1 EStG in Be- zug auf § 35 EStG.

45 Vgl. Wacker (2015c): Z. 25.

46 Sog. potentielles oder maximales Anrechnungsvolumen. Vgl. bspw. Wacker (2015c): Z. 12.

Was versteht man unter Einkünfte aus Gewerbebetrieb?

Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind z.B. die Einkünfte eines Gemüsehändlers (Einzelunternehmer) oder die Gewinnanteile eines OHG-Gesellschafters einer Schreiner-OHG. Diese Einkünfte unterliegen dann sowohl der Einkommensteuer als auch der Gewerbesteuer. Alternative Begriffe: gewerbliche Einkünfte.

Was ist der Unterschied zwischen Einnahmen und Einkünften?

Unter Einnahmen versteht man einen Zufluss an Geld oder geldwerten Vorteilen, z.B. das Bruttogehalt, Kapitalerträge wie etwa Zinsgutschriften oder Betriebseinnahmen aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen. Der Begriff Einkünfte bezeichnet einen Saldo, nämlich die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben.

Welche Einkünfte gehören zu welcher Einkunftsart?

Das Einkommensteuergesetz (EStG) kennt insgesamt 7 Einkunftsarten. Hierzu gehören die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit, nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und die sonstigen Einkünfte.

Wie beweise ich Gewinnerzielungsabsicht?

Anscheinsbeweis - der Totalgewinn Die Gewinnerzielungsabsicht kann nur anhand äußerer Merkmale dargelegt werden, die anhand von sogenannten Anscheinsbeweisen vom Finanzamt beurteilt werden. Der Unternehmer hat hierbei die objektive Feststellungs- und Beweislast.