Welche Unterschiede gibt es zu Seniorenheim?

Interview

Pflegealltag im Pflegeheim aus der Sicht einer Pflegekraft – 10 Fragen an Franziska Höppner

Im Interview

Franziska Höppner

Altenpflegerin und Fachkraft für gerontopsychiatrische Pflege und Betreuung

Franziska Höppner ist nach einer Ausbildung in einer Bank in die Pflege gekommen und hat sich seit 2009 durchgehend weitergebildet: von der Altenpflege-Ausbildung über die Fachwirtin im Gesundheitswesen bis hin zur Fachkraft für gerontopsychiatrische Pflege und Betreuung. Heute ist sie mit 27 Jahren stellvertretende Pflegedienstleitung.

Franziska Höppner ist stellvertretende Pflegedienstleitung eines Pflegeheims, dem Seniorenhaus Riedenburg. Im Interview mit pflege.de erzählt sie, was sie als junge Frau an der Pflege fasziniert, und gibt einen Einblick in den Alltag eines Pflegeheims. Dabei räumt sie mit dem verstaubten Image von Pflegeheimen auf und zeigt, dass es auch anders geht.

Liebe Franziska, wenn man sich Deinen beruflichen Werdegang ansieht, merkt man schnell, dass Du als junge Frau für die Pflege brennst. Du hast nach der Schule zunächst eine Ausbildung als Versicherungskauffrau gemacht, dann der Bank den Rücken gekehrt und eine Ausbildung zur Altenpflegerin angeschlossen. Nach einigen Fortbildungen bist Du inzwischen mit 27 Jahren stellvertretende Pflegedienstleitung.

1. Was macht die Pflege für eine junge Frau wie Dich so attraktiv? Und wie bist Du zur Pflege gekommen?

Als Versicherungskauffrau habe ich hauptsächlich im Büro gearbeitet und hatte relativ wenig Kontakt zu Menschen. Ich wünschte mir schnell mehr Bezug zu Menschen und sinnvollere Aufgaben. Parallel stellte sich innerhalb meiner Familie die Frage über die Nachfolge des elterlichen Betriebes, einem privaten Alten- und Pflegeheim. Von klein an habe ich Einblicke in die Aufgaben der Pflege und Betreuung gewonnen und schon immer in unserem Seniorenhaus mitgearbeitet. Diese verschiedenen Aspekte haben mich letztendlich dazu veranlasst, mich beruflich umzuorientieren.

2. Was fasziniert Dich am Thema Pflege?

Menschlich fasziniert mich der Austausch mit den älteren Menschen. Wenn man offen auf die Bewohner zugeht, erhält man sehr interessante Einblicke in die Lebensgeschichten der Senioren und bekommt oft sehr viel Dankbarkeit zu spüren. Für mich ist es besonders wichtig, unseren Bewohnern gerade im letzten Lebensabschnitt viele positive Erlebnisse zu ermöglichen und dazu beizutragen, dass sie sich wohl fühlen.

Fachlich fasziniert mich an der Pflege besonders, wie man durch aktivierende Pflege gezielt die Fähigkeiten und Ressourcen der Bewohner fördern und erhalten kann. Wenn man die Pflege ernst nimmt und aktivierende Ansätze verfolgt, kann man als Pflegekraft sehr viel zur Eigenständigkeit und Mobilität älterer Menschen beitragen. Das liegt mir am Herzen.

3. Was macht Dir an der täglichen Arbeit am meisten Spaß?

Ich schätze die Vielseitigkeit des Berufs sehr. Kein Tag gleicht dem anderen. Täglich passieren zahlreiche, schöne Erlebnisse, wenn man sich auf die älteren Menschen einlässt.

Zusammen mit meinen Kollegen arbeite ich in unserer Einrichtung zudem gezielt daran, kreative und abwechslungsreiche Angebote zu organisieren: von der Aromatherapie, Klangtherapie und der Basalen Stimulation über Freizeitangebote wie eine Schifffahrt und Marktbesuche bis hin zur gemeinsamen Gestaltung von jahreszeitlichen Festen und Feiern. Wir wollen den Bewohnern immer neue Reize und Erlebnisse bieten. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, den biographischen Hintergrund der Bewohner zu erkennen. Das ist eine Aufgabe, die mir besonders viel Spaß macht und den Bewohner oftmals in ein völlig anders „Licht“ rückt. Wenn man die Bewohner und ihre Lebensgeschichte besser kennt, verstehe ich als Pflegekraft die eine oder andere Verhaltensweise viel besser, finde einen besseren Zugang zu ihr/ihm und kann sie/ihn durch gezielte Aktivitäten fördern.

Täglich passieren zahlreiche, schöne Erlebnisse, wenn man sich auf die älteren Menschen einlässt.

Franziska Höppner

4. Wie sieht ein typischer Tag in eurem Pflegeheim aus?

Aus Sicht der Pflege haben wir einen strukturgebenden Tagesablauf, aus der Perspektive des Bewohners kann dieser aber täglich anders sein – abhängig von seiner Stimmungslage, seinen Wünschen und Vorstellungen. Grundsätzlich merken wir, dass für viele Bewohner die Mahlzeiten ein wichtiger Tagesordnungspunkt sind. Wir lassen uns daher für dieses Event viel Zeit. Zwischen den Mahlzeiten bieten wir am Vormittag und Nachmittag zahlreiche soziale Aktivitäten an. Natürlich können Bewohner aber auch einfach mal „nur“ die Seele baumeln lassen und bei gutem Wetter in einem Sessel im Garten liegen.

Um dennoch einen beispielhaften Einblick in den Tagesablauf zu geben, kann ich ja mal einen möglichen Ablauf bei uns skizzieren:

Die Bewohner stehen morgens auf und wir helfen bei der Grundpflege und der Auswahl der Kleidung, anschließend frühstücken wir gemeinsam im Speisessaal. An das Frühstück schließt sich ein Gesprächskreis und eine Zeitungsrunde an, in der wir über das aktuelle Tagesgeschehen sprechen. Hier interessieren sich die Bewohner oft für die aktuellen Horoskope und den Lokalteil unserer Tageszeitung, da die meisten Bewohner aus der Gegend kommen. Nach dem Mittagessen stehen am Nachmittag unterschiedliche Angebote an. Dazu gehören z. B. der Männerstammtisch, Gottesdienste, Gymnastikgruppen, Bastelrunden, Spielenachmittage, Ausflüge in die Umgebung etc. – auch immer abhängig vom Wetter und der aktuellen Stimmung. Uns ist sehr wichtig, dass Bewohner nicht sozial isoliert werden. Von allen Bewohnern (derzeitig 70) sind aktuell nur zwei Bewohner dabei, die das Zimmer nicht verlassen können oder möchten. Teilhabe ist einer der zentralen Aspekte, an denen wir aktiv und kontinuierlich mit den Betroffenen arbeiten. Auch für die Bewohner, die das Zimmer nicht mehr verlassen können oder möchten, haben wir eine spezielle Angebotspalette entwickelt, um ihnen die Außenwelt nahe zu bringen. Abends essen wir gemeinsam und jeder lässt den Abend ausklingen wie er mag. Die einen unterhalten sich noch in den Gemeinschaftsräumen, die anderen sind lieber für sich auf ihrem Zimmer oder schauen noch fern.

5. Das klingt ja abwechslungsreich und anders als das Bild, das viele Menschen von Pflegeheimen im Kopf haben. Was glaubst Du würde Außenstehende am meisten überraschen, wenn sie einmal Mäuschen in einem Pflegeheim spielen würden?

Mit welcher Lebensfreude und Teilhabe einige Bewohner am Alltag teilnehmen! Das verstaubte Image von Pflegeheimen hält sich leider immer noch hartnäckig, ja, und viele denken immer noch, dass die Menschen zum Sterben in ein Pflegeheim ziehen. Das muss aber auf keinen Fall so sein. Durch die Aktivitäten und Einbindung in der Einrichtung entwickeln sich oft noch einmal ganz neue Seiten an den Bewohnern und die Menschen blühen richtig auf, übernehmen teilweise sogar neue Verantwortungen und freuen sich über die Gemeinschaft mit Gleichaltrigen und Gleichgesinnten. Viele waren ja auch oft alleine und einsam zuhause, bevor sie ins Heim gezogen sind.

Was viele überraschen würde? Mit welcher Lebensfreude und Teilhabe einige Bewohner am Alltag teilnehmen! Viele Menschen blühen im Pflegeheim nochmal richtig auf!

Franziska Höppner

6. Was ist Dir bei der Betreuung von Bewohnern wichtig? Worauf legst Du besonderen Wert, was ist Dein Anspruch?

Ich finde es wie gesagt sehr wichtig, die noch vorhandenen Fähigkeiten der Bewohner zu fördern und zu erhalten sowie ihre aktive Teilhabe am sozialen Leben zu fördern.

Durch meine Weiterbildungen habe ich auch speziell meinen Blick für die Möglichkeiten der Betreuung von Menschen mit Demenz geschärft. Im Umgang mit Menschen mit Demenz zählt der Moment und die Situation im „Hier und Jetzt“, geprägt von ehrlichen Gefühlsmomenten und intensiver Zuwendung. Dafür versuche ich mir im Alltag Zeit zu nehmen und Menschen mit Demenz gezielt zu betreuen.

7. Was sind Deiner Erfahrung nach Dinge, die Bewohnern und ihren Familien am meisten am Herzen liegen? Was erwarten Ehepartner, Kinder und Enkelkinder von Pflegekräften in einem Pflegeheim?

Den meisten Familien ist es wichtig, dass ihr Angehöriger sich wohl fühlt, die Zimmer und Räumlichkeiten ansprechend sind, das Essen gut schmeckt und die Kosten möglichst gering sind. Zudem haben wir schon öfter das Feedback bekommen, dass es Familienangehörigen wichtig ist, einen festen Ansprechpartner zu haben. Manchmal wohnt die Familie ja nicht am gleichen Ort und dann ist es gut, wenn man einen Ansprechpartner hat, der einem die gesundheitliche Situation des Angehörigen auch am Telefon ehrlich und vertraulich schildern kann.

8. Angehörige fühlen sich häufig schlecht und haben Schuldgefühle, wenn sie ihr pflegebedürftiges Familienmitglied nicht mehr zuhause versorgen (können), sondern an ein Pflegeheim „abgeben“. Mit welchen Argumenten kannst Du sie beruhigen?

Wir beobachten häufig, dass pflegebedürftige, ältere Menschen mit dem Heimeinzug regelrecht aufblühen und die sozialen Kontakte in der Gemeinschaft wieder neue Ressourcen aktivieren. Viele ältere Menschen waren in ihrer alten Umgebung isoliert und mit den täglich anfallenden Aufgaben überfordert, sodass sie das neue Zuhause in der Gesellschaft Gleichgesinnter schnell annehmen und genießen – und das versuchen wir den Angehörigen zu zeigen. Familien können außerdem vor der Entscheidung für ein Heim mehrmals in die Einrichtung gehen und sich ein Bild davon machen, ob die Einrichtung zu ihrem Angehörigen passt und er sich wohlfühlen kann. Wenn sie davon überzeugt sind, fällt es ihnen leichter, ihren Angehörigen „zu übergeben“.

Familienmitglieder sind weiterhin wichtige Bezugspersonen, auf die auch die Pflegekräfte bauen.

Franziska Höppner

Wichtig ist aber auch, dass sich Familienmitglieder klarmachen, dass sie weiterhin wichtige Bezugspersonen sind, auf die auch die Pflegekräfte bauen. Nur weil der Partner, die Eltern oder Großeltern nicht mehr zuhause wohnen, heißt das nicht, dass sie nicht mehr Teil der Familie sind. Durch Besuche und gemeinsame Unternehmungen können sich Familien vielmehr verstärkt wieder auf die schönen Dinge mit ihrem Familienmitglied konzentrieren – und die Pflege übernehmen wir.

9. Was ist Deiner Meinung nach der größte Vorteil der stationären Pflege im Vergleich zu anderen Versorgungsformen?

Der kontinuierliche Kontakt und der Aufbau einer mitunter sehr intensiven Beziehung zwischen dem Bewohner und den Pflegekräften sowie die Gemeinschaft der Bewohner mit Gleichaltrigen und Gleichgesinnten.

Expertenmeinung

…ich weiß, dass die Pflege für den Bewohner aber gleichzeitig auch für mich als Pflegeperson Spaß und Lebensfreude bringen kann.

Franziska Höppner

Altenpflegerin und Fachkraft für gerontopsychiatrische Pflege und Betreuung

10. Vielen Dank für das spannende Interview. Hast Du abschließend noch ein paar Tipps für Familien, wie sie herausfinden können, wann der richtige Zeitpunkt für den Einzug in ein Pflegeheim ist?

Sehr gerne. Und na klar: Der richtige Zeitpunkt für eine stationäre Versorgung ist meiner Meinung nach immer dann gegeben, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass sich der Betroffene isoliert fühlt und die Kontakte zur Außenwelt abbrechen. Ebenso wenn sich abzeichnet, dass die Alltagstätigkeiten nicht mehr erledigt werden können und der Betroffene sich damit überfordert fühlt. Ein weiterer Punkt ist, wenn z. B. bei Betroffenen mit einer Demenz ein Selbstgefährdungsrisiko vorliegt.

Auch wenn sich pflegende Angehörige mit der Pflege- und Betreuungssituation aus den unterschiedlichsten Gründen überfordert fühlen, ist es an der Zeit, über einen Platz in einem Pflegeheim nachzudenken. Das schafft Entlastung für die Familie und dennoch eine Rundum-Versorgung für das pflegebedürftige Familienmitglied.

Um die Versorgung in einem Pflegeheim erst mal zu „beschnuppern“, empfehle ich Familien immer die Kurzzeitpflege. Sie dient dazu, den Angehörigen Zeit für die langfristige Organisation der Pflege ihres bedürftigen Familienmitglieds zu verschaffen und auf der anderen Seite dazu, die Pflegeeinrichtungen kennenzulernen. Der Pflegebedürftige wohnt dann quasi erst einmal „zur Probe“. Dabei merkt man schnell, ob er sich wohl fühlt und der Pflegeansatz sowie das Klima im Pflegeheim zu den Wünschen der Familie passt.

Erstelldatum: 7102.50.01|Zuletzt geändert: 1202.30.61

Interview

Der Grüne Haken: Hohe Lebensqualität im Pflegeheim

Im Interview

Ute Hecht

Ute Hecht ist 49 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder und einen Hund. Mit ihrer Familie lebt sie in Frankfurt am Main. Sie hat Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte studiert. Seit 2017 ist sie für die Öffentlichkeitsarbeit von Heimverzeichnis und Grüner Haken zuständig.

Der Grüne Haken ist ein Prüfsiegel, das eine hohe Lebensqualität in Pflegeheimen und Seniorenresidenzen bescheinigt. Über ein Heimverzeichnis können Menschen auf der Suche nach einem Seniorenheimplatz Einrichtungen finden, die durch besondere Betreuungskonzepte überzeugen. Im Gespräch mit der Pressesprecherin vom Grünen Haken, Ute Hecht, erfahren wir, dass herausragende Einrichtungen oft erst durch eine engagierte Heimleitung zustande kommen.

Schön, dass Sie Zeit haben, mit uns zu sprechen, Frau Hecht. Erklären Sie uns doch einmal genau: Was ist der Grüne Haken und wie kam es dazu, das Projekt ins Leben zu rufen?

Der Grüne Haken ist ein Prüfsiegel, das Pflegeheimen und Seniorenresidenzen eine hohe Lebensqualität bescheinigt. Das Projekt wurde im Jahr 2007 aufgesetzt. Damals gab es einen runden Tisch mit Ilse Aigner, der damaligen Bundesministerin für Verbraucherschutz. Man hatte festgestellt, dass es kein Portal für den Verbraucher gibt, wo man sich über alle Pflege- und Seniorenheime informieren kann, die es in Deutschland gibt. Außerdem gab es das Anliegen, die Lebensqualität der Bewohner in den Pflegewohnheimen zu verbessern. Deswegen ist das Heimverzeichnis online gegangen, um nicht nur alle Einrichtungen zu verzeichnen, sondern auch diejenigen herauszustellen, die den Grünen Haken haben.

Kann man also sagen, dass die Einführung des Grünen Hakens eine Reaktion auf Missstände in der deutschen Pflegeheim-Landschaft ist?

Nein. Das Problem ist Folgendes: Das Pflegeheim ist eine Art Schreckgespenst. Man hat die Angst, dass man sein ganzes Menschsein zurücklässt, wenn man in ein Pflegeheim einzieht. Dass man nicht mehr selbst über sein Leben bestimmen kann, sondern dass man nun mehr oder weniger in einer Verwahranstalt ist. So soll es natürlich nicht sein. Idealerweise kann der Mensch in einem Pflegeheim seine Gewohnheiten fortführen. Wenn es bspw. für jemanden mehr Lebensqualität bedeutet, morgens spät aufzustehen und spät zu frühstücken, dann soll er das eben weiterführen können.

Aber ist der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) nicht eigentlich dafür da, die Qualität in den Pflegeheimen zu prüfen? Wo liegt der Unterschied zum MDK?

Das Prüfsiegel „Der Grüne Haken“ bescheinigt Pflegeheimen eine hohe Lebensqualität.

Verkürzt gesagt: Der MDK prüft die Pflege, wir prüfen die Lebensbedingungen. Bei den von uns geprüften Einrichtungen handelt es sich nicht um Häuser, bei denen alles schiefläuft, eher im Gegenteil. Die Prüfung durch den MDK ist ja gesetzlich geregelt und vorgeschrieben. Unsere Prüfung wiederum ist freiwillig. Das heißt, es lassen sich Heime begutachten, die meistens von vorneherein schon ein ganz gutes Pflegekonzept haben und die davon ausgehen können, dass sie auch den Grünen Haken erhalten.

Bei der MDK-Prüfung werden die medizinischen und pflegerischen Standards überprüft. Zum Beispiel, ob es korrekt und detailliert genug dokumentiert wird, wenn ein Pfleger eine Wunde bei einem Heimbewohner feststellt. Der MDK schaut, ob die Leistungen erbracht werden, für die die Krankenkassen zahlen. Es gibt aber nichts, was darüber hinaus geht. Es wird nicht geprüft, ob der Mensch sich in dieser Einrichtung wohlfühlt. Und 2007 wurde eben festgestellt, dass es den Bedarf gibt, dahingehend etwas zu verbessern.

Wie läuft eine Begutachtung für den Grünen Haken ab und wer führt sie durch?

Die Begutachtung dauert ca. fünf bis sechs Stunden, es kann aber auch länger dauern. Wir haben ungefähr 60 Gutachterinnen und Gutachter: alles gut geschulte und ehrenamtlich arbeitende Menschen. Und die betrachten eine Senioreneinrichtung aus der Sicht des Verbrauchers, also so wie jemand, der einen Heimplatz für einen Angehörigen suchen würde.

Was machen die Gutachter in den Einrichtungen genau?

Sie lassen die Atmosphäre auf sich wirken, schauen, ob die Bewohner ordentlich angezogen sind, welche Gerüche es gibt oder ob das Haus freundlich gestaltet ist. Erst einmal sprechen die Gutachter mit der Einrichtungsleitung und der Pflegedienstleitung. Dann unterhalten sie sich ausführlich mit dem Bewohnerbeirat und gehen abschließend in die Zimmer und reden mit den Senioren selbst. Sie sind außerdem bei verschiedenen Aktivitäten und beim Essen dabei. So können sie sich ein gutes Bild von der Einrichtung machen.

Man hat die Angst, dass man sein ganzes Menschsein zurücklässt, wenn man in ein Pflegeheim einzieht.

Ute Hecht

Auf welcher Grundlage werden die Überprüfungen durchgeführt?

Die Gutachter haben einen Katalog dabei, der ungefähr 350 Fragen umfasst. Der ist in Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziale Infrastruktur entstanden. Das heißt, er hat eine wissenschaftliche Grundlage. Und daran lässt sich viel nachweisen. Es geht z. B. darum, herauszufinden, ob jemand weiterhin seine Privatsphäre wahren kann.

Wie finden Sie das denn genau heraus?

Der Gutachter fragt z. B. in der Runde des Bewohnerbeirats: „Wie ist das, wenn morgens der Pfleger zu Ihnen kommt? Klopft er denn an?“ Und wenn die Antwort lautet „Ja, aber dann stehen die Pfleger auch schon bei mir im Raum“, dann ist das verbesserungswürdig.

Die Gutachter schreiben sich aber nicht nur Mängel auf, sondern haben vor allem eine beratende Funktion. Sie sind gut geschult und sehr erfahren. Und weil sie sich schon viele Einrichtungen angeschaut haben, haben sie auch einen Blick dafür, wo man etwas verbessern könnte.

Das heißt, als Heimleiter soll ich mich nicht wie in einer Prüfung fühlen, sondern das Ganze als Beratung begreifen?

Es geht z. B. darum, herauszufinden, ob jemand weiterhin seine Privatsphäre wahren kann.

Ute Hecht

Genau, so soll das sein. Was ganz erfreulich ist: Es gibt einige Einrichtungen, die sind von Anfang an dabei und die werden immer besser. Neulich hatten wir eine Einrichtung, die mittlerweile 100 Prozent unserer Anforderungen erfüllt. Das ist wirklich sehr erfreulich, denn erforderlich sind eigentlich nur 80 Prozent.

Die Gutachter kommen also in gewissen Abständen zur Neuüberprüfung?

Ja genau, den Grünen Haken hat man nicht für immer und ewig, es wird regelmäßig neu überprüft. Das Qualitätszeichen bekommt eine Einrichtung für ein oder zwei Jahre.

Woher wissen die Gutachter vom Grünen Haken, dass die Einrichtungs-Mitarbeiter sich nicht auf die Überprüfungen vorbereitet?

Unsere Gutachter haben große Erfahrungswerte und einen scharfen Blick dafür. In den Einrichtungen gibt es auch gar nicht die Zeit, die Begutachtung übermäßig aufwändig vorzubereiten. Und klar: So soll es auch nicht sein. Die begutachteten Heime haben den großen Gewinn, dass sich die Lebensqualität ihrer Bewohner verbessert. Oft sind es auch wirklich nur Kleinigkeiten, wie zum Beispiel, dass die Einrichtungsleiterin ihren Mitarbeitern klarmacht: „Wenn ihr an die Tür klopft, dann müsst ihr abwarten, bis ihr eine Antwort bekommt“. Oder dass man rät: „An der untersten Treppenstufe fehlt eine Markierung, die würde sehr viel zur Sicherheit betragen“. Es sind eben oft Kleinigkeiten, die eine große Auswirkung haben.

Expertenmeinung

Für mich stand immer fest: Wenn der Umzug in eine Pflegeeinrichtung notwendig wird, dann in den Hasensprung. Vor meinem Einzug habe ich alte Bekannte, die hier schon wohnten, besucht, und so das Haus näher kennengelernt. Außerdem konnte ich damals schon an Veranstaltungen teilnehmen, z. B. am Sommerfest, dem Adventsbasar, dem Filmnachmittag und an vielem mehr.  Meine Kinder und Enkel haben dann im Internet recherchiert und sind neben der MDK-Bewertung auf die Auszeichnung mit dem Grünen Haken gestoßen. Das hat meiner Familie ein zusätzliches gutes Gefühl geben, weil sie wussten, dass ich hier gut untergebracht war.  Ich fühle mich wirklich sehr wohl im Hasensprung. Ich genieße die schönen Außenanlagen und das abwechslungsreiche Veranstaltungsangebot. Außerdem engagiere ich mich im Bewohnerbeirat und kann meine alten Gewohnheiten beibehalten. Dazu zählt z. B. Bingo spielen oder mit dem Sozialen Dienst den Obstmarkt, das Leichlinger Stadtfest oder den Wochenmarkt besuchen.

Elisabeth Harms

Bewohnerin Altenzentrum Hasensprung

Mir wurde auch berichtet, dass sich Pfleger gezielt in Einrichtungen mit dem Grünen Haken bewerben, weil sie wissen, dass dort ein gutes Arbeitsklima vorherrscht. Das ist ja auch eigentlich ganz logisch: Wenn das Arbeitsklima gut ist, überträgt sich das auf die Atmosphäre im Haus und erhöht damit die Lebensqualität der Bewohner.

Was sind die besonderen Konzepte in den Pflegeheimen?

An Demenz erkrankte Menschen sind bspw. eine große Herausforderung. Immer mehr Senioren in Pflegeheimen leiden an Demenz und das ist eine schwierige Situation. Aber es gibt glücklicherweise ganz viele Einrichtungen, die sich auf dem Gebiet immerzu fortbilden und die ein großes Angebot für ihre Bewohner haben. In manchen Einrichtungen gibt es zum Beispiel Snoezelen-Räume, also Räume, die durch warmes Licht, leise Klänge und eine angenehme Atmosphäre erwiesenermaßen Wohlbefinden hervorrufen.

Einige Einrichtungen arbeiten mit tiergestützten Therapien. Durch Tiere kann man z. B. zu demenziell erkrankten Menschen Zugang bekommen, zu denen sonst kaum mehr eine Kontaktaufnahme möglich ist. Solche Besonderheiten eines Heimes findet man über die Feinsuche im Heimverzeichnis.

Heute geht es immer mehr darum, die Selbständigkeit von Senioren aufrechtzuerhalten. Gibt es auch dahingehend besondere Ansätze? 

Ja, ein Aspekt der Lebensqualität ist eben auch, dass Selbstbestimmung und Eigenständigkeit bewahrt bleiben. Es geht darum, dass Menschen so mobil und aktiv wie möglich bleiben. Und manche Einrichtungen setzen sich ganz enorm dafür ein.

Wenn das Arbeitsklima gut ist, überträgt sich das natürlich auf die Atmosphäre im Haus und erhöht damit die Lebensqualität der Bewohner.

Ute Hecht

Es gibt z. B. ein Pflegeheim in Köln, das ein Abkommen mit den Kölner Verkehrsbetrieben geschlossen hat. Dort fährt ein Mitarbeiter mit einem Bus vor und gibt den Bewohnern zunächst eine theoretische Unterweisung. Dann übt er mit ihnen das sichere Einsteigen in den Bus, wie man sich gut festhält und wie man als Senior sicher Busfahren kann. Das hat das Ziel, dass Menschen sich weiterhin in ihrem gewohnten Umfeld bewegen können. Lebensqualität macht nämlich auch aus, dass es Kontakt nach außen gibt. Und natürlich auch umgekehrt: Dass die Bewohner eines Stadtviertels gern in dieses Seniorenheim gehen. Diesen Austausch zu schaffen ist wirklich eine große Leistung!

Wie kann man den Austausch zwischen Pflegeheimen und den Menschen im Viertel fördern?

In einer unserer zertifizierten Einrichtungen gibt es ein monatlich stattfindendes, ganz ausgezeichnetes Buffet. Nicht nur die Bewohner schwärmen, wie toll das ist. Es ist auch tatsächlich immer rappelvoll, weil dann wirklich das ganze Stadtviertel in dieses Seniorenheim kommt.

Viel bewirken können auch gute Bewohnerbeiräte: Sie informieren über Neuerungen in der Stadt oder wo es welche Probleme gibt. Die Bewohner ziehen dann raus und schauen sich an, wie man die Situation verbessern könnte. Die leben eben wirklich aktiv in ihrem Viertel. Und das ist der angestrebte Zustand. Das ist sehr schön, denn die Bewohner sollen natürlich nicht isoliert in ihrer Einrichtung sein, sondern es soll zum Austausch kommen.

Woran liegt es, dass manche Einrichtungen so gut sind und manche eher unattraktiv?

Einige Einrichtungen arbeiten mit tiergestützten Therapien. Durch Tiere kann man z. B. zu demenziell erkrankten Menschen Zugang bekommen, zu denen sonst kaum mehr eine Kontaktaufnahme möglich ist.

Ute Hecht

Eine Gutachterin sagte mir kürzlich: So etwas steht und fällt mit der Einrichtungsleitung. Es gibt einfach unglaublich engagierte Einrichtungsleiterinnen und -leiter, die mit wahnsinnig viel Herzblut und auch selbstaufzehrend daran arbeiten, dass es den Bewohnern gut geht und dass sie sich dort auch wirklich wohlfühlen können.

Es gibt viele solcher Beispiele, von denen man nichts mitbekommt. Ich habe neulich mit einer Einrichtungsleiterin gesprochen, die ihr Heim nach Kneippschen Richtlinien umgestaltet hat. Bei Kneipp wird mit Reizen gearbeitet, die den Menschen gezielt anregen und auch zur Ruhe kommen lassen. Diese Frau sagt, sie habe sehr gute Resultate erzielen können, gerade auch im Umgang mit demenziell erkrankten Menschen, die eigentlich nicht mehr als therapierbar galten.

Es ist einfach toll zu sehen, dass es Menschen gibt, die sich überlegen „Was kann ich tun, um die Einrichtung zu verbessern?“. Ich habe so viele Positivbeispiele (lacht)! Leider ist das nicht repräsentativ für die Pflegeheim-Landschaft.

Umso wichtiger ist es, dass der Grüne Haken gute Konzepte benennt, an denen man sich orientieren kann.

Genau, das ist total wichtig! Ein Einrichtungsleiter sagte mir, er leide sehr unter der Berichterstattung über Pflegeheime. Vor einem Jahr wurde in den Medien fast ausschließlich über Skandale und beklagenswerte Zustände gesprochen. Meistens ging es um Misshandlung und Gewalt in der Pflege. Und heute lernen wir aus der Presse, dass es große strukturelle Problem gibt.

Es geht darum, dass Menschen so mobil und aktiv wie möglich bleiben. Und manche Einrichtungen setzen sich ganz enorm dafür ein.

Ute Hecht

Dieser Einrichtungsleiter bemüht sich aber ungemein und er sagt, er führt eine gute Einrichtung. Seine Mitarbeiter sind ihm treu und arbeiten schon lange bei ihm. Er hat ein tolles Team, das eine klasse Arbeit leistet. Aber er ist dennoch ein Buhmann, einfach weil er eine Einrichtung leitet.

Deswegen ist es so schön und auch so wichtig, dass es den Grünen Haken gibt. Die Heimleiter haben einen guten Nachweis, dass ihr Pflegekonzept das richtige ist. Das ist eine wichtige Bestätigung!

Damit wünschen wir Ihnen auch weiterhin viel Erfolg. Vielen Dank für das Gespräch.

Erstelldatum: 8102.01.71|Zuletzt geändert: 1202.30.61

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Was ist der Unterschied zwischen einem Seniorenheim und einem Pflegeheim?

Beim Altenwohnheim liegt der Fokus auf selbständigem Wohnen in einer Gemeinschaft mit anderen Senioren. Im Altenheim liegt der Fokus auf selbstbestimmtes Leben trotz geringer Pflegebedürftigkeit. Im Pflegeheim liegt der Fokus auf stationäre Pflege für pflegebedürftige Menschen.

Was sind die Vorteile für die Menschen in einem Seniorenheim?

Das Leben in einem Seniorenheim bietet den Bewohner:innen unter anderem folgende Vorteile: Jederzeit schneller Zugriff auf medizinische Unterstützung. Gefühl von Sicherheit durch 24-Stunden-Betreuung. Kontakt zu anderen Senior:innen.

Was sind die Nachteile für die Menschen in einem Seniorenheim?

Darüber hinaus nimmt das Personal im Pflegeheim den Bewohnern natürlich auch viel Arbeit ab: Aufgaben wie Wäsche waschen oder auch das Beziehen der Betten sind für viele ältere bzw. pflegebedürftige Menschen kaum allein durchführbar.

Wie erkenne ich ein gutes Seniorenheim?

Über welche Ausstattung und Serviceangebote verfügt das Pflegeheim?.
Wie groß ist die Senioreneinrichtung (Anzahl Zimmer/Bewohner).
Ist ein Aufzug vorhanden..
Ist die Einrichtung übersichtlich und die öffentlichen Räume gut erreichbar..
Gibt es eine gute Ausschilderung der öffentlichen Räume und sind diese auch gut beleuchtet..

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