Wenn heinz zu frech wird kommt der papa

Reibungen zwischen großen Markenherstellern und Handelsketten mag es schon immer gegeben haben. Aber selten wurden sie unter so großer öffentlicher Beobachtung ausgefochten wie jetzt.

Nachdem Kaufland Anfang des Jahres die Nachbestellung bekannter Unilever-Marken endgültig aussetzte (siehe Supermarktblog), steht derzeit vor allem der Zwist zwischen Edeka und The Kraft Heinz Company im Fokus.

Ende Februar hatte die „Lebensmittel Zeitung“ (LZ) zuerst darüber berichtet (Paywall), dass Edeka die vom Hersteller verlangte Preiserhöhung für Heinz Ketchup nicht akzeptieren wolle – und deshalb von Kraft Heinz nicht mehr beliefert werde.

In den Regalen der Supermärkte gibt es deshalb Lücken. Das ist auch deshalb kritisch, weil momentan „jede zweite Ketchup-Flasche, die Edeka verkauft, von Kraft Heinz“ stamme, schreibt die LZ. („Der Marktanteil des Konzerns bei Ketchup liegt bei 46,7 Prozent“, Paywall).

Kundinnen und Kunden erklärt Edeka etwas umständlich auf einem Hinweisschild:

„[L]eider müssen wir Sie darüber informieren, dass wir Ihnen derzeit nicht alle Produkte des Lieferanten Heinz anbieten können. Es ist unser Anspruch, Ihnen stets ein attraktives Sortiment zu preiswerten Konditionen anzubieten. Leider ist es uns bislang trotz harter Verhandlungen nicht gelungen, eine Einigung mit dem Lieferanten zu erzielen. Wir sind selbstverständlich bestrebt, Ihnen sobald wie möglich wieder sämtliche Artikel des Lieferanten anbieten zu können. In der Zwischenzeit legen wir Ihnen unsere EDEKA-Eigenmarkenprodukte sowie das breite Spektrum an sonstigen Markenprodukten ans Herz.“

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Offensichtlich rechnet Edeka aber damit, dass eine Einigung länger dauern könnte, und hat deshalb einen eigenen Ketchup entwickelt, der dem von Heinz (zumindest verpackungstechnisch) sehr nahe kommt. In den ersten Edeka-Märkten steht das Produkt seit kurzem im Regal, und zwar unter dem Namen „Papa Joe’s“.

Wenn heinz zu frech wird kommt der papa

Auf dem – stark an Heinz Ketchup erinnernden – Label steht außer dem (vermeintlichen) Markennamen und der Produktbezeichnung lediglich das Versprechen „Crafted for Experts“. Edeka taucht als Absender nicht auf der Packung auf. Wer nicht so genau hinsieht, merkt vielleicht gar nicht, dass sie oder er nicht das Original in der Kopfstehflasche kauft.

Auf der Rückseite fehlt der übliche Eigenmarken-Hinweis „Hergestellt für Edeka“, stattdessen ist die Euco GmbH in Hamburg als Produzent angegeben (die mit der Edeka-Zentrale dieselbe Adresse teilt).

Wenn heinz zu frech wird kommt der papa

„Crafted for Experts“ …

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… and made by Euco?

Völlig neu ist diese Strategie, Eigenmarken als Quasi-Marken ins Regal zu stellen, nicht.

Edekas Ketchup-Aufstand allerdings muss als klarer Warnschuss verstanden werden – nicht nur an Kraft Heinz. Sondern an sämtliche Markenhersteller, denen signalisiert wird, dass sich der Marktführer im deutschen Lebensmitteleinzelhandel nicht so ohne weiteres Preise diktieren lässt, und im Zweifel auch bereit ist, diese Position mit dem Verzicht auf Markenprodukte zu untermauern, die im Vollsortiment eigentlich als unverzichtbar gelten.

Die Aktion ist aber noch in anderer Hinsicht interessant, weil sie – unnötigerweise – an einer weiteren Stelle eine Provokation auslöst. Schuld ist der Papa, genauer gesagt: sein Vorname.

Papa Joe trifft Trader Joe

Wenn heinz zu frech wird kommt der papa
Und zwar nicht nur, weil im „breiten Spektrum an sonstigen Markenprodukten“, das Edeka seinen Kunden ja aktiv empfiehlt, zum Beispiel die Unilever-Marke Knorr bereits mit ihrem „Ketchup Tomato Joe“ zu finden ist, wegen dem man von der Markennamen-Ähnlichkeit irritiert sein könnte.

Sondern vor allem, weil Edekas „Papa Joe’s“ sehr an die von Aldi verwendete Marke „Trader Joe’s“ erinnert.

Die ist nämlich nicht nur Namensgeber des Aldi-Ablegers in den USA, der insbesondere im Westen des Landes mit seinen Filialen aktiv ist (siehe Supermarktblog); auch im deutschen Discount taucht Trader Joe’s auf. Aldi Nord verkauft zum Beispiel Nüsse und Salzsnacks unter diesem Namen (Cashewkerne, Knusperkracher, geröstete Erdnüsse), auch auf Knäckebrot sowie Backartikeln tritt Trader Joe’s als Absender in Erscheinung. Und nicht zuletzt, wenn auch aktionsbedingt, auf: „Sandwich Sauce“ (Ketchup mit Rauchgeschmack).

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Bei Aldi (Nord) gibt’s z.B. Erdnüsse, Knabberzeug …

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… und Cashewkerne von Trader Joe’s.

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Selbst wenn eine direkte Verwechselung unwahrscheinlich ist: So richtig kann Aldi diese Namensähnlichkeit nicht schmecken. Zumal der Papa-Joe’s-Ketchup zwar im Vollsortiment bei Edeka verkauft wird, die Marke aber zum direkten Aldi-Konkurrenten und Edeka-Discount-Töchterchen Netto (ohne Hund) gehört, der ohnehin gerade mächtig in Stänkerlaune ist (siehe Supermarktblog).

Netto (ohne Hund) hat Papa Joe’s nach LZ-Angaben von der übernommenen Ex-Tengelmann-Tochter Plus geerbt. Im November des vergangenen Jahres wurde zusätzlicher Markenschutz in zahlreichen Warenklassen beantragt. Die Widerspruchsfrist dafür läuft noch bis zum Juli – und ich hab bei Aldi Nord angefragt, ob man überlegt, diese zu nutzen, denn:

„Widerspruch kann grundsätzlich erhoben werden, wenn befürchtet wird, dass Verwechslungsgefahr mit der eigenen angemeldeten oder eingetragenen Marke besteht“,

heißt es beim Deutschen Marken- und Patentamt.

Lässt Aldi das durchgehen?

Erwartungsgemäß äußert sich die Handelskette dazu nicht. Aber so schnell hab ich von Aldi noch nie keine Information auf eine Anfrage bekommen. Die Pressestelle schreibt umgehend:

„Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihnen zu dem angefragten Thema leider keine Auskunft geben.“

Einerseits liegt ein Widerspruch nahe, weil Aldi kaum Lust darauf haben wird, dem Konkurrenten die (zusätzliche) Markenanmeldung jetzt kampflos durchgehen zu lassen und zu riskieren, dass demnächst auch bei Netto (ohne Hund) markenähnliche Produkte unter dem Namen Papa Joe’s auftauchen.

Andererseits ist die Taktik, für eine Eigenmarke Optik und Namen einer anderen Marke zu kopieren, natürlich bereits über viele Jahrzehnte geübte Discounter-Praxis – und wenn man bei Aldi plötzlich Verwechselungsgefahr in Verzug sähe, weil das Spielchen diesmal andersherum gelaufen ist, wäre das nur so mittelglaubwürdig.

Stichelei gegen Kraft Heinz

Edeka selbst scheint keine Befürchtungen dieser Art zu haben und leistete sich kürzlich eine kleine Stichelei in Richtung Kraft Heinz. Aus einer ganzseitigen Anzeige in der „Lebensmittel Zeitung“ winkte Betrachter:innen eine fröhliche Tomate mit Papa-Joe’s-Schürze zu, während sich im Hintergrund das Label einer Heinz-Ketchupflasche verschwommen ins Nichts auflöste. Drüber stand:

„Wenn Heinz zu frech wird, kommt der Papa.“

(Und wenn Edeka zu frech wird: Anwalt Aldi?)

Wenn heinz zu frech wird kommt der papa

Ausriss [M]: LZ/Smb

In jedem Fall hat die Essener Aldi Einkauf GmbH (heißt: Aldi Nord) Ende März ebenfalls zusätzlichen Schutz für ihre Marke Trader Joe’s beantragt, und zwar in zahlreichen bislang nicht belegten Waren- und Dienstleistungsklassen (bis hin zu „Schusswaffen; Munition und Geschosse; Sprengstoffe; Feuerwerkskörper“ – kein Scherz). Ein kleines bisschen nervös scheint man in Essen also sehr wohl zu sein.

Me-too als Innovationsausweis?

Gleichzeitig wirft die neu angemeldete Ketchup-Kompetenz aber kein besonders gutes Licht auf Edeka. Zugegeben: In Hamburg hat man schnell gehandelt und, als der Zwist mit Heinz absehbar war, innerhalb weniger Wochen eine eigene Produkt-Variation aus dem Boden gestampft, die das Eigenmarkenangebot ergänzt. Dafür einen Namen zu verwenden, über dessen Rechte man im (Tochter-)Unternehmen ohnehin verfügte, lag nahe.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Edeka-Vorstandsvorsitzende Markus Mosa sonst in Interviews tönt, ihm seien die klassischen Markenhersteller zu träge, weil sie „kaum noch echte Innovationen auf den Markt bringen, sondern nur noch Me-too-Produkte“, wie Mosa im Gespräch mit „Horizont“ (schon 2013) gesagt hat:

„Diese Lücke müssen wir schließen, damit die Kunden nicht abwandern. Wir brauchen die Vielfalt in den Regalen.“

Und Papa Joe’s ist die Vielfalt, die Mosa meint? Eine Ketchup-Marke, die aussieht wie von Heinz, heißt wie von Aldi – und ihren eigentlichen Absender gegenüber Käufer:innen durch einen Kunstgriff verschleiert?


Nachtrag, 10. April: Edeka verkauft Papa Joe’s Ketchup für 1,49 Euro; weitere Papa-Joe’s-Produkte sind bereits angekündigt und im Laden erhältlich: Papa Joe’s BBQ, Papa Joe’s Mango-Curry, Papa Joe’s Knoblauch.

Wenn heinz zu frech wird kommt der papa

Nachtrag, 15. April: In einigen Regionen drückt Edeka Papa Joe’s diese Woche zum „Probierpreis“ (0,99 Euro) in den Markt.

Wenn heinz zu frech wird kommt der papa

Abb.: Edeka

Fotos: Supermarktblog

Großen Dank an Klaus!

Wer steckt hinter Papa Joe's?

Da das Unternehmen Kraft-Heinz beim Tomatenketchup in Deutschland einen Marktanteil von fast 50 Prozent hat, taten sich in den Regalen von Edeka langsam Lücken auf. Um diese zu füllen, entwickelte Edeka kurzerhand die Eigenmarke Papa Joe's und verkaufte statt der Handelsmarke das eigene Produkt.

Was ist Papa Joe's?

Die Papa Joe's BBQ-Sauce verleiht allen Gerichten das gewisse Etwas. Ob als Marinade fürs Fleisch oder als Dip. Ihr leicht rauchiges, kräftiges Aroma lässt echt amerikanisches BBQ-Feeling aufkommen. Ganz gleich, ob Profi oder blutiger Anfänger, damit avanciert jeder zum Experten – der Geschmack ist unverkennbar BBQ.

Wer steckt hinter Heinz Ketchup?

Die Ursprünge des Unternehmens gehen auf die 1869 in Sharpsburg (Pennsylvania) von Henry John Heinz (Sohn deutscher Auswanderer aus Kallstadt) gegründete Heinz, Noble & Company zurück. Das „Heinz Tomato Ketchup“, das bekannteste Produkt des Unternehmens, wurde 1876 erfunden.