Wer hilft krankem fuchs wenn kein jäger da ist

Dicht aneinandergekuschelt hockten vier kleine Rotfüchse auf dem Dachboden einer Scheune und warteten auf ihre Mutter. Doch die kam nicht. Ein Auto hatte sie auf der nahen Landstraße überfahren. Tagelang harrten die Welpen aus und fiepten kläglich. Das hörte der Besitzer der Scheune – und brachte die Geschwister zur Wildtierstation, einer Rettungsinsel für wilde Tiere in Not.

„Es gibt Frühstück!“ Christian Erdmann klopft mit der flachen Hand gegen seinen Plastikeimer. Das Geräusch kennen die Fuchswelpen inzwischen: Aufgeregt wuseln sie aus ihrem Verschlag und schnappen dem Tierpfleger die Hähnchenstücke aus den Fingern. Seit zwei Wochen leben sie nun in der Wildtierstation in Sparrieshoop bei Hamburg. Dass sich hier statt ihrer Mutter Christian Erdmann um sie kümmert, finden sie offenbar ganz in Ordnung: Wenn die Tür ihres Verschlags offen steht, folgt die kleine Meute ihrem Ziehvater auf Schritt und Tritt. „Ohne menschliche Hilfe hätten sie keine Chance gehabt zu überleben“, sagt der gelernte Tierpfleger.

Das gilt auch für seine anderen Schützlinge: Vögel, die gegen Fensterscheiben geflogen sind, Rehe, die von Autos angefahren wurden, oder Marder, die sich in Stacheldraht verheddert haben. „Oft sind die Tiere durch die Schuld von Menschen zu Schaden gekommen“, sagt Christian Erdmann. „Da ist es doch unsere Pflicht, ihnen zu helfen!“

Die Wildtierstation ist ein altes Ziegelsteinhaus mit einem großen Garten drum herum. Überall stehen Käfige aus Draht und Holzlatten, und fast alle sind bewohnt: Ganz vorn im Garten piepsen acht mutterlose Gänseküken, die ein Spaziergänger im Straßengraben gefunden hat. Daneben hoppeln zwei kleine Feldhasen durch ihr Gehege – Katzen hatten sie ihren Besitzern als „Geschenke“ ins Haus gebracht. Hinten auf der Wiese stakst ein Storch, der in ein Windrad geraten ist und dem nun ein Flügel fehlt. Und ganz, ganz hinten wohnt Klitschko, das Stinktier.

Frei lebende Stinktiere gibt es nur in Amerika, aber ab und zu nimmt die Wildtierstation auch Tiere aus schlechter Haltung auf: „Der Besitzer hatte Klitschko im Internet gekauft und auf seinen Balkon gesperrt. Völlig bekloppt!“, sagt Christian Erdmann. Als Tierfreund ärgert er sich darüber furchtbar.

Aber fast jeden Tag erlebt er auch das Gegenteil: Menschen, die sogar lange Wege auf sich nehmen, um ein verletztes Tier zu ihm zu bringen. Die Station bei Hamburg muss oft auch Patienten von weither aufnehmen, denn nicht überall in Deutschland gibt es genügend Wildtierstationen.

Christian Erdmann und sein Team haben deshalb jede Menge zu tun: Ungefähr 1500 Tiere werden ihnen pro Jahr gebracht. Das Geld, das die Station für ihre Arbeit braucht, bekommen sie von Spendern und der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“.

Dinnen im Haus ist Tierpflegerin Darja Mahler mit der kleinen Fritzi beschäftigt: Das Eichhörnchenbaby ist aus dem Kobel, dem Nest, gefallen. Jetzt zieht Darja Mahler Fritzi per Hand auf. Das sieht niedlich aus, ist aber viel Arbeit: Wie ein Menschenbaby braucht Fritzi alle paar Stunden Milch – weil sie noch ganz klein ist, sogar mitten in der Nacht.

„Aber für so eine Süße macht man das doch gern“, sagt die Tierpflegerin. Aus der Spritze, die sie Fritzi hinhält, kommt eine spezielle Aufzuchtmilch für Kleinsäuger. Routiniert umklammert das Eichhörnchen die Spitze mit den Vorderpfoten und trinkt. Zutraulich ist es auch geworden und hopst seiner Pflegerin nach dem Füttern munter über Arme und Schultern. „Das bleibt aber nicht so“, weiß Darja Mahler aus Erfahrung. „Wenn so ein Eichhörnchen älter wird, fängt es an zu beißen. Wirklich zahm werden wilde Tiere fast nie. Sind sie erst groß, fühlen sie sich nur in der Natur richtig wohl.“

Deshalb werden die meisten Pfleglinge der Wildtierstation in die Freiheit entlassen, wenn sie groß oder gesund geworden sind. „Zuerst setzen wir sie in ein Auswilderungsgehege imWald, damit sie sich an die neue Umgebung gewöhnen. Nach ein paar Tagen machen wir die Käfigtür auf. Früher oder später sind sie dann weg“, sagt Christian Erdmann. Es gibt aber auch Tiere, die nicht mehr allein zurechtkommen. Für die suchen die Leute von der Wildtierstation einen Platz, an dem sie bleiben können. Der Storch, dem ein Flügel fehlt, kommt zum Beispiel in einen Wildpark.

Manchmal müssen sich die Wildtierpfleger auch von Tieren verabschieden, die sie richtig lieb gewonnen haben. So geht es Christian Erdmann mit der Steinkäuzin Edda. Eddas Mutter hatte in der Wildtierstation ihre Eier gelegt – Erdmann hat das Kauzküken eigenhändig großgezogen. Oft setzt er sich abends zu Edda ins Gehege: „Dann unterhalten wir uns ein bisschen. Auf unsere Art.“ Trotzdem wird Christian Erdmann seine Freundin bald fortfliegen lassen. „Vögel gehören nicht in Käfige“, sagt er.

Und auch für die vier Rotfüchse geht es bald in die freie Wildbahn. Dann sind sie auf sich allein gestellt. Aber um eines wird sich ihr Ziehvater noch kümmern: „Ich bringe sie in einen Wald mit einem vernünftigen Jäger“, sagt Christian Erdmann. „Einem, der nicht auf Füchse schießt.“

Erste Hilfe für wilde Tiere

Einem Wildtier machen Menschen Angst. Wenn ihr ein verletztes Tier hochnehmen wollt, wird es wahrscheinlich versuchen, sich zu verteidigen – also beißen, treten oder mit dem Schnabel hacken. Bevor ihr euch um das Tier kümmert, solltet ihr deshalb sichergehen, dass es euch nicht verletzen kann. Mit einer Schutzbrille und Handschuhen ist man ideal ausgerüstet. Ihr könnt aber auch eine Jacke oder ein Bettlaken über das Tier breiten: So kann es nicht flüchten und leichter gegriffen werden.

Auch Jungtiere dürft ihr anfassen; Mütter nehmen sie trotz des fremden Geruchs wieder an. Dennoch solltet ihr das Tier nur berühren, wenn es wirklich sein muss. Zum Beispiel, um nachzuschauen, ob es verletzt ist. Oder um es von einer gefährdeten Stelle an einen sicheren Platz zu setzen. G egen den „Menschengeruch“ könnt ihr es hinterher mit etwas frischem Gras abwischen.

Aber: Nicht jedes Tierkind, das allein ist, braucht wirklich Hilfe. Rehkitze und junge Feldhasen sind zum Beispiel oft ohne ihre Mutter anzutreffen – sie kommt aber wieder. Also erst mal warten und beobachten.

Grundsätzlich gilt: Wenn ihr euch unsicher seid, solltet ihr einen Exper ten um Hilfe bitten. Noch mehr Tipps und eine Liste mit Einrichtungen, die gefundene Wildtiere aufnehmen, gibt’s auf der Internetseite der Wildtierstation Hamburg/Schleswig-Holstein in Sparrieshoop: www.wildtierstation-hamburg.de

Wer hilft krankem fuchs wenn kein jäger da ist

© Wildtierstation Hamburg

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Wer kümmert sich um Füchse?

Kompetente Hilfe durch erfahrene Ansprechpartnern vor Ort finden Sie im Fuchshilfsnetz. Für Wildtierstationen, Tierärzte und erfahrene Päppler gibt es einen passwortgeschützten Bereich, in welchem medizinische Daten, Behandlungsempfehlungen und Fallbeispiele speziell für die Versorgung von Füchsen gesammelt werden.

Was sollte man machen wenn man ein Fuchs sieht?

Stehen bleiben, gucken und sich freuen. Auf keinen Fall sollten Sie versuchen, ihn zu streicheln oder ihn mit Futter anzulocken. Kommt er näher und Sie fühlen sich unangenehm, klatschen Sie in die Hände oder rufen laut. Das verscheucht ihn.

Was tun wenn ein Fuchs in der Stadt ist?

Füchse, die im Siedlungsgebiet eingefangen wurden, dürfen daher nicht an einen entfernten Ort verbracht und ausgesetzt werden, sondern sollten grundsätzlich immer nahe dem Fundort wieder freigelassen werden. “Stadtfüchse“ gehören in die Stadt und können nicht in die Natur umgesiedelt werden.

Wer ist der größte Feind des Fuchses?

Als natürliche Feinde von Füchsen gelten Wolf, Luchs, Uhu und Steinadler. Einen entscheidenden Anteil in deren Beuteschema stellen Füchse aber nicht dar. Beim Luchs beispielsweise macht Fuchsfleisch gerade mal vier Prozent seiner Nahrung aus.