„Wladimir Putin hat sein Land aus der internationalen Ordnung herausgenommen“, bilanziert der Diplomat Rüdiger von Fritsch. „Er führt es in die Isolation“, so der ehemalige deutsche Botschafter in Russland in SWR2. Doch auch ein möglicher Führungswechsel werde an der „Natur der Herrschaft“ in Russland voraussichtlich nicht viel ändern. Fritsch ist Autor eines neuerschienenen Buchs über Russland mit dem Titel „Zeitenwende“. „Siegt der Fernseher, oder siegt der Kühlschrank?“Eine alte sowjetische Frage laute: „Siegt der Fernseher, oder siegt der Kühlschrank?“, so von Fritsch. „Im Moment siegt noch der Fernseher, sprich: die Propaganda dieses Systems“, das sich von einem autoritären zu einem diktatorischen System gewandelt habe. Auch Putin selbst scheine zu fürchten, „dass diese Gleichung zwischen Fernseher und Kühlschrank kippen könnte“, glaubt von Fritsch. Darauf deute die Rede des russischen Präsidenten vom 9. Mai hin. „Das heißt, dass die Menschen eines Tages sagen: ,Schön und gut, mit Krim und Donbass, aber ich will meine Kinder ernähren können, ich brauche eine vernünftige Gesundheitsvorsorge.‘“ Russland erleidet den größten Aderlass seit der Oktoberrevolution von 1917Von Fritsch glaubt allerdings nicht, dass dieser Wandel bald zu erwarten ist. Bei einem Führungswechsel werde voraussichtlich eher jemand aus dem Führungszirkel von Wladimir Putin an die Macht kommen, der ähnlich geprägt sei wie der frühere KGB-Offizier selbst. Rüdiger von Fritsch: „Dass eine freie Opposition an die Macht kommt, ist allein schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil jene kritischen Menschen, aber auch Fachkräfte, IT-Experten, Ärzte, das Land in Scharen verlassen. Russland erleidet den größten Aderlass seit der Oktoberrevolution von 1917.“ Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.05.2022 Putins |