Wikileaks-Gründer Julian Assange ist am Donnerstag in der ecuadorianischen Botschaft in London festgenommen worden. Inzwischen wurde er von einem
Londoner Gericht für die Verletzung von Bewährungsauflagen verurteilt. Eine weitere Anhörung soll am 2. Mai stattfinden. Show Julian Assange wird auf dem Weg zum Gerichtsgebäude fotografiert. (Bild: Photo by Jack Taylor/Getty Images)
Auf Videoaufnahmen aus London ist zu sehen, wie Julian Assange am Donnerstag von der britischen Polizei aus dem Gebäude der ecuadorianischen Botschaft gebracht wurde: Die Polizei in London bestätigte, dass die Verhaftung wegen eines Auslieferungsgesuchs aus den USA stattfand. Zudem hatte die britische Polizei die Festnahme mit der Anordnung eines Londoner Gerichts von 2012 wegen Verstosses gegen Bewährungsauflagen begründet. Am Donnerstagnachmittag wurde Assange dann bereits von einem Londoner Gericht schuldig gesprochen, gegen Bewährungsauflagen verstossen zu haben. Ihm drohen bis zu 12 Monate Gefängnis in Grossbritannien.
Eine weitere Anhörung soll am 2. Mai stattfinden. Dann soll auch über eine mögliche Auslieferung entschieden werden. Bis dahin bleibt Assange in Untersuchungshaft. AUCH INTERESSANT Die US-Justiz wirft Assange Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Assange werde beschuldigt, Manning dabei geholfen zu haben, ein Passwort eines Computernetzwerks der Regierung zu knacken, hiess es am Donnerstag in einer Mitteilung des Justizministeriums zum US-Auslieferungsantrag an Grossbritannien. Es würden ihm bis zu fünf Jahre Haft drohen.
Die Whistleblowerin Chelsea Manning war im März dieses Jahres in den USA verhaftet worden. Zuvor sass sie eine Gefängnisstrafe für die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten ab, bis der ehemalige Präsident Barack Obama sie 2017 begnadigte und sie freigelassen worden war. Zuvor hatte die ecuadorianische Regierung in Quito ihr diplomatisches Asyl für Assange zurückgezogen. Assange lebte seit 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London, nachdem das lateinamerikanische Land ihm Asyl gewährte und ihn damit vor einer Auslieferung nach Schweden wegen Vergewaltigungsvorwürfen schützte. Inzwischen wurden die Ermittlungen in Schweden eingestellt. Die Enthüllungsplattform Wikileaks bezeichnete den Entzug des diplomatischen Asyls für Assange als «illegal» und eine Verletzung internationalen Rechts. Statement des ecuadorianischen PräsidentenDie Regierung von Ecuador hat Assange derweil die Staatsangehörigkeit entzogen. Das gab Aussenminister José Valencia bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Quito bekannt. Assange ist gebürtiger Australier und war seit 2017 ecuadorianischer Staatsbürger. Valencia erklärte, das Aussenministerium habe den Schritt bereits am Mittwoch beschlossen. Als Grund sagte der Minister, es seien «mehrere Unregelmässigkeiten» in Assanges Papieren entdeckt worden. In einer Video-Botschaft hat Ecuadors Präsident Lenin Moreno den Schritt seiner Regierung erklärt. Man habe der Verhaftung Assanges nur zugestimmt, wenn dieser nicht in ein Land ausgeliefert werde, in dem ihm Folter oder die Todesstrafe drohen. Die britischen Behörden hätten dies schriftlich bestätigt.
Die ReaktionenSein Vorgänger, der Präsident von Ecuador bis 2017 war, Rafael Correa sieht die Situation anders. Er schrieb auf Twitter, dass Morena ein korrupter Mann sei und ein Verbrechen begangen habe, das die Welt niemals vergessen werde.
Theresa May sagte in einer Rede: «In Großbritannien steht niemand über dem Gesetz.» Zudem dankte sie Ecuador für die Zusammenarbeit.
Der Whistleblower Edward Snowden, der zurzeit in Russland im Asyl ist, äusserte sich auf Twitter zur Verhaftung Assanges: «Das ist ein dunkler Moment für die Pressefreiheit.» Und: «Diese Bilder, in denen der ecuadorianische Botschafter die britische Geheimpolizei in die Botschaft einlädt, um den Herausgeber von preisgekröntem Journalismus aus dem Gebäude zu zerren, werden in die Geschichtsbücher eingehen.»
Zu dem von den US-Behörden veröffentlichten Haftbefehl sagt Snowden: «Die schwachen Anklagepunkte der USA gegen Assange sind schockierend. Der Vorwurf, er habe versucht (und versagt) beim Hacken eines Passworts zu helfen, [...], ist seit fast zehn Jahren bekannt.» Er zitiert zudem einen Tweet des US-amerikanischen Journalisten Glenn Greenwald, wonach das US-Justizministerium unter Obama versucht habe, Assange verschiedene Delikte nachzuweisen, die eine Festnahme rechtfertigen sollten. Man habe keine solchen Beweise gefunden. Greenwald vermutet zudem, dass das Justizministerium unter Trump vermutlich «Unwahrheiten fabrizieren» werde und behaupten werde, dass Assange mehr getan habe, als Dokumente zu veröffentlichen.
Glenn Greenwald, der seinerzeit den Fall Edward Snowden eng begleitete, schrieb weiter auf Twitter: «Das ist eine riesengrosse Attacke auf die Pressefreiheit.» Auch das russische Aussenministerium kritisierte die Festnahme. Der Kreml teilte mit, er hoffe, dass die Rechte Assanges respektiert würden. US-Schauspielerin Pamela Anderson, die den 47-Jährigen mehrfach in der Botschaft besucht hatte, schrieb: «Ich bin schockiert.» Sie warf den Briten vor, sie bräuchten eine Ablenkung vom «idiotischen Brexit-Mist». Grossbritanniens Regierung begrüsste die Festnahme. «Julian Assange ist kein Held und niemand steht über dem Gesetz», schrieb Aussenminister Jeremy Hunt auf Twitter. «Es hat sich jahrelang vor der Wahrheit versteckt.» Die zusätzlichen Polizeiwachen vor der Botschaft hatten die britischen Steuerzahlen über die vergangenen Jahre Millionen gekostet. Verbrechen von US-TruppenWikileaks trat zunächst in Erscheinung mit der Veröffentlichung geheimer US-Dateien, die unter anderem Menschenrechtsverletzungen und die Tötung von Zivilisten durch amerikanische Truppen in Afghanistan dokumentierten. Zuletzt stand Wikileaks aber vor allem im Fokus von US-Ermittlungen, weil die Enthüllungswebsite im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gestohlene E-Mails der demokratischen Partei veröffentlichte. US-Behörden gehen davon aus, dass die E-Mails von russischen Hackern heruntergeladen und Wikileaks zugespielt wurden. Diesen Aspekt hat auch FBI-Sonderermittler Robert Mueller in seinem Abschlussbericht über die vermutete russische Einmischung bei der von Donald Trump gewonnenen Präsidentenwahl festgehalten. Assange bezeichnet sich selbst als Journalist und beansprucht deshalb die für Medien üblichen Schutzklauseln, wenn es um die Geheimhaltung von Quellen und die Veröffentlichung vertraulicher Informationen geht. Kritiker halten ihn für einen Selbstdarsteller, der sogar Menschenleben gefährdet habe. Seine Anhänger sehen in ihm dagegen einen Aufklärer. Rückblick: Der Fall Assange
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