Covidioten und klimawandel sind die unwörter des jahres

Wir schreiben das Jahr 2022. Wir informieren uns umfassend und urteilen frei und selbstständig. Richtig?

Ich finde, überhaupt nicht! Ich habe eher den Eindruck, als ob wir zurückfallen würden: in die Zeiten der Glaubenskriege und Märchenerzähler.

Das lieben wir: „Geschichten aus 1001 Nacht“. Ali Baba! Sindbad! Scheherazade! Märchenhaftes Morgenland.

Wir lassen uns entführen und verführen, wir fiebern mit, wir lassen uns Angst machen – und geniessen das sogar, denn wir machen uns Mut, dass am Ende alles gut wird.

Beispiel „Corona“. Statt Sachpolitik eine Weltpremiere, das erste globale Narrativ, lanciert von der WHO, exekutiert von Behörden: „Ein lebensgefährliches Virus bedroht uns! Wir müssen euch schützen! Hier sind die Vorschriften!“

Eine derartige Politik hat es in dieser globalen Einheitlichkeit noch nie gegeben. Dabei zeichnen sich nur die ungeheuren, ungeheuerlichen Kosten und Schäden einigermassen klar ab: wirtschaftlich und finanziell, sozial und psychologisch.

Den wirtschaftlichen Lockdown können sich vielleicht fünf Länder auf dem Globus leisten, die anderen 195 werden, unter gigantischen Opfern, weiter in die Schuldenabhängigkeit getrieben – ein neuer Kolonialismus.

Kranke und alte Menschen starben isoliert in Spitälern, auch an Einsamkeit und Verlassensein, „geschützt“ durch einen „Schutz“, der ihnen aufgezwungen wurde, zu dem sie nicht befragt wurden und den viele ablehnten.

Es gibt rund 200 Länder auf dieser Welt, es gibt noch viel mehr Virologen, und sie sind sich überhaupt nicht einig. Doch das Narrativ der Behörden war stärker.

Wer Fragen stellte, wurde abgekanzelt: Bist du etwa Virologe? Nein, bin ich nicht. Aber ich informiere mich. Und ich sehe, es gibt sehr viele offene Fragen.

Zu viele für die Rechtfertigung des repressiven Corona-Regimes; demokratische Rechte wurden beschnitten ohne erkennbaren medizinischen Nutzen.

Obduktionen waren unerwünscht – selber denken auch.

Beispiel Ukraine-Krise. Sofort wird ein Bösewicht vorgeführt. „Putin, der Schreckliche“. Er allein soll an allem schuld sein. 

Reflexartig wird alles Russische zur Hölle geschickt. Besonders krass trieb es die Universität (!) Mailand-Bicocca.

Der italienische Schriftsteller Paolo Nori musste sein Seminar über den russischen Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski „verschieben“. Zitat aus der offiziellen Begründung:

Es solle „jede Kontroverse, insbesondere interne, in Zeiten starker Spannungen“ vermieden werden. Dostojewski starb 1881: einhundertundeinundvierzig Jahre vor dem Ukraine-Krieg.

Was sich die Uni-Leitung dabei gedacht? Hat sie gedacht?

Beispiel „Energiekrise“. Müssten wir nicht fragen: Auf welcher Fakten-Grundlage „wissen“ wir von einer Energiekrise? Und warum genau haben wir eine Energiekrise?

Stattdessen wollen uns nicht-gewählte Behörden „Pinkeln beim Duschen“ als der Weisheit letzten Schluss zur Rettung der Menschheit verkaufen.

Klimawandel, Migration, „gender“- und „woke“-Thematik: kein Mangel an Tummelfeldern für „Mit-und-ohne-Glieder*innen“(Marco Caimi) des selbsternannten Wahrheitsclubs.

Letztes Beispiel, der Hype um „kulturelle Aneignung“ mit seiner „cancel“-Un-Kultur. In Bern wurde  ein Konzert gestoppt, weil weiss-häutige Musiker Rasta-Frisuren trugen.

Ich frage diese Zensur-Enthusiasten: Habt ihr euch eigentlich auch die andere  Seite angeschaut?

Gemäss eurer Doktrin müssten wir von sämtlichen Veranstaltern in ganz Asien, in ganz Afrika, in ganz Mittel- und Südamerika verlangen, alle Konzerte zu „canceln“, an denen „unsere“ Bach, Verdi, Britten, Beethoven, Mozart aufgeführt werden sollen, von Musikern ohne unseren Pass.

Wer will das? Wem soll das dienen? Was haben sich die Geschäftsführer der Berner Brasserie Lorraine dabei gedacht, dieses Konzert zu „canceln“? Haben sie gedacht?

Denken ist un-cool geworden. Wir lassen uns lieber Märchen erzählen, glauben lieber an Narrative.

Das hat entscheidende Vorteile. Märchen offerieren klare Moral, sie verheissen Sicherheit, sie teilen die Welt in Gut und Böse – und natürlich ist für mich klar, dass ich auf der richtigen Seite stehe.  

Glaubst du, was ich glaube? Dann kommen wir beide in den Himmel. Glaubst du etwa nicht, was ich glaube? Dann auf den Scheiterhaufen mit dir.

Denken? Unerwünscht.

Es geht auch anders. Dazu gibt’s sogar ein Märchen. „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen.

Während die lächerlichen Erwachsenen ihren „Kaiser“ feiern, schaut ein einzelnes kleines Kind einfach hin und sagt frei, was es sieht: Der „Kaiser“ steht ja in der Unterhose da.

Womit ich an den Philosophen Immanuel Kant (1724-1804) erinnern möchte. Seine Antwort auf die Frage, was Aufklärung sei, ist ein Klassiker:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“

„Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.“

„Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!, ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

„Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so grosser Teil der Menschen zeitlebens unmündig bleibt; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen.“

„Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen.“

„Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdriessliche Geschäft schon für mich übernehmen.“

Was für ein Plädoyer fürs Denken. Kant sagt nicht einfach: „Mensch, denk doch mal!“ Er sagt: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Kant wusste, wer seinen Verstand einsetzen möchte, braucht Mut.

Auch den Mut, zum Beispiel, sich als „Querdenker“ beschimpfen zu lassen. Aber was wäre denn eine Demokratie ohne Querdenker? Sie wäre nicht denkbar.

Wir Menschen heute brauchen für dieses mutige Denken vor allem auch Medienkompetenz. Unsere Informations-Gier – „Wir informieren uns zu Tode“ (Gerald Hüther, Robert Burdy) – überschwemmt uns mit einem „Informations“-Tsunami.

Viele kapitulieren: „Ich schalte ab!“ Verständlich. Aber fatal.

Ich muss mich also an die Arbeit machen: Welche Informationsquellen nutze ich, von der Zeitung bis zum Online-Portal? Informieren sie mich transparent?

Wie stelle ich sicher, dass ich verschiedene Meinungen höre, um aus der Jeder-bekommt-bestätigt-was er-sucht-Blase herauszukommen?

Tönt das nach Arbeit? Genau, das ist Arbeit! Aber sie lohnt sich: damit wir niemandem mit seiner „Wahrheit“ auf den Leim kriechen.

Damit wir unsere Freiheit und unsere Würde bewahren.

Und damit schon „Hänschen und Gretchen“ lernen, was sie als Erwachsene nutzen können, ist mein grosser Wunsch: Medienkompetenz als Hauptfach bereits ab der Primarschule.