Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Schlagwörter: Caspar David Friedrich, Cyberspace, Goldener Schnitt, Herr der Ringe, Immersion, Immersionsmedien, Immersionsraum, Interface, Landschaft, Sakralisierung, Romantik

Disziplinen: Philosophie, Ästhetik

All Media are immersion media. They require a permanent focus of attention and fade out the reality. A total immersion will be constructed. Since the invention of panorama at the eighteen century the landscape becomes an experimental object as an illusions or immersion space. One famous representative is the Artist Caspar David Friedrich. At the early Romantics the subject of stage is a distinguish object of reflection. The possibility of illusion will be referring to subject. The sacralisation of landscape we found completely pronounced and reflecting of highest level. – At the succession the sacralisation turn to a stylistic way of landscape. The sty-listic way becomes intentional manipulative use, so at the film „The Lord of the Rings“, to at-tract the viewer in an optical, emotional and mental kind into the immersion space.

Abstract in Deutsch:

Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

1. Immersion

In einem gewissen Sinne sind alle Medien Immersionsmedien, Sie fordern eine anhaltende Fokussierung der Aufmerksamkeit und ein momentanes ganzes oder teilweises Abblenden der eigenen und umgebenden Wirklichkeit (z. B. Lesen, Fernsehen etc.) Die Geschichte der Medien ist auch eine Geschichte der fortschreitenden Immersionsmöglichkeiten und -zwänge. Das trifft ebenso auf Bild- und Schriftmedien, wie auf andere Arten der Inszenierungen zu wie religiöse Riten, Theater, Musik, Schaustellungen aller Art usw. (z.B. Museen, Erlebnisparks). Von der Felsenmalerei unserer Urahnen über die Erfindung der Hieroglyphen und der Schrift, der Zentralperspektive, den Buchdruck, des Panoramas und seiner Weiterentwicklungen, über die Fotographie und den Film bis zu digital erzeugten virtuellen Realitäten nimmt das Immersionserlebnis zu. Gearbeitet wird an der Ermöglichung einer totalen Immersion.

„Immersion“ (lat. immergere) meint das Eintauchen oder Versinken in einer anderen Erlebniswelt. Eine totale Immersion setzt voraus, dass alle Bezüge zur realen Welt abgebrochen werden. Je perfekter die Ersatzstimuli der virtuellen Realität (VR) sind, desto mehr ist ein Mensch davon überzeugt, dass alles real erlebt wird und „desto weniger kann der Mensch unterscheiden, ob er sich in einem eingetauchten (endo) oder einem aufgetauchten (exo) Zustand befindet.“ (Schmidt 1999, 241)

Fiktive Beispiele:

  • Welt am Draht: BRD 1973, Regie: Rainer Werner Fassbinder, Drehbuch: Rainer Werner Fassbinder und Fritz Müller Scherz ; Romanvorlage: Daniel F. Galouye 1964, Simulacrum 3.
  • Tron: USA 1982, Regie: Steven Lisberger, Drehbuch: Steven Lisberger, Bonnie Macbird.
  • Matrix: USA 1999, Buch und Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski.
  • Gedichte und Geschichten von Jorge Luis Borges, z.B. Die kreisförmigen Ruinen.

Philosophische Beispiele:

  • Berkely: „Esse est percipi.“
  • Descartes' Meditationen
  • Fichtes Bilderflucht: „Bilder sind: Sie sind das Einzige, was da ist, und wissen von sich nach Weise der Bilder: – Bilder, die vorüberschweben, ohne dass etwas sei, dem sie vorüberschweben; die durch Bilder von den Bildern zusammenhängen, Bilder, ohne etwas in ihnen Abgebildetes, ohne Bedeutung und Zweck. Ich selbst bin eins dieser Bilder; ja ich bin selbst dies nicht, sondern nur ein verworrenes Bild von den Bildern.“ (Fichte 1976, 78)

2. Die romantische Position

In der Romantik (und Romantik meint hier stets Frühromantik) war der Begriff der „Immersion“, wie er hier verwandt wird, noch unbekannt. Aber das Thema der Inszenierung und Illusion wird zum ausgezeichneten Gegenstand der Reflexion bei Dichtern, Schriftstellern, Philosophen und bei Caspar David Friedrich. Die Illusionsmöglichkeiten werden nicht mehr naiv antizipiert und an einer Verbesserung naiv weitergearbeitet, sondern werden selbst zum Thema. Der Name „Romantik“ ist Programm.

Die Romantik benennt sich anders als die Antike und das Mittelalter selbst, ebenso wie Renaissance und Aufklärung. Aufklärung und Romantik schließen an gebräuchliche Bedeutungen dieser Ausdrücke an.

Die Aufklärung (Illumination) profitiert von der in ihren Namen enthaltene Lichtmetaphorik (z.B. Platons Höhlengleichnis, lumen naturale usw.). Die „Erschleichung von semantischem Potential“ ist heute ein beliebter Kunstgriff der Werbebranche (vgl. auch im Folgenden: Junk 1998, 137 f).

Damals bezog sich der Begriff „Romantik“ auf das Rittermilieu und meinte soviel wie „ritterlich“. Zudenken ist hier etwa an die in altmeisterlicher Manier gemalten Bilder der Nazarener. Der Name „Romantik“ stammt von Friedrich Schlegel. Er bezieht sich nicht auf die Ritter und das Mittelalter, sondern auf die literarische Form des Romans, auf die Etymologie des Wortes „romantisch“: romanartig, romanbildend, romanhaltig, also auf eine erdichtete Erzählung größeren Umfangs. Für Schlegel aber auch Novalis war der Roman keine beliebige Kunstgattung, sondern der Inbegriff und die Summe alles Poetischen. Griechisch „poiesis“ meint soviel wie Her vor bringen, produzieren. „Poesie“ ist für Schlegel und Novalis eine bestimmte Art zu denken, die etwas produziert, gleichsam ihren Stoff selbst her vor bringt. Novalis spricht von einer „Erfindungskunst ohne Data“. (Novalis 1907, Bd. 3, § 936)

„Ohne Data“ meint, das sich die Kunst nicht auf fertige und vom Prozess der Her vor bringung unabhängige Elemente stützen kann. Ihre „Elemente“ (Sprachmaterialien, Töne, Farben, Abbildbares im weitesten Sinne usw.) erhalten erst im Kontext in der Konstellation, durch die Erfindung einer besonderen Kombination oder Situation ihren Charakter und Bedeutungsmöglichkeiten, den sie außerhalb dieser Konstellation nicht besitzen. Als Beispiel mag hier ein Gemälde von Caspar David Friedrich dienen (Abb. 1):

Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 1: C.D.F.: Ruine im Riesengebirge, um 1815―1820, Öl auf Leinwand, 70 x 101, Greifswald, Städt. Museum.

Eine solche Landschaft wird auch als „Kompositlandschaft“ bezeichnet. Akribische Natur- und Architekturstudien, Blumen, Kräuter, Bäume, Gesteins-, Landschafts-, Gebirgsformationen, Fischernetze, Ruinen, Gebäude, Personen usw., werden mehrfach und in unterschiedlichen Kontexten verwendet. Teilweise werden sie dafür auch verändert.

Die verwendeten Elemente werden innerhalb der Bildkomposition zu Daten, d.h. zu Elementen von Tatsachen. Tatsachen, Daten sind Sachverhalte. Die einzelnen Elemente, (Der Gebirgszug, Baum, Ruine usw.) sind Bestandteile, also Elemente von Sachverhalten. Allerdings muss die Möglichkeit im einzelnen Element bereits angelegt sein. Sie können nicht willkürlich verwendet werden.

So wie nach Wittgenstein die Welt alles ist, was der Fall ist, nämlich die Gesamtheit der Tatsachen, Sachverhalte, nicht der Dinge, (vgl. Wittgenstein 1963, Tractatus 1 ff.) so ist ein Text, Musikstück, Film, ein Theaterstück, ein Ritus, ein Gemälde usw. die Gesamtheit der Sachverhalte innerhalb dieser Inszenierungen. Sie sind die Welt dieser Elemente (einer Geste, einer Handlung, einer Sequenz, eines Tones, oder eines Bildelementes). Sie sind Elemente, Daten einer virtuellen Realität, einer möglichen oder vermeintlich tatsächlichen Welt. Auch die virtuelle Welt ist ein Bezugs- Bedeutungs- und Verweisungsgefüge. Die Romantiker sahen darin die Mehrdeutigkeit der Kunst begründet. Alles hängt mit allem zusammen, so dass die Reflexion kein Ende finden kann.

Im Prozess der ästhetischen Produktion werden die Materialien erst zu Elementen, Daten von Bildtatsachen oder -sachverhalten. Die Poesie (die Her vor bringung) bringt ihren Stoff selbst her vor. Das trifft natürlich für jede Art von Kunst zu, ebenso für die Sprache, wie für Riten usw. Der Unterschied besteht darin, dass den Romantikern, einschließlich Friedrich dieses nicht bloß sehr bewusst war, sondern sie sich durch ihr Bewusstwerden dieses Zusammenhangs, der gewissermaßen vorher ein Verblendungszusammenhang war, sich eine Freiheit in der Produktion von Illusionswelten eroberten. Sie begaben sich dabei auf ein Reflexionsniveau, das die künstlerische Produktion, die Poesie, die Her vor bringung selbst zum Gegenstand der Reflexion machte. Dies Niveau finden wir auch in ihren Werken. Was die Romantiker hier leisteten ist keine Verklärung, wie ihnen gern vorgeworfen wird, keine Gegenaufklärung, sondern Aufklärung im eigentlichen Sinne, nämlich Aufklärung über eine Täuschung. Sie ist Ent täuschung, ein Naivitätsverlust und ein sehr kantisches Projekt.

Kant zeigte in seiner KdrV, dass wir nicht die Dinge an sich erkennen, sondern lediglich die Dinge, wie sie uns auf Grund unserer Erkenntnismöglichkeiten und -bedingen erscheinen. Er entlarvte die vormals naive Ansicht, dass wir die Welt erkennen wie sie ist, als universalen Verblendungszusammenhang. Für die Romantiker: Schelling, Schlegel, Novalis, Hölderlin, Fichte und im gewissen Sinne auch Hegel ist jede Form geistiger Produktion eine Produktion von Schein, einschließlich dessen, was „Wirklichkeit“ genannt wird. Diese produzieren wir sozusagen automatisch. Die Romantiker sprechen von „Unmittelbarkeit“. Für sie und für Friedrich ist die Kunst, also die Poesie oder Her vor bringung der Mittelpunkt der Reflexion (vgl. Rzucidlo 1998, 50 f.; Frank 2004) und ihr Umfang. Damit ist sie aber ähnlich wie Gott bei Nikolaus von Kues Mittelpunkt und Umfang einer in den Her vor bringungen eröffneten Welt. In diesem Sinne ist das Kunstwerk der Romantik ein offenes Kunstwerk und ein konzeptionelles. In der Kunst verfügen wir freier über diese Produktionsmöglichkeiten als in unserer alltäglichen immer schon vollzogenen Wirklichkeitsproduktion. Entsprechend ihres offenen und konzeptionellen Charakters signierte und untertitelte Friedrich seine Werke nicht. Er setzte auf die günstige Stunde beim Betrachter:

    „...andeuten müsse ein Bildwerk nur, vor allem aber geistig aufregen und der Phantasie Spielraumgeben.“ (z. n. Rzucidlo, 94)

Das Spiel der Phantasie verweist auf Kants „freies Spiel der Einbildungskraft“ (vgl. Frank 2004). Wie die Wirklichkeit, der wir ja auch ohne Metatext aus gesetzt sind, alle Kommentierungen sind von uns geschaffen und Innerweltlich, sind alle Verweisungen, die in einem Bildwerk entdeckt werden können, diesem immanent. Tauchen wir in die Realität des Bildes ein, wird unser Fühlen, Denken Handeln zu einem Teil der Bildwirklichkeit mit entsprechenden Auswirkungen. Dem Satz von Arthur P. Schmidt:

    „Da unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit aufgrund des Interface unseres Gehirns bereits virtuell ist, ist die so genannte Virtual Reality (VR) eigentlich bereits eine Virtualität zweiter Ordnung.“ (Schmidt 1999, 109)

Hätten die Romantiker sicher voll unterschrieben, allerdings das ganze etwas romantischer ausgedrückt. Für sie war schließlich alles Poesie:

    „Das Äußere ist ein in Geheimniszustand erhobnes Inneres. (vielleicht auch umgekehrt.)“ (Novalis Bd. 2, § 62, S.196)

Oder:

    „Wenn ihr die Gedanken nicht mittelbar (und zufällig) vernehmbar machen könnt, so macht doch umgekehrt die äußeren Dinge unmittelbar (und unwillkürlich) vernehmbar, ― welches ebensoviel ist, als wenn ihr die Gedanken nicht zu äußeren Dingen machen könnt, so macht die äußeren Dinge zu Gedanken. … Beide Operationen sind idealistisch. Wer sie aber vollkommen in seiner Hand hat, ist ein magischer Idealist. Sollte nicht die Vollkommenheit jeder von beiden Operationen von der anderen abhängig sein?“ (ebd., § 73, 199 f.)

Die Romantiker waren gewissermaßen frühe Konstruktivisten.

3. Die Welt als Interface

„Abstrakt formuliert ist „Landschaft“ das Ineinandergreifen von räumlicher und körperlicher Ausdehnung, veranschaulicht an einem Stück Natur.“ (Hoffmann, 1974, 10)

So definiert Werner Hofmann „Landschaft“ und stellt anschließend fest, dass seit dem 15. Jhd. die Maler sich darum bemühten, „die Erfahrungsdaten der sichtbaren Welt zu einem raum körperlichen Kontinuum zu verbinden“ (ebd.). Sie bedienten sich dabei der Linear- und Luftperspektive. Es entstanden scheinbar dreidimensionale Bilder, „in denen Körper und Atmosphäre, Nähe und Ferne zu einer Ganzheit verschmelzen“ (ebd.). Erst als der Mensch beginnt sich selbst zu entdecken, entdeckt er auch die Welt und die Natur. Während des Mittelalters war die Kunst auf religiöse Themen gebunden und zitierte Natur, Stadt und Land nur als „zeichenhafte Versatzstücke“ (ebd.) So entsteht das Bemühen, die Welt möglichst wirklichkeitsgetreu wiederzugeben. Bedingung für eine Wirklichkeitstreue war, die Konstruktion des Bildraumes als raum körperliches Kontinuum, welches den Gesetzen der Optik und des menschlichen Sehens unterlag. So bleibt die Landschaft nicht nur thematisch auf die Aktivitäten des Menschen in der Welt, bzw. des Heilgeschehens in der Welt, welches ja ebenfalls allein für die Menschen sich vollzieht, gebunden.

Der Bildraum, den die Linearperspektive eröffnete, ist vergleichbar eines starren Blickes aus einem Fenster. Der Beobachter blickt unbewegten Auges durch ein Fenster, welches der Bildrahmen markiert. Der Rahmen ist das Portal, durch das hindurchgeblickt, aber nicht hindurch gegangen werden kann. Beispiele gibt es viele. Erwähnt sei hier nur Claude Lorrain „Landschaft mit Ziegenhirt“ (Abb. 2).

Auch der Blick in eine Ideale Landschaft, soll eine Landschaft zeigen, die sich dem objektiven Blick des Menschen so darbieten würde, gäbe es diese Landschaft und nähme er den Betrachterstandpunkt außerhalb dieser Landschaft ein.

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Abb. 2: Claude Lorrain: Landschaft mit Ziegenhirt, 1637, 51,5 x 41,3 cm, Öl auf Leinwand, London, National Gallery

Die Haltung zur Welt und zu sich selbst ist die Haltung vor dem großen erkenntnistheoretischen „Paradigmenwechsel“ (vgl. Schnädelbach 1991). Die Grundfrage der Philosophie war von der Antike bis ins Mittelalter gleichgeblieben, nämlich die Frage nach dem ontos on, dem Sein des Seienden: „Was ist?“ oder „Was gibt es?“

Alles, was es gibt, ist nach gottgegebenen Gesetzen der Optik darstellbar und natürlich auch alles, was es nicht gibt. Während Descartes dem starken Verdacht nachging, dass die Welt einschließlich uns selbst nur ein schlechter Traum sein könnte, machte Kant, der „Alleszermalmer“, wie Heine ihn nannte, in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ ein für alle mal klar, dass wir die Dinge nicht so sehen wie sie an sich sein mögen, sondern wie sie uns auf Grund unserer Anschauungsbedingungen erscheinen. Er vollzog die sogenannte zweite kopernikanische Wende. Die erste Wende katapultierte den Menschen aus dem Zentrum des Kosmos, die zweite inthronisierte ihn zwar wieder zum Zentrum seiner Welt, aber eben nur seiner Welt, wie sie ihm erscheint, nicht der wie sie unabhängig von seinen Erkenntnis- und Anschauungsbedingungen an sich existieren mag, oder eben auch nicht existiert, wenn Descartes Zweifel angebracht sind. Der Hochmut des Menschen, das Maß aller Dinge zu sein, hat sich in alptraumartiger Weise bewahrheitet. Gefangener seiner Systembedingungen ist er zwar Produzent, aber nicht Herr seiner Hirngespinste, oder vielleicht nicht einmal das. Die Welt gleicht Piranesis (1720 1778) „Carceri” (Abb. 3), aus denen es auch keinen Ausgang gibt. Die philosophische Grundfrage lautete entsprechend: „Was kann ich überhaupt wissen?“

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Abb. 3: G.B. Piranesi: Carceri d‘invenzione“ Blatt 7, 1760, Radierung, 55 x 42, Paris, Bibliotheque Nationle de France.

Der Fensterblick der Linearperspektive erwies sich nicht als objektiver Blick auf die Dinge, sondern als subjektiv verzerrter Blick auf die Dinge als Erscheinung. Bilder, die mehrer Ansichten vereinigten, gaben die Dinge zwar vollständiger an und so im gewissen Sinne objektiver, aber die Objektivität bezieht sich jetzt auf subjektiven Wahrnehmungsmöglichkeiten eines Individuum. Sie sind bestenfalls Beobachterobjektiv. Rekonstruiert wird die virtuelle Realität erster Ordnung, in die wir immer schon eingetaucht sind, im Sinne einer Totalimmersion. Claudia Giannetti fasst die Konsequenzen so zusammen:

    „Von daher sind Beobachter und Schnittstelle zentrale Forschungsfragen der Endophysik. Der in der Theorie der Endophysik implizierte konzeptuelle Wandel hängt mit zwei Feststellungen zusammen: Zum einen, dass die objektive Wirklichkeit nur die Innenseite (Endo) einer Außenwelt (Exo) ist, weshalb die wahre Realität eine andere ist, als sie den Menschen erscheint, [Rössler 1996, 136] und zum anderen, dass die Wahrheiten unterschiedlich sind, je nachdem, ob ihr Ursprung von innen oder von außen stammt. »Perspektive ist, wie wohlbekannt ist, nicht vollständigobjektiv — sie ist ›Beobachterobjektiv‹. Die Welt zu verzerren ist unvermeidbar, wenn man ein Beobachter ist«. [ebd. 85] »Die Welt, die einer virtuellen Realität ohne Notausgang gleicht, kann nur von innen betrachtet werden«. [ebd. 117] Diese Forschung definiert sich als Meta Experiment oder Experiment der zweiten Stufe, das auf der Unterscheidung zwischen Endo und Exo gründet.“ (Giametti 2004)

Die Welt wird zum Interface.

4. Das Bild als Immersionsraum einer möglichen Welt

Die Welt als Interface ist das erklärte Forschungsgebiet der Endophysik, zu deren Säulenheiligen Rene Descartes gehört (vgl. Rössler/Schmidt 1998). Mit dem Interface, auch wenn es den Begriff damals noch nicht gab, experimentierten bereits die Romantiker. Für die Kunst um 1800 führt die Einsicht, dass es keinen objektiven weltdistanzierenden Beobachterstandpunkt gibt zur Notwendigkeit, den Betrachter und damit seine Perspektive mit ins Bild einzubeziehen. Ewelina Rzucidlo sieht die Konsequenzen, wenn sie feststellt: „Die Überzeugungskraft eines Kunstwerks entsteht in der Aufhebung der Grenze zur Realität.“ (Rzucidlo 1998, 59 f.)

Sie nennt zwei Weisen diesem „Wirksamkeitsanspruch“ zu realisieren (vgl. ebd.):

    1. In der „realitätsverfremdenden Perspektivdarstellung“, etwa in den „Carzeri“ von Piranesi durch „verwirrend überlappende Linearkonstruktionen“, oder

    2. in der „deskriptive[n] Nachahmung der Welt“, etwa mittels Camera Obscura oder Camera Lucida und dem Panorama und seinen Varianten.

Rzucidlo erkennt klar, dass C.D.F. den ersten Weg verfolgt, während das Panorama zum Massenmedium entwickelt wird.

Die 380 Grad Ansicht des Panoramas suggeriert zunächst so etwas wie eine Demokratisierung des Blicks. Der Blick kann frei umherschweifen als befände sich der Betrachter in einer freien Landschaft, und ist nicht „festgenagelt“ wie in den zentralperspektivischen „Fensterbildern“. Der Immersionseindruck muss für die damaligen Betrachter und ihre Sehgewohnheiten überwältigend gewesen sein, wie aus Augenzeugenberichten zu entnehmen ist (vgl. Grau 1999). Einmal davon abgesehen, ob Überwältigung demokratisch ist, und nicht eher die Betrachter in die Knie zwingt (wenigstens solange bis sie ihre Medienkompetenz aufgerüstet haben, was dann einen weiteren Immersionsschub herausfordert), stellt sich die Frage:

    „...ob die fast allen Panoramen gemeinsame Verwendung von weiten erhabenen Landschaften und Horizontblicken .... ihren Ursprung in einem ‚Bürgerlichen Blick’ finden oder ob nicht die Konfiguration der Bildmaschinerie Panorama eine solche Motivik medienimmanent evoziert.“ (Grau 2001, 99)

Das ist sicher richtig, aber festzuhalten bleibt auch, dass das Panorama als Bildmedium auf der Höhe seiner Zeit war und das aufstrebende Bürgertum im Panoramablick ihren Blick auf die Welt, wie er war, oder wie sie ihn sich wünschten, wiedergab, den Überblick als Kontrollblick. Deutlich wird dies in Jeremy Benthams Modellgefängnis (Abb. 4).

Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 4: Panopticon (Gefängnis-Design), von Jeremy Bentham, 1791 (Foucault, 1977)

Die Zellen der Gefangenen waren bei dem „Panopticum“ um einen zentralen Beobachterturm angeordnet (vgl. ebd. 99 f.; Foucault 1977, 263). Diese Carceri schließen den Beobachter wieder aus, wiegen ihn in scheinbarer Sicherheit. Aus einer solch sicheren Distanz lässt sich auch eine erhaben überwältigende Landschaft mit genüsslichem Schauer ertragen. Das bürgerliche Subjekt lehnt sich zurück in seinem Lehnstuhl und betrachtet gefahrlos gewaltige aber gezähmte Bilder. Diese Lehnstuhlästhetik ist noch Kants Ästhetik des Erhabenen eigen. Sie kippt aber schnell um in eine Feldherrenperspektive bei den sehr beliebten Schlachtenpanoramen. Das Panorama bietet „einen illusionären Totaleindruck“, aber „ohne Hermetik“ fehlt auch das „Gefühl von Präsenz“ (Grau 2001, 100). Das Panorama ist das kongeniale Medium des bürgerlichen leidenschaftslosen und distanzierenden Blicks auf die Welt, und dieser Blick ist alles andere als demokratisch. Unter ihm organisiert sich die Welt. Elend und Leid, welche das bürgerliche Subjekt mit verursacht oder auch nur sieht, berühren ihn nicht existenziell. Leid und Elend ereignen sich anderswo, nicht an dem Ort der bürgerlichen Existenz, dem imaginierten Beobachtungsturm. Den Henkern des 20. Jhds. machte es dieser Blick leicht, sich von ihren Opfern und Untaten zu distanzieren und den anderen war es möglich, sie gar nicht erst als wirklich wahrzunehmen. Denn wirklich schien nur der Ort der eigenen kleinen Existenz und der ist scheinbar exterritorial. Die scheinbare Allpräsenz des Panoramablicks täuscht darüber hinweg, dass er gar nicht reflektiert, selektiv und zielorientiert und damit auf intelligente Art wahrnehmen kann (vgl. ebd.), sich also gar nicht in Relation zu den Ereignissen, Dingen, Menschen, Lebewesen setzen kann, die er im doppelten Sinne des Wortes übersieht. Ein Verblendungszusammenhang, der dem bürgerlichen Blick immanent ist, und der wenigstens für die Deutschen Ende des 2. Weltkrieges jäh zerbrach. Die Absurdität des bürgerlichen Blicks spiegelt sich im kafkaschen Universum wieder, in dem K. das Schloss, von wo aus sich die Welt organisiert nie erreichen und das Land nie vermessen kann. Denn es ist in seiner Betrachterobjektivität willkürlich und subjektiv, aber nicht K. ist der Beobachter und es ist nicht seine Subjektivität. Als der bürgerliche Blick unter dem Bombenhagel des 2. Weltkrieges zerbrach, zerbarst auch das imaginierte Schloss oder der Beobachtungsturm. Übrig blieb der realexistierende Führerbunker. Als die Welt sich nicht mehr auf sichere Distanz halten ließ, blieb Selbstmord als letztes Mittel, einmal um sich der Verantwortung zu entziehen, aber auch um der Ent täuschung, d .h. der Aufhebung von Täuschung, zu entfliehen, der Tatsache, dass sie selbst Teil der Welt sind, zu deren Führer, Baumeister, Organisatoren, Schlächter und Zeremonienmeister sie sich erhoben haben und damit in der Welt, im Bild und nicht außerhalb und in Sicherheit.

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Abb. 5: C.D.F.: Mönch an Meer, 1809-10, Öl auf Leinwand, 110 x 171,5, Berlin, Nationalgalerie.

Piranesi legt diesen Verblendungszusammenhang des bürgerlichen Blicks durch seine überlappenden Linearkonstruktionen gerade offen, ebenso Friedrich, wie wir gleich noch sehen werden.

Der „Mönch am Meer“ von 1809/10 ist C.D.F. frühstes Ölgemälde (Abb. 5) und bis zu seinem Spätwerk, „Das große Gehege“ von 1832, wohl auch das radikalste. Die einzige Senkrechte in dieser weiten Unendlichkeit suggerierenden Landschaft, in der Strand, Meer und Himmel ineinander übergehen, ist der winzige Mönch. Diese kleine Rückenfigur ist keine Staffage mehr, kein „schlichter Beobachter oder Zeuge“, wie Rzucidlo richtig feststellt:

    „Sie dient nicht Ausschließlich dem Hineinversetzen oder der Hervorrufung bloßer emotionaler Erregung. Sie ist Signatur seines Kunstverständnisses. Was die Figur Einmalig macht, ist die Überwindung der historischen Wahrnehmungsschwelle, d.h. das Abgehen von der tradierten Bildstruktur.“ (Rzucidlo 1999, 33).

Der Mönch markiert, das produktive Zentrum dieser trüben Welt. Diese Welt ist wie jede Welt begrenzt, aber in sich unendlich, ein unendliches Beziehungs- und Verweisungsgefüge mit unendlichen, aber keinesfalls beliebigen Bedeutungsmöglichkeiten, vergleichbar z.B. den überzähligen Mengen in der Mathematik, etwa der Menge der rationalen Zahlen. Sie ist zwar begrenzt, zu ihr gehören „nur“ alle rationalen Zahlen, gleich wohl unendlich, denn die rationalen Zahlen sind schlicht nicht abzählbar. Das produktive Zentrum aber ist für Friedrich die Kunst und diese bringt her vor, autonom und unmittelbar. Friedrich schreibt in einem Brief an Johannes Karl Hartwig Schulze, Dresden 8. 2, 1809:

    „Denn sehr wohl wussten jene achtungswerten Meister, dass die Wege, so zur Kunst führen, unendlich verschieden sind; dass die Kunst eigentlich Mittelpunkt der Welt, der Mittelpunkt des höchsten geistigen Strebens ist, und die Künstler im Kreise um diesen Punkt stehen. Und so kann es sich leicht zutragen, dass zwei Künstler sich gerade entgegen kommen, während sie beide nach einem Punkte streben. [Grafik] Denn die Verschiedenheit des Standpunktes, ist die Verschiedenheit der Gemüter, und sie können auf entgegengesetztem Wege beide ein Ziel erreichen.“ (z. n. Rzucidlo 1999, 39, vgl. Frank 2004, 4)

Friedrich gibt dazu folgende kleine Skizze (Abb. 6):

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Abb. 6: C.D.F.: Brief an J.K.H. Schulze, Dresden 8.2. 1809 (Ausschnitt). Freies Deutsches Hochstift – Frankfurter Goethe Museum, Frankfurt/M.

Das mag an Schleiermachers Vorstellung von der Mannigfaltigkeit und Einheit der Religion erinnern, die an die „Monadologie“ von Leibniz anschließt. Die Monaden sind „lebendige Spiegel“ (§ 14, 56 ff.). Die Summe der Vielfalt der individuellen Standpunkte ergibt nach Leibniz die vollkommene Perzeption. Er verdeutlicht diese Standpunktrelativität in seinem Stadtbeisspiel (§ 57), in dem „eine und dieselbe Stadt, von verschiedenen Seiten betrachtet, immer wieder ganz anders und gleichsam in perspektivischer Vielfalt erscheint“. (Vgl. Rzucidlo 1999, 40, Frank 2004). Aber die Standpunktrelativität bei Leibniz bezieht sich auf ein absolutes So sein. Von jedem Standpunkt aus ist ein Aspekt dieses So seins erkennbar. Leibniz geht hier von der sehr optimistischen Grundhaltung aus, dass der allgütige Gott gewiss nicht täuscht und die „beste aller möglichen Welten“ gewiss keine Täuschung sein kann.

Für Friedrich und die Romantiker hat sich durch Kant die Situation schlagartig verändert. Kants zweite kopernikanische Wende und seine Kritik der Gottesbeweise waren eine Katastrophe, an der auch Kleist verzweifelte. Alle metaphysischen Aussagen gelten nun als schlechterdings unbeweisbar, als bloßer Spekulatius, die sich nicht auf Erfahrungen stützen können (z.B. über die Seele, die Unsterblichkeit, die menschliche Freiheit, über Gott usw.) Heine nennt ihn nicht umsonst den „Alleszermalmer“ und vergleicht ihn mit Robbespiere, der nicht bloß den König geköpft und die Bastille gestürmt hat:

Immanuel Kant […] hat den Himmel gestürmt, er hat die ganze Besatzung über die Klinge springen lassen, der Oberherr der Welt schwimmt unbewiesen in seinem Blute, es gibt jetzt keine Allbarmherzigkeit mehr, keine Vatergüte, keine jenseitige Belohnung für diesseitige Enthaltsamkeit, die Unsterblichkeit der Seele liegt in den letzten Zügen – das röchelt, das stöhnt -, und der alte Lampe steht dabei mit seinem Regenschirm unterm Arm, als betrübter Zuschauer, und Angstschweiß und Tränen rinnen ihm vom Gesichte.(Heine 1998, 3234)

Alle Betrachterstandpunkte zusammengenommen ergeben keine vollkommene Perzeption eines absoluten So seins. Aus der Welt als Erscheinung gibt es kein auftauchen. Der Blick bleibt stets verstellt, so wie in vielen der Friedrichschen Bilder. Entsprechend ist auch die Kunst und nicht mehr Gott Mittelpunkt und Umfang der Welt. Und alles, was die Kunst her vor bringt ist Schein. Und jedem Künstler, aber auch jedem Betrachter konstituiert sich der Schein je nach Gemüts- und Geisteszustand, je nach Befindlichkeit standpunktrelativ. Darum musste auch Kleist selbst zum Kapuziner werden, denn was er zu finden hoffte, fand er nicht vor dem Bild, sondern zwischen ihm und dem Bild:

    „[...] und so ward ich selbst der Kapuziner, das Bild ward die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz. Nichts kann trauriger und unbehaglicher sein, als diese Stellung in der Welt: der einzige Lebensfunke im weiten Reiche des Todes, der einsame Mittelpunkt im einsamen Kreis.“ (Kleist, 959)

Die Rückenfigur im „Mönch am Meer“ gilt als Prototyp. Sie ist wie alle anderen Rückenfiguren Friedrichs weniger ein Porträt als ein Abstraktum. Seine Rückenfiguren sind schematisch, zum Teil falsch, fast nachlässig gezeichnet und immer wieder in andere Kontexte hinein kopiert worden. Der Mönch ist die etwas variierte Kopie aus Preißlers Zeichenbuch (Rzucidlo 1999, 162). Die Rückenfiguren ähneln eher Piktogrammen. Sie sind weniger Stellvertreter für die Betrachter, etwa Kleist, als Platzhalter des Subjekts, das sich selbst in eins mit der Welt und seinem In der Welt sein konstituiert. Der Platzhalter hält die Welt von ihrem Zentrum aus offen und mit ihr ein unendliches Bedeutungs- und Verweisungsgefüge, in das der Betrachter eintritt wie durch ein Portal, um in die „Anderwelt“ einzutauchen. Die „Anderwelt“ befindet sich nicht in einer anderen Dimension, sondern ist die Welt einer anderen Subjektivität, die sich in eins mit dieser Welt konstituiert haben wird. Etwas Ähnliches passiert in dem Film: „Being John Malcovich“(Spike Jonze 1999). Das heißt jetzt nicht, dass ein Betrachter z.B. Kleist nun die eröffnete Welt mit „den Augen Friedrichs sieht“. Er sieht sie so wie Friedrich sie sehen könnte, träte Friedrich durch das Portal der Rückenfigur in das Bild und brächte dieselbe psychische und mentale Konstitution mit wie Kleist. Was die Rückenfigur offen hält ist Welt als ein Möglichkeitsspielraum und der ist insofern als er unabhängig ist von einem beliebigen Betrachter etwas Objektives. Als realisierte Welt etwa als „weite[s] Reich[.] des Todes“ (Kleist) ist sie subjektiv mit den „Augen von Kleist gesehen“. Was auch immer Friedrich sich beim Malen gedacht hat oder empfunden haben mag, auf der Leinwand hat sich seine subjektive Welt in einen Möglichkeitsspielraum objektiviert, den mit Leben, also Subjektivität zu erfüllen jedem, der sich angesprochen fühlt, offen steht. In dem Film „Being John Malcovich“ geschieht vergleichbares. Und Malcovich muss feststellen, als er durch den berühmten Tunnel im 71/2 ten Stockwerk in seinen vermeintlich eigenen Kopf schlüpft, dass die Welt und seine Subjektivität, sein Ich, seine Identität sich zu einem Möglichkeitsspielraum objektivieren, der mit dem Malcovich, der da versucht, seine eigene Identität zurück zu erobern, nichts mehr zu tun hat und Illusion ist, wie er selbst. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Protagonist Schauspieler ist und letztlich Platzhalter, der eine mögliche Welt für andere offen hält und ist der andere auch er selbst. Er ist wie die Rückenfiguren in Friedrichs Bildern, deren Antlitze sich nie objektivieren lassen, weil sie jedes beliebige Antlitz annehmen können. Und mit jedem Antlitz variiert das Antlitz der Welt. Die Weise unserer Wahrnehmung bestimmt wie wir das Wahrnehmbare wahrnehmen.

Friedrich insistiert auf diese Offenheit des Kunstwerks, wenn er von ein einem Künstler XXX spricht und sich damit wohl selbst meint:

    „Gesetzt auch XXX hätte nicht allemal dass dabei gedacht und empfunden was seine Lobredner darin zu sehen glauben; so ist es doch schon ein großer Verdienst und vielleicht das Größte eines Künstlers geistig anzuregen und in dem Beschauer, Gedanken, Gefühle und Empfindungen zu wecken, und wehren sie auch nicht die seinen.“ (Hinz 1974, 56)

Die Rückenfiguren gewähren die Offenheit des Kunstwerks, sie ermöglichen selbst zum Kapuziner zu werden, wie Kleist oder zum „Wanderer über dem Nebelmeer“ oder „Zur Frau vor der auf- oder untergehenden Sonne“. Sie sind keine Staffagefiguren, sondern den Avataren des Cyberspace verwandt, vielleicht sogar deren romantische Vorläufer. Anders als ein Avatar ermöglicht die Rückenfigur zwar das psychisch mentale Eintauchen in den Immersionsraum des Bildes aber nur kontemplativ. Die Rückenfigur hält keinen Handlungsraum offen, sondern einen Raum der Kontemplation, des Nachdenkens und der Versenkung, ein con templum, einen Beobachtungskreis. Dieser war ursprünglich der Ort der Vogelschau (vgl. Kluge 2002,). Der Beobachtungskreis ist jetzt kein geografischer Ort mehr, sondern markiert das psychisch mentale In der Welt sein. So ist etwas auch für Heidegger oder Merleau Ponty das Da sein primär räumlich bestimmt und stets gestimmt.

Ein Avatar ermöglicht nicht nur die stumme Schau, sondern Handeln, Kommunizieren und Interagieren im Cyberspace. In der hinduistischen Mythologie sind Avatare wiedergeborene Wesen, die auf die Erde hinabsteigen, um die bedrohte Weltordnung zu retten. Im Computerzeitalter sind Avatare virtuelle Identitäten, durch die ein User in die virtuellen Welten des Cyberspace eintauchen, handeln und mit anderen Avataren oder virtuellen Geschöpfen kommunizieren und interagieren kann.

Gegen Friedrichs Rückenfiguren mögen die Avatare geradezu primitiv wirken, denn die Rückenfiguren erfüllen ihre Platzhalterfunktion perfekt, während die Avatare heute nur rudimentär die Funktion erfüllen, eine mögliche Welt als ein unendliches Bezugs- und Verweisungsgefüge offen zu halten, damit es sich in je subjektiver Weise realisiert. Aber die Idee ist virulent und an der Umsetzung wird gearbeitet. So sagte Bernd Kolb, der Geschäftsführer der I D Mediengruppe bereits in einem Interview mit Artur P. Schmidt an 4.6.1998:

    „Die VRML Welten, die gebaut wurden, sind auch eher das nachbilden unserer realen Welt, ganze Städte werden originalgetreu nachgebaut und die virtuelle Fortbewegung wird möglichst nahe an unserer jetzigen Wirklichkeit simuliert – auch ein echter Anachronismus, der wenig mit der eigentlichen Idee des Cyberspace gemein hat. Der Cycosmos geht hier einen anderen weg: hier entsteht eine echte, nonphysikalische Welt, die sich eher in den Köpfen der User visualisiert. Wir geben die Tools, um im Cyberspace zu leben, und leben heißt hierbei eher, die neuen sozialen und kommunikativen Freiheiten auszuprobieren. Diese Welt wird sich künftig sicher visuell manifestieren, aber dies wird von den entstehenden Notwendigkeiten der virtuellen Gesellschaft getrieben, die auch frei sein wird in der Gestaltung ihrer digitalen Umwelt. Es ist nicht wie in der biblischen Überlieferung, in der Gott zuerst die Welt und dann den Menschen geschaffen hat. Wir gehen den evolutionär umgekehrten Weg, den wir für den logisch richtigen halten.“ (Schmidt 1998)

Bei Friedrich klingt das viel romantischer, wenn auch nicht weniger drastisch:

    „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke und Tote erwartet.“ (Gemäldegalerie 1974, 25)

Friedrichs Bilder kultivieren nicht den pseudo objektiven Panoramablick. Sie sind aber auch keine „Seelenlandschaften“, wie manchmal zu lesen ist. Sie geben keine in eine Landschaft projizierte Gemütszustände Friedrichs wieder. Für Friedrich war Malen keine Therapie. Solch psychologisierendes Geschwätz verkennt völlig das hohe Reflexionsniveau der Romantik im Allgemeinen und Friedrichs im Besonderen. Seine Bilder eröffnen eine Welt, in deren Möglichkeitsspielraum einzutreten und ihn mit seinem Leben, seinem Sehnen und seinen Reflexionen zu erfüllen, jedem offen steht. Bilder, die dies nicht ermöglichen sind keine offenen Kunstwerke und gleichen jenen spanischen Wänden. Wenn das Sehnen und die Reflexion erlahmt, krankt das Leben und der Tod ist das Ende allen Sehnens und Reflektierens. Selbstironisch beschreibt Friedrich sich als einen Maler der „mit heiterem Sinne trübe Lüfte und erste düstere Landschaften“ malt (Hinze, 123).

Zu dem hohen Reflektionsniveau gehört auch Friedrichs medienkritische Einstellung. Friedrich legte Wert bei der Her stellung oder Her vor bringung seiner Bilder, dass beim Eintreten oder Eintauchen in die bloß mögliche Welt der Bilder nicht vergessen werden kann, dass es sich um eine gemachte Welt, um ein Bild handelt. Hier liegt wohl auch ein entscheidender Unterschied zu den Machern der VRML Welten, die eher in der Tradition der Panoramen, Dioramen und deren Variationen stehen. Ziel ist letztlich die Totalimmersion. Friedrich insistierte darauf selbst keine „Guckkastenbilder“ zu malen (Hinz, 65) und meint:

    „Wenn der Maler mit seiner Nachahmung täuschen will, als sei er ein Gott, so ist er ein Lump.“ (Hinze, 106)

Und:

    „Alle Täuschung macht einen widrigen Eindruck wie aller Betrug. Zum Beispiel Wachsfiguren werden immer etwas Zurückstoßendes haben, je täuschender sie gemacht sind. Ein Bild muss sich als Bild, als Menschenwerk gleich darstellen, nicht aber als Natur gleich täuschen wollen … wahrhaftig täuschen werdet ihr [Maler] doch nie, und [das] ist auch nicht die Forderung der Kunst.“ (Hinz, 112)

Das klingt wie die Antwort eines Künstlers auf Kants Diktum:

    „Es ist aber hiebei merkwürdig, daß, wenn man diesen Liebhaber des Schönen insgeheim hintergangen und künstliche Blumen (die man den natürlichen ganz ähnlich verfertigen kann) in die Erde gesteckt, oder künstlich geschnitzte Vögel auf Zweige von Bäumen gesetzt hätte, und er darauf den Betrug entdeckte, das unmittelbare Interesse, was er vorher daran nahm, alsbald verschwinden, vielleicht aber ein anderes, nämlich das Interesse der Eitelkeit, sein Zimmer für fremde Augen damit auszuschmücken, an dessen Stelle sich einfinden würde. Daß die Natur jene Schönheit hervorgebracht hat: dieser Gedanke muß die Anschauung und Reflexion begleiten; und auf diesem gründet sich allein das unmittelbare Interesse, was man daran nimmt. Sonst bleibt entweder ein bloßes Geschmacksurteil ohne alles Interesse, oder nur ein mit einem mittelbaren, nämlich auf die Gesellschaft bezogenen verbundenes übrig: welches letztere keine sichere Anzeige auf moralisch gute Denkungsart abgibt.“ (KdU, A 165/Hervorhebung B.N.))

Friedrich fordert analog, dass ein Mensch jene Schönheit her vor gebracht hat, es sich also um ein Werk der Kunst, ein Bild handelt, dieser Gedanke muss die Anschauung und Reflexion begleiten. Denn darauf gründet sich allein unser unmittelbares Interesse an Kunst. So fühlen wir uns auch nicht getäuscht und betrogen. Denn allein „der Schein lügt nicht“, wie Josef Albers einmal sagte, und er meinte den Schein der Kunst (vgl. Nunold 2001; 2003).

Zu bedenken ist aber, dass die von der Natur hervorgebrachte Schönheit, von der Kant spricht, Wirklichkeit für uns nur als Erscheinung besitzt (endo nicht exo). Es handelt sich, wie bereits erwähnt um eine VR erster Ordnung. Diese aber wird von uns unmittelbar her vor gebracht. Das unmittelbare Interesse gründet sich in der unmittelbaren Her vor bringung, die zur Erscheinung bringt, was so wie es an sich selbst sein mag und wie es die Natur an sich selbst hervorgebracht haben mag, nicht erscheinen kann. Merleau Ponty spricht von „Urpräsentation des Nichturpräsentierbaren“ (Merleau Ponty 1986, 277). Wirklichkeit für uns ist eine präsentierte keine repräsentierte, und sie ist die einzige die wir haben. Wirklichkeit für uns ist im Sinne Novalis das Produkt einer „Erfindungskunst ohne Data“. Das heißt jetzt nicht, dass es außerhalb unserer Wirklichkeit nichts gibt, es gibt nur nichts für uns. Versuchen wir dahinter zublicken, ergeht es uns wie dem von Novalis beschriebenen „Jüngling zu Sais“ oder wie Wittgenstein feststellt:

    „Um die eigentliche Artischocke zu finden, hatten wir sie ihrer Blätter entkleidet“ (1994, PU, 164).

Letztlich ist auch Physik stets Endophysik.

Mit einem Kunstwerk verhält es sich ähnlich wie mit den Her vor bringungen der Natur. Es ist zwar von einem Menschen her vor gebracht, aber jeder Betrachter und jede Betrachterin bringt es für sich her vor, stets aufs Neue (auch der oder die es handwerklich produziert hat). Im Prozess der Her vor bringung muss stets Gegenwärtig sein können, dass es sich hier um etwas Gemachtes handelt und nicht um ein Naturprodukt, sondern um ein Bild, eine ästhetische Realität, eine VR zweiter Ordnung. Auch diese Her vor bringung ist eine „Urpräsentation des Nichturpräsentierbaren“, aber eine zweiter Ordnung. Dahinter zu suchen ist ebenso sinnvoll wie nach der eigentlichen Artischocke zu fahnden. Uns mag es dabei gehen wie jenen „Revisoren“, von denen Terry Pratchett in „Der Zeitdieb“ (2004) erzählt. Die Revisoren zerlegen in einem Museum die Kunstwerke in ihre subatomaren Bestandteile, um herauszufinden was Schönheit ist.

5. Bildkonstruktion und die Sakralisierung der Landschaft als Ausdruck der Abwesenheit des Heiligen

Friedrich lehnt es ab Natur vorzutäuschen. Seine Bilder sollen sich als Gemachte, als „Menschenwerk“ zu erkennen geben. Entsprechend artifiziell sind Raumordnung, Farbe, Licht und Form (vgl. Rzucidlo 1999, 175 f). Die Künstlichkeit und Konstruiertheit seiner Landschaften wurden nicht nur von Goethe heftig kritisiert, als „Kunst des Geometers“. Ein Typisches Konstruktionsschema war das so genannte “hyperbolisches Schema” (Wolfradt 1924, 125). Die Landschaft wird durch gegenläufige Hyperbelformen konstruiert. Ein weiteres Konstruktionsschema ist der goldene Schnitt. Kügelgen soll sich darüber verwundert haben, dass in seinem Atelier als „[…]einziger Wandschmuck eine einsame Reißschiene hing, von der niemand begreifen konnte, wie sie zu ehren kam“ (Hinz, 218).

Friedrichs Bilder sind Konstrukte, aber sparsame Konstrukte. Gegenständlich konkretisiert wird nur das Wenige, das nötig scheint, um den Betrachtenden Anreize zu Reflexionen und Assoziationen zu geben. Seine Zeitgenossen überkam nicht selten beim Betrachten seiner Bilder eine Art horror vacui. Sie empfanden sie als monoton und leer und wie gesagt als konstruiert. Sie widersprachen eingeübten Sehgewohnheiten (vgl. Rzucidlo, 175).

Friedrich hingegen mag die herkömmliche Malweise gekünstelt vorgekommen sein und er verspottet das „so genannte Komponieren“ (Hinz, 95). Er kritisiert die Bildkonstruktion basierend auf einen Sehwinkel von 45 Grad. Das natürliche Sehfeld beträgt annähernd 200 Grad (vgl. Rzucidlo, 110 ff.). Friedrich scheint dies gewusst zu haben und schreibt:

    „Denn was die neueren Landschaftsmaler in der Natur in einem Kreis von 180 Grad gesehen, pressen sie unbarmherzig in den Sehwinkel von 45 Graden zusammen. Und was also in der Natur durch große Zwischenräume getrennt lag, berührt sich hier im Gedrängten Raum, überfüllt und übersättigt das Auge und macht auf den Beschauer einen widrigen, beängstigenden Eindruck. Und das Element des Wassers zieht immer den Kürzeren dabei, und das Meer wird zur Pfütze.“ (z. n. Rzucidlo, 111; in der Forschung falsch zitiert, Hinz „100 Graden“, S.96)

Das „hyperbolische Schema“ ist eine Konsequenz aus Friedrichs Raumverständnis. Bei einem Sehwinkel von annähernd 200 Grad erscheint die Landschaft wie von weitem betrachtet „in keilförmigen Teilen ineinander zu fließen und sich zu krümmen“ (Rzucidlo, 112). Schon allein dadurch erscheint der Horizont vielfach verstellt. Vergitterungen verstärken diesen Eindruck noch. Friedrich entwickelt aus beiden ein typisches Stilmerkmal seiner Landschaften, was ihm u. a. den Vorwurf der „Kulissenmalerei“ eingebracht hat. Die Wirkung dieses Stilmittels ist gleich wohl ernorm. Es entsteht der Eindruck einer schier unerreichbaren Ferne, die auf den Leib rückt, und alle Vertrautheit und Nähe mit sich fort nimmt. Die Ferne rückt nah und die Nähe fern.

Ähnlich verhält es sich mit der dem 180 Grad Sehwinkel geschuldeten Krümmung der Landschaft. Die gegenläufigen Hyperbelformen, die in vielen seiner Bilder zu finden sind, entstehen zwar zwangsläufig durch die von den Seiten in das Bild ziehenden keilförmigen Landschaftsteile. Doch auch sie werden so herausgearbeitet, dass sie zu typischen Stilmerkmalen seiner Landschaften werden. Während der untere und damit vordere Teil des Bildes durch die Krümmung der Landschaft sich nach unten wölbt, wölbt sich der obere Teil nach oben. Im Bild treffen sich also zwei Hyperbeln, eine konvexe und eine konkave. In den Spiegelungen und den Formationen am Boden und in den Wolkenformationen werden die Hyperbelformen variiert. So treffen z.B. zwei Halbschalen so aufeinander, dass sie eine Art Ellipse bilden, in der sich am Himmel ein hellerer Bereich öffnet und z.B. den Rahmen für einen Gebirgszug bildet. Oder am Boden spiegelt sich der Himmel in einer Wasserlache (Abb. 7), um nur einige Beispiele zu nennen. Oben und Unten, Vordergrund und Hintergrund, Links und Rechts verweisen aufeinander. Innerhalb dieses Bezugs- und Verweisungsgefüges werden die einzelnen Bilddetails zu Momenten eines Bildgeschehens, zu Daten, zu dem was der Fall ist und verweisen zugleich über sich hinaus in einen nicht mehr begrifflich zu fixierenden Gesamtzusammenhang.

Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 7: Einsamer Baum, um 1822, Öl auf Leinwand, 55 x 71, Berlin, Schloss Charlottenburg, Galerie d. Romantik.

So schreibt A.W. Schlegel: „Alle Dinge stehen in Beziehung zu einander, alles bedeutet alles […]“ (Schlegel 1963, II, 251)

Und:

    „Denn jedes Ding stellt zuförderst sich selbst dar, d. h. es offenbart sich sein Inneres durch sein Äußeres, sein Wesen durch die Erscheinung (es ist also Symbol für sich selbst); demnächst das, womit es in näheren Verhältnissen steht und Einwirkungen davon erfährt; endlich ist es ein Spiegel des Universums.“ (Schlegel II, 83)

Jedes Ding ist also „Spiegel des Universums“, wie Leibniz Monaden, aber was sich da Spiegelt ist nicht die Gesamtheit alles irgendwie Seienden, kein Spiegel ist groß genüg, die Fülle alles Seienden zu spiegeln. Und doch spiegelt jedes Ding etwas unendlich viel größeres, ein unendliches Bezugs- und Vereisungsgefüge. Es kann dieses nur deshalb spiegeln, weil ein Gefüge und sei es auch unendlich keiner Dingkategorie angehört. Es handelt sich hier um die ontologische Differenz zwischen Sein und Seiendem. Nur innerhalb eines Bezugs- und Verweisungsgefüges werden die Dinge zu dem, was sie sind, zu dem, was der Fall ist innerhalb einer Welt. Dadurch sind sie zugleich Spiegel der Welt als Bezugs- und Verweisungsgefüge.

Bei Novalis gipfelt diese Vorstellung in einer Pansemiotik und dem Prinzip einer universalen Ikonizität. Die Beziehung zwischen Signifikat und Signifikant versteht er nicht als Kausalbeziehung, sondern sie besteht in einer Strukturanalogie, in der Weise der Beziehung und Verweisung. Es geht um Relationalität und Proportionalität, darum wie Signifikat und Signifikant als Relata in Relation zu anderen Relata stehen. Walter Benjamin spricht von „unsinnlichen Ähnlichkeiten“, Ähnlichkeiten der Konstellation oder Konfiguration (vgl. Benjamin 1992).

Obgleich das Verweisungsgefüge unendlich ist, ist es doch gewissermaßen „semiotisch geschlossen“. Alles verweist aufeinander, nichts weist über die eröffnete Welt z.B. der eines Bildes hinaus. Alle Bezüge sind innerweltliche bzw. innerbildliche Bezüge. Die Offenheit des Kunstwerks ist diesem Weltcharakter geschuldet. Wir können in diese Welt eintauchen und so zu einem konstituierenden Teil werden und das Bezugs- und Verweisungsgefüge mit unseren Reflexionen und Assoziationen aufladen. Als Teil dieses Gefüges, werden wir aber auch durch die anderen Teile determiniert und zum Spiegel des ganzen Gefüges. Zugleich mahnt aber die Künstlichkeit des Gebildes stets daran, dass es sich nur um eine Inszenierung handelt. Im Bild wird die Künstlichkeit der Welt reflektiert. Es ist typisch für die romantische Form der Ironie, dass sie stets die Reflexion betont und statt Widersprüche aufzuheben, diese widerspiegelt, reflektiert und aushält, gleichzeitig aber deren Auflösung als notwendiges, wenn auch unerreichbares Ziel betont. Die Ironie ist eine Form der Selbsttransparenz der Poesie, der Her vor bringung. Sie macht den Widerspruch transparent aus dem allein sie Leben kann und dessen Aufhebung ihr Tod wäre, über den Hegel sinnierte. Die Aufhebung des Scheins durch die Vollendung des Systems, also der hegelschen Wirklichkeit, oder die Aufhebung der Wirklichkeit durch die Verabsolutierung des Scheins sind beides romantische Projekte, denen die Ironie verloren gegangen ist (vgl. dazu: Junk 1998, 165 ff.)

Dieses Selbsttransparenz des Bildes als Bild feiert die Transzendenz als immanent und die Immanenz als transzendent. Friedrich erreicht dies nicht allein durch seine Verwendung des 180 Grad Sehwinkels und des „Hyperbolischenschemas“. Er konstruierte den Großteil seiner Bilder nach dem Goldenen Schnitt. Albert van der Schoot zeigt in „Die Geschichte des goldenen Schnitts“ (2005), dass anders als bisher angenommen, der goldene Schnitt weder in der Antike noch in der Renaissance eine größere Rolle spielte und auch nicht spielen konnte. Die Divina Proportione galt als irrationales und damit göttliches Maß und stand für das Unendliche und Unermessliche schlechthin. Sie war kein Menschenmaß. Der goldene Schnitt kam erst in der Romantik zu ehren als symbolisches Maß für die „Einheit in Verschiedenheit“, die „Einheit von Einheit und Zweiheit“ und überhaupt für das Zusammengehörens des Differenten in einer höheren Einheit, wobei das je unterschiedene zugleich Wiederholung und damit Spiegel des Ganzen ist. Kein echter Romantiker konnte sich eine solche Symbolik entgehen lassen. Dies führte nicht selten zu krüschen Spekulationen, so z.B. über die Geschlechterdifferenz.

Interessant ist, dass der goldene Schnitt in dem historischen Moment zu Ehren kommt, in dem Gott und alles Göttliche zur unbeweisbaren Spekulation werden und lediglich als Regulative Idee als „Als ob“ noch Berechtigung hat. Als Regulative Idee kann das Göttliche zur Innerweltlichen Maßgabe durch ein letztlich Unermessliches werden. Der goldene Schnitt ist gewissermaßen die Proportion gewordene ästhetische Idee der regulativen Vernunftidee Kants. Für Kant ist die Landschaftsmalerei geeignet für den „Ausdruck ästhetischer Ideen“ (KU, B 209 f.), denn „das freie Spiel der Einbildungskraft in der Beschauung“ ist Kunstziel gerade auch der Landschaftsmalerei. Er bezeichnet sie als:

    „[…] bloß ästhetischen Malerei, die kein bestimmtes Thema hat (Luft, Land und Wasser durch Licht und Schatten unterhaltend zusammenstellt) […]“ (KU, Anm. A 207).

Die ästhetische Idee aber bildet das Pendant zur Vernunftsidee:

    „Eine ästhetische Idee kann keine Erkenntnis werden, weil sie eine Anschauung (der Einbildungskraft) ist, der niemals ein Begriff adäquat gefunden werden kann. Eine Vernunftidee kann nie Erkenntnis werden, weil sie einen Begriff (vom Übersinnlichen) enthält, dem niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann.“ (KU, Anm. I, A 237

Die ästhetische Idee ist eine Anschauung, der kein Gedanke gemäß ist. Die Vernunftidee ist ein Gedanke, dem keine Anschauung gemäß ist. Im goldenen Schnitt wird das schlicht Anschauungslose, Unermessliche zur ästhetischen Idee, zu einer Anschauung nicht von etwas Anschauungslosem, das wäre Budenzauber, sondern zur Anschauung von Anschauungslosigkeit. Es verhält sich damit wie mit einem Geheimnis. Wird es preisgegeben, ist es kein Geheimnis mehr. Damit es aber für uns geheimnisvoll werden kann, muss das Geheimnis als Geheimnis offenbar werden.

In Friedrichs Bildern ist nichts so offenbar wie das Geheimnis, und nichts gab so sehr das Maß für seine Bildkonstruktionen wie das schlechthin Unermessliche. Der goldenen Schnitt nimmt nicht nur, die Pansemiotik wieder auf. Er ist bei Friedrich Bild gewordene Ikonizität, wenn unter Ikonizität Strukturanalogie zu verstehen ist, also so etwas wie Benjamins „unsinnliche Ähnlichkeiten“. Friedrich treibt hier die Ironie auf die Spitze, in dem er den „focus imaginarius“ als Muster oder Struktur im Bild realisiert, ohne aber einem Bildgegenstand die Last eines Symbols aufzuerlegen. Nichts ist so offenbar wie das Geheimnis und nichts ist so verborgen wie das Offenbare.

Der „focus imaginarius“ ist nach Kant dem Verstande notwendig. Damit das Denken auf ein Ziel gerichtet ist, von dem es zwar nicht ausgehen kann, weil es außerhalb jeglicher Erfahrungsmöglichkeiten liegt, das aber dem Denken eine größtmögliche Einheit und zugleich Ausweitung verschaffen soll (vgl. KdrV, B 672/A 644). Für Kant entspringt hieraus die Täuschung, dass die Richtung des Gedanken von dem vermeintlichen Gegenstande ausgeht, der doch außerhalb jeder empirischen Erkenntnismöglichkeit liegt. Kant spricht von Betrug und Illusion, die doch notwendig ist, wollen wir unsere Gedanken weit über jede Erfahrung hinaus treiben, um die Gegenstände zu sehen die gleichsam „weit davon uns im Rücken liegen“ (ebd.).

Friedrich hebt diesen Widerspruch im Bild nicht auf, sondern entfaltet ihn und macht ihn zugleich offenbar, in dem er ihn in der Bildstruktur verbirgt. Diese aber liegt für jeden offen zu Tage, so „daß sie nicht betriegt“, wie Kant zu sagen pflegt (ebd.). Das ehemals Transzendente wird zur bildimmanenten Struktur, das die Bildwirklichkeit als eine unfassbare und geheimnisvolle konstituiert. Es erscheint aber nie als Bildgegenstand. Friedrich hat dies mit seinem „Tetschener Altar“ (Abb. 8) und seinem Kommentar zu diesem Bild deutlich gemacht:

Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 8: C.D.F., Tetschener Altar, 1808, Öl auf Leinwand, 115 x 110,3, Dresden, Staaliche Kunstsammlungen.

    „Es starb mit Jesu Lehre eine alte Welt, die Zeit, wo Gott der Vater unmittelbar wandelte auf Erden; […]“ (C.D.F.: Schreiben an K.H. Schulz, 8. Feb. 1809, z. n. Frank 2004, 28)

Hölderlin beschreibt diese Erfahrung in „Brot und Wein“:

    „[…] Aber Freund! wir kommen zu spät. Zwar leben die Götter

    Aber über dem Haupt droben in anderer Welt.

    Endlos wirken sie da und scheinens wenig zu achten,

    Ob wir leben, so sehr schonen die Himmlischen uns.

    Denn nicht immer vermag ein schwaches Gefäß sie zu fassen,

    Nur zu Zeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch,

    Traum von ihnen ist drauf das Leben. Aber das Irrsal

    Hilft, wie Schlummer und stark machet die Not und die Nacht, […]

In dem Friedrich das ehemals Transzendente als Bildimmanentes Geheimnis konstruiert, wird die Immanenz zugleich transzendiert in etwas Unfassbares und Unbestimmbares. Der focus imaginarius seiner Bilder ist auf unendlich eingestellt. Im gewissen Sinne ist Friedrich wie Hölderlins „Dichter in dürftiger Zeit“, die „wie des Weingotts heilige Priester … von Lande zu Land zogen in heiliger Nacht“ (aus: Brot und Wein).

Mag sein, dass Friedrichs 180 Grad Perspektive und seine ausgefeilte Bildkonstruktion wie das Panorama erhabene Landschaften „medienimmanent evoziert.“ (Grau 1999, 99), so ist doch sein Ausblick ins Unbestimmbare und Unfassbare ebenso gewollt, wie der Über- und Kontrollblick des Panoramas. Er ist sozusagen sein Gegenentwurf. Was uns als eine Sakralisierung der Landschaft erscheint, beruht auf einer nüchternen Konstruktion des Bildraumes. Und nüchtern sind seine Bilder. Auch seine Rückenfiguren bemühen keine Pathosformeln. Die Gestik ist verhalten sparsam. Hölderlin würde vermutlich von „heilig nüchternen“ Landschaften sprechen. Es handelt sich dabei nicht um eine Sakralsierung des Profanen, sondern um strukturimmanente Verbildlichungen jener heiligen Nacht, von der Hölderlin spricht. Die Landschaft wird zu einem Erfahrungsraum für die Abwesenheit des Heiligen. Der vielfach verstellte und vergitterte Ausblick ins Unfassbare, macht die Abwesenheit erfahrbar. Die Landschaft aber ist, wie Friedrich klar sieht, kein „heiliges Land“, auf dem wir aufgefordert werden, wie in biblischen Zeiten, die Schuhe auszuziehen (ebd. z. n. Frank 2004, 28). Sie ist eher so etwas wie ein Symbol oder eine Hieroglyphe (ein Lieblingswort der Romantiker) für die Abwesenheit des Heiligen, eine Versinnbildlichung der „heiligen Nacht“. Friedrichs Rückenfiguren könnten als Aufforderung an die Betrachtenden verstanden werden, „[…] in der Dunkelhaft der Welt … nach dem Rechten zu sehen“. (Bachmann (1981), 77)

6. Sakralisierung der Landschaft

Friedrichs Landschaften sind in dem Sinne sakral als sie innerhalb der Grenzen immanenter Weltlichkeit einen Ausblick „auf das Vollkommene, das Unmögliche, Unerreichbare, sei es der Liebe, der Freiheit oder jeder reinen Größe“, wie Ingeborg Bachmann es einmal ausdrückte, gewährt. Und sie fährt fort:

    „Im Widerspiel des Unmöglichen mit dem Möglichen erweitern wir unsere Möglichkeiten“ (Bachmann 1881, 76)

In bewusster oder unbewusster Nachfolge Friedrichs werden Landschaften in dem Sinne sakralisiert, als durch sie die Antizipation eines Unfassbaren, im Guten wie im Bösen möglich wird. Das Unfassbare ist jetzt nicht bloß das „Vollkommene, das Unmögliche, Unerreichbare, sei es der Liebe, der Freiheit oder jeder reinen Größe“, sondern auch das auf ewig Verlorene und das vollkommene und unfassbare Böse. Das Heilige ist auch das Verfluchte, wie es im lateinischen Begriff „sacer“ enthalten ist. Der Prophet Amos drohte:

    „Weh denen, die des Herrn Tag begehren! … Denn des Herren Tag ist Finsternis und nicht Licht.“ (Amos 5, 18)

Am Beispiel einiger Szenenbilder aus Der Herr der Ringe (Buch: J.R. Tolkien, Regie: Peter Jackson, Kinostart: 2001) möchte ich zum Abschluss zeigen, wie die Stilmittel, die Friedrich entwickelt hat in modernen Immersionsmedien eingesetzt werden. Wir finden hier fast alle Strukturmerkmale friedrichscher Landschaften wieder:

  • die Pathosarmen Rückenfiguren,
  • die durch eine 180 Grad Perspektive erzeugte Krümmung der Landschaft,
  • samt der von den Seiten in das Bild ragende Landschaftskeile,
  • ein, wenn auch schwächer ausgeprägtes hyperbolischen Schema,
  • die typischen Verstellungen des Horizonts.
  • Der goldene Schnitt.
  • Die Nüchternheit der Darstellung.

Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 9: Der Herr der Ringe, Szenenbild: Eowyn tritt vor die goldene Halle, www.lordofthering.net.


Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 10: C.D.F, Frau bei Sonnenaufgang/-untergang, um 1818, Öl auf Leinwand, 22 x 30, Essen, Museum Volkwang.

Bei aller Ähnlichkeit des Szenenbildes „Eowyn tritt vor die goldene Halle“ (Abb. 9) und Friedrichs Bild „Frau bei Sonnenauf/-untergang“ (Abb. 10), sind die Unterschiede deutlich. Es handelt sich ja auch nicht um eine filmische Kopie des Friedrichschen Originals. Am auffälligsten ist, neben den Unterschieden der Landschaft, dass Eowyn nicht zentral im Bild steht, sondern nach links versetzt. Die Haltung der beiden Frauen ist ähnlich. Lediglich die angedeutete Andachtshaltung ist bei Friedrich etwas ausgeprägter, gleichwohl sehr verhalten. Bei Eowyn wird diese Haltung durch die fließenden langen Ärmel leicht verdeckt. Im Szenenbild finden wir im Grunde alle Merkmale einer Friedrichschen Landschaft wieder, die in seinen Bildern nicht immer zusammen in einem Bild verwirklicht sind, wie das hyperbolische Schema und der Goldene Schnitt. In Abb. 11 sind einige Strukturmerkmale schematisch wiedergegeben:

  • Rückenfigur
  • Hyperbolisches Schema
  • 180 Grad Perspektive
  • Goldener Schnitt: D verhält sich zu E (B u. C.) wie E zu A und B verhält sich zu F (B u. C) wie F zu A.
  • a, b: zwei annähernd „goldenen Dreiecke“.
  • c, d: zwei „goldenen Rechtecke“.
  • e, f: zwei annähernd „goldene Dreiecke“.

Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 11: Schema „Eowyn tritt vor die Goldene Halle.

In dem Film Der Herr der Ringe, wird die Landschaft ähnlich wie bei Friedrich zum Erfahrungsraum für die Abwesenheit, wenn nicht des Heiligen, so doch des Heilen. Oder das unfassbar böse wird antizipiert, wie hier in Abb. 12.

Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 12: Der Blick ins schwarze Land, Szenenbild aus: „Der Herr der Ringe“, www.lordofthering.net

Auch dieses Szenenbild ist, wie unschwer zu erkennen ist, nach dem goldenen Schnitt konzipiert. Die Rückenfiguren teilen das Bild, Aragon in den größeren und kleineren Teil, die Figur im Hintergrund wiederholt den kleineren Teil der Senkrechten und unterteilt den kleineren Teil des Bildes ebenfalls noch einmal nach dem goldenen Schnitt. Auffällig sind in diesem Film die häufigen Rückenfiguren. Hier nur noch zwei Beispiele (Abb. 13, 14), wieder mit den typischen Konstruktionsmerkmalen wie in den Friedrichschen Bildern. In Abb. 14 haben wir gar eine Variation auf das Friedrich Thema „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ (Abb. 15).

Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 13: Szenenbild aus „Der Herr der Ringe“, www.lordofthering.net.


Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 14: Szenenbild aus „Der Herr der Ringe“, www.lordofthering.net.


Der Wanderer über dem Nebelmeer Goldener Schnitt

Abb. 15: C.D.F, Der Wanderer über dem Nebelmeer, um 1818, Öl auf Leinwand, 74,5 x 94,8, Kunsthalle Hamburg.

Wie bei Friedrich ist in sehr vielen Szenenbildern des Films der „focus imaginarius“ auf unendlich eingestellt. Antizipiert wird aber nicht das Jenseitige, Übernatürliche, keine himmlische Ordnung außerhalb der Welt, sondern das Fehlen einer solchen Ordnung in der Welt. Während Friedrich es bei diesem Fehlen belässt und die Sehnsucht nach dem Heil und dem Heiligen, nach Freiheit und Bürgerrechten in unendliche aber dem freien Blick meist unerreichbare, oft verstellte Fernen schweifen läst, hat sich in „Der Herr der Ringe“, die Welt nicht nur verdüster, wie auch in einigen Friedrich Bildern, sondern die Drohung des Bösen nimmt zu. Der Silberschein der Hoffnung am Horizont wird zum drohenden Feuerschein und zum Vorschein eines noch kaum vorstellbaren Grauens. Ist das Heile und Heilige bei Friedrich meist noch als Abwesendes gegenwärtig, rückt das Unheil, wenn auch als Entferntes in den Szenenbildern des Films atmosphärisch nah. Wir haben auch hier wieder das Prinzip der Transzendenz in der Immanenz und umgekehrt. Für das „spätromantische“ Werk des Films „Der Herr der Ringe“ gilt noch die romantische Maxime Schlegels:

    „Die Fantasie kann in ihren kühnen Flügen zwar übernatürlich, aber niemals außernatürlich werden.“ (Schlegel 1802)

Kant hat die Türen zum Jenseits, zu allen metaphysischen Orten zugeschlagen. „Anderwelten“, werden zu Orten innerhalb einer als natürlich denkbaren Ordnung, z.B. anderer Dimensionen oder Orten innerhalb derselben Welt oder der Phantasie. Während im Film das Heil und ihre Garnanten, die Elben, an einen entfernten aber diesseitigen Ort entfliehen, erobern gezüchtete Höllengestallten, säkularisierte gefallene Engel diese Welt. Die Hölle wird zur Hölle auf Erden. Der Kampf ums Paradies ist kein eschatologischer mehr, sondern wird ganz irdisch in historischer Zeit ausgefochten. Errungen werden kann, wie schon in dem Buch von Tolkien lediglich eine mehr oder weniger lange, in jedem Fall aber endliche und nie ganz sichere Phase des Friedens und des Heils. Um den ewigen Frieden muss sozusagen ewig gerungen werden. Und es bedarf wohl mehr als nur eines weisen Königs, dessen Königreich sich an rückwärtsgewandten Utopien eines goldenen Zeitalters orientiert, wie in Buch und Film, um den Frieden ewig zu wahren. Kant war da pragmatischer und was die Natur der Menschen betrifft sehr auf- oder vielleicht auch abgeklärter. Zukunftorientiert entwirft er ein Programm „Zum ewigen Frieden“ auf der Basis einer Republikanischen Verfassung, die auch ein „ein Volk von Teufeln (wenn sie nur Verstand haben)“, zum friedlichen Zusammenleben zwingen würde (Kant; 1795). Das eine ist Philosophie in pragmatischer Absicht, das andere Literatur und Fantasy, wie es heute so schön heißt. Buch und Film gelingt es, die Lesenden und die Zuschauenden in die von ihnen eröffnete Welt „Mittelerde“ hineinzuziehen, unsere Aufmerksamkeit zu bannen und uns emotional einzubinden in das Geschehen. Die Fiktivität der Welt, der Personen und Ereignisse werden dabei nur noch sehr unterschwellig mit reflektiert. Sie kann aber und soll wohl auch stets wieder bewusst gemacht werden können. Das gehört zum Kunst-, wie zum Film- und Buchgenuss. Weder Friedrich noch Tolkien, noch Peter Jackson wollen bloß nachahmen und täuschen wie ein „Lump“. Und mag die Welt auch nur die Welt sein, wie sie uns erscheint, so besteht der Reiz des Abtauchens in eine andere Welt eine VR zweiter Ordnung, doch gerade in dem gefahrlosen und bloß ästhetischen Genuss auf Grund dieser virtuellen Differenz. Wer möchte schon tatsächlich in eine Schlacht gegen Orks gebeamt werden. Spätestens wenn es ums Leben und geht, ist der ästhetische Genuss dahin. In der VR erster Ordnung wird es stets ernst auch im Spaß. Und wenn es hier heißt „Game over“, dann ist das Spiel wirklich aus, aus mit dem Teilnehmer oder der Teilnehmerin und seiner oder ihrer VR erster Ordnung und jeder anderen VR. Die Welt als Interface versinkt im Nichts.

7. Quellen:

Bachmann, Ingeborg (1981): Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, München.

Benjamin, Walter (1992): Über das mimetische Vermögen, in: Sprache und Geschichte, Stuttgart.

Fichte, Johann Gottlieb (1976): Die Bestimmung des Menschen, Leipzig.

Michel Foucault (1977): Überwachen und Strafen, Frankfurt/M.

Hilmar Frank (2004): Aussichten ins Unermessliche : Perspektivität und Sinnoffenheit bei Caspar David Friedrich, Berlin.

Gemäldegalerie Neue Meister: Casper David Friedrich und sein Kreis, Dresden, 1974

Claudia Giametti (2004): Endoästhetik. in: www.medienkunstnetz.de/themen/aesthetik_des_digitalen/endoaesthetik/scroll/>. Rev. 2005 04 25.

Oliver Grau (2001): Virtuelle Kunst in Geschichte und Gegenwart.

Visuelle Strategien, Berlin.

Heine, Heinrich(1998): Religion und Philosophie in Deutschland, Digitale Bibliothek Bd. 7, Berlin.

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Warum ist das Bild der Wanderer über dem Nebelmeer romantisch?

Der romantische Fokus auf die Seele und das Innenleben des Menschen lassen vermuten, dass der Wanderer im Grunde auf dem Weg zu sich selbst ist, ja auf der Suche nach dem, was ihn erfüllt, ist.

Wie viel kostet der Wanderer über dem Nebelmeer?

Sein berühmtestes Kunstwerk ist bis heute „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, das das Sujet der „Rückenfigur“ prägte. Nice to know: Das Gemälde entstand 1818 und wurde 1970 von der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen für 600.000 Mark (rund 307.000 Euro) gekauft. Heute dürfte es um ein Vielfaches mehr wert sein.

Wie wirkt der Wanderer über dem Nebelmeer?

Gestützt auf seinen Spazierstock, beobachtet der Wanderer, wie Nebelschwaden unter lichtem Himmel die dunklen Berggipfel zu seinen Füßen umwehen. Sein taillierter Gehrock wirkt zu elegant für die unwirtliche Umgebung, er ist offenbar ein Städter, ein Denker.

Wo hängt der Wanderer über dem Nebelmeer?

Der Wanderer über dem Nebelmeer (1817) zählt zu den herausragendsten Kunst-werken Deutschlands, gilt als bekanntestes Werk der Hamburger Kunsthalle und als das beliebteste Gemälde Hamburgs.