Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht englisch

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Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. pronunciation in German [de]
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Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht englisch

Der Titel dieses Textes ist ein afrikanisches Sprichwort, das der Schweizer Kinderarzt und Autor Remo Largo gerne benutzte, um Eltern klarzumachen, dass sie mit dem Herumerziehen an ihren Kindern auch mal Pause machen könnten. Dass er vor wenigen Wochen im Alter von 76 Jahren starb, ist ein großer Verlust. Ich will hier darüber schreiben, warum das so ist.

Vor 15 Jahren gab es nicht übermäßig viele gute Anregungen für einen jungen Vater wie mich, der kein Interesse daran hatte, seinen Kindern den eigenen Willen aufzuzwingen. Largo war einer der ersten Fürsprecher eines Paradigmenwechsel, der weg von autoritären Anforderungen hin zu einem liebevollen, bedürfnisorientierten Umgang mit Kindern führt – und zwar lange bevor ein Konzept wie Bedürfnisorientierung überhaupt Verbreitung fand. Dabei ging es ihm nicht etwa um antiautoritäre Erziehung, sondern um die Anerkennung der kindlichen Entwicklung und Persönlichkeit in all ihrer Vielfalt. Remo Largo nahm man ab, was er sagte, weil er seine Thesen direkt aus eigenen, bis heute relevanten Forschungsergebnissen zog und sie mit sanfter, nachsichtiger Stimme vortrug.

Er versicherte Eltern immer wieder, dass sich Werte und Ideen aus einer wertstabilen, kreativen Eltern-Kind-Beziehung ergeben, die nicht darauf abzielt, die Wertigkeit von Kindern an ihre Fähigkeiten und Leistungen zu koppeln. Er war gegen das, was wir heute Förderwahnsinn nennen würden. Er war für die Abschaffung von Schulnoten, weil er sie „pädagogisch für vollkommen unbrauchbar“ hielt. Er benannte in aller Schärfe die gefährliche Widersinnigkeit, das eigene Kind zu einem Projekt und zur Projektionsfläche elterlicher Ansprüche zu deformieren. Denn der schulische Erfolg, die möglichen Karrieren, die Partnerwahl, die Entscheidung für oder gegen Nachwuchs gehört ganz allein unseren Kindern und wir sollten uns daran nicht vergehen. Nicht mit übergriffigen Wünschen und Ratschlägen, die so heißen, weil sie eben genau das bedeuten: Unsere Kinder mit Rat zu schlagen. Nicht mit Anweisungen darüber, worin sie sich auszubilden und was sie zu studieren haben, und auch nicht mit Kommentaren zu den Menschen, die ihr Leben bereichern oder erschweren.

Wenn man das so aufgehäuft liest, mag man versucht sein, ihm schlichtes Desinteresse vorzuwerfen. Tatsächlich ist es das genaue Gegenteil. Largo war immer mehr daran interessiert wie Kinder sind und nicht daran, wie sie angeblich sein sollten. Er bekämpfte mit stiller Unerbittlichkeit alles, was dazu angetan war, aus Kindern die Statthalterinnen und Stellvertreter des elterlichen Willens zu formen. In einem seiner letzten Interviews brachte er das wieder einmal auf den Punkt, indem er sagte: „Ich denke, dass wir eine fatale Neigung haben, die Kinder unter Druck zu setzen und letztlich auch zu verbiegen, weil wir eben unsere eigenen Erwartungen über die Verwirklichung der Kinder setzen.“

Remo Largo war der Albus Dumbledore der Erziehungsratgeber. Für ihn war Liebe die alles entscheidende Konstante, welche die Eltern-Kind-Beziehung prägt und prägen sollte. Damit nahm er viel von dem vorweg, was spätere Erziehungsratgeber als Abwehrkraft, als Mittel der Resilienz gegen die Widrigkeiten einer turbokapitalistischen, schwindelnden Gesellschaft definierten: Die Fähigkeit zu lieben und Liebe anzunehmen, ein stabiles Selbstbild, Mitgefühl und Wachsamkeit für die Mitmenschen und die Umwelt. Das sind die Dinge, die Menschen tragen: in Beziehungen, durch Krisen, bei Rückschlägen und Erfolgen. Nicht die Frühförderung in Englisch, nicht die Angst, in der Schule zu versagen und auch nicht die Bereitschaft, die eigenen Bedürfnisse zu begraben, um den elterlichen Ansprüchen einen Schrein zu errichten.

In einer Zeit, in der es Buchladenabteilungen mit Elternratgebern gibt, ist es wichtig daran zu erinnern, dass Largos Bücher Leuchttürme waren, die dringend gebraucht wurden. Denn vor ihm dachten zu viele Eltern, Kinder seien dazu da, um ihre elterlichen Ansprüche zu verwirklichen. Er stellte klar, dass Eltern dazu da sind, ihren Kindern beizubringen, was richtig und was falsch ist und ihnen in diesem Wissen zu Freiheit und Selbstständigkeit zu verhelfen. Er wird fehlen. Er wird mir fehlen.

Foto: Jesus Fernandez / photocase.de

Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht englisch

Nils Pickert

Nils Pickert ist vierfacher ­Vater, Journalist und ­Feminist. Jeden Monat lässt er uns in seiner Kolumne an seiner Gedankenwelt teilhaben.