Soll eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung bei Ihrer Bewerbung berücksichtigt werden?

25.09.2014. Be­wer­ben sich schwer­be­hin­der­te In­ter­es­sen­ten bei ei­nem öf­fent­li­chen Ar­beit­ge­ber auf ei­ne aus­ge­schrie­be­ne Stel­le, sind sie auf­grund ei­ner spe­zi­el­len Ge­set­zes­re­ge­lung im­mer zu ei­nem Vor­stel­lungs­ge­spräch ein­zu­la­den.

Ver­stößt der Ar­beit­ge­ber ge­gen die­se Pflicht und stellt den Be­wer­ber nicht ein, ist zu ver­mu­ten, dass die un­ter­blie­be­ne Ein­stel­lung (auch) auf die Be­hin­de­rung des Be­wer­bers zu­rück­zu­füh­ren ist. Der Be­wer­ber kann dann ei­ne Ent­schä­di­gung we­gen be­hin­de­rungs­be­ding­ter Dis­kri­mi­nie­rung ver­lan­gen.

Öf­fent­li­che Ar­beit­ge­ber kön­nen aber nur ge­gen das Ge­bot der Ein­la­dung ei­nes schwer­be­hin­der­ter Be­wer­bers ver­sto­ßen, wenn sie des­sen Schwer­be­hin­de­rung ken­nen. Wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) letz­te Wo­che be­kräf­tigt hat, ge­nügt es da­für nicht, wenn sich in den An­la­gen zur Be­wer­bung ei­ne Ko­pie des Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses fin­det: BAG, Ur­teil vom 18.09.2014, 8 AZR 759/13.

  • Wie müssen schwer­be­hin­der­te Be­wer­ber auf ih­re Schwer­be­hin­de­rung hin­wei­sen, um den Ar­beit­ge­ber da­von si­cher in Kennt­nis zu set­zen?
  • Im Streit: Schwer­be­hin­der­ter Be­wer­ber ver­schweigt sei­ne Be­hin­de­rung, über­reicht aber in den An­la­gen zu sei­ner Be­wer­bung ei­ne Ko­pie des Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses
  • BAG: Wer als Schwer­be­hin­der­ter die Schutz­vor­schrif­ten des SGB IX in An­spruch neh­men will, muss im An­schrei­ben oder Le­bens­lauf auf die Schwer­be­hin­de­rung hin­wei­sen

Wie müssen schwer­be­hin­der­te Be­wer­ber auf ih­re Schwer­be­hin­de­rung hin­wei­sen, um den Ar­beit­ge­ber da­von si­cher in Kennt­nis zu set­zen?

Zwar kann der Ar­beit­ge­ber ver­su­chen zu be­wei­sen, dass er in Wahr­heit kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung verübt hat, doch ist das in sol­chen Fällen prak­tisch unmöglich, denn ei­ne "we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung" des schwer­be­hin­der­ten Be­wer­bers liegt schon dar­in, dass er eben kei­ne Ge­le­gen­heit hat­te, sich persönlich vor­zu­stel­len.

Da­her wird in sol­chen Fällen oft darüber ge­strit­ten, ob der Be­wer­ber in sei­nen Be­wer­bungs­un­ter­la­gen aus­rei­chend deut­lich auf sei­ne Schwer­be­hin­de­rung hin­ge­wie­sen hat. Da­zu ist er natürlich nicht ver­pflich­tet, aber wenn er den Hin­weis un­terlässt, kann er sich später nicht be­haup­ten, we­gen sei­ner Schwer­be­hin­de­rung dis­kri­mi­niert wor­den zu sein. Dann ist der Ar­beit­ge­ber aus dem Schnei­der.

Das BAG ver­langt an die­ser Stel­le von schwer­be­hin­der­ten Be­wer­bern, dass sie auf ih­re Schwer­be­hin­de­rung

  • ent­we­der im ei­gent­li­chen Be­wer­bungs­schrei­ben (An­schrei­ben)
  • oder im Le­bens­lauf

hin­wei­sen, so dass der Ar­beit­ge­ber oh­ne große Mühe "auf ei­nen Blick" weiß, mit wem er es zu tun hat.

Die­se Recht­spre­chung hat das BAG letz­te Wo­che er­neut be­kräftigt.

Im Streit: Schwer­be­hin­der­ter Be­wer­ber ver­schweigt sei­ne Be­hin­de­rung, über­reicht aber in den An­la­gen zu sei­ner Be­wer­bung ei­ne Ko­pie des Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses

Im Streit­fall war ein Be­wer­ber mit ei­nem Grad der Be­hin­de­rung von 50 von ei­nem öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber im Ju­ni 2010 ab­ge­lehnt wor­den. An dem Be­wer­bungs­ver­fah­ren war die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung be­tei­ligt, d.h. der Ar­beit­ge­ber kann­te die Schwer­be­hin­de­rung.

Kur­ze Zeit später, En­de Ju­li 2010, be­warb er sich bei dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber er­neut, dies­mal um ei­ne an­de­re Stel­le, so dass sei­ne Be­wer­bung von ei­ner an­de­ren per­so­nalführen­den Stel­le als beim ers­ten Mal be­ar­bei­tet wur­de. Bei die­ser - zwei­ten - Be­wer­bung wies der Be­wer­ber we­der im Be­wer­bungs­an­schrei­ben noch in sei­nem Le­bens­lauf auf sei­ne Schwer­be­hin­de­rung hin. Al­ler­dings hat­te ei­ne Ko­pie sei­nes Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses auf Sei­te 24 sei­ner Be­wer­bungs­an­la­gen (die im­mer­hin 29 Sei­ten um­fass­ten) über­reicht.

Dar­auf­hin wur­de er we­der zu ei­nem Vor­stel­lungs­gespräch ein­ge­la­den noch ein­ge­stellt. Der Be­wer­ber ver­klag­te den Ar­beit­ge­ber da­her vor dem Ar­beits­ge­richt Köln auf Zah­lung ei­ner Dis­kri­mi­nie­rungs­entschädi­gung und erstritt im­mer­hin 1.000,00 EUR (Ur­teil vom 20.12.2011, 14 Ca 4955/11).

In der Be­ru­fung sat­tel­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln noch auf und ver­ur­teil­te den Ar­beit­ge­ber zu wei­te­ren 4.378,58 EUR, so dass die Entschädi­gung ins­ge­samt 5.378,58 EUR be­trug (LAG Köln, Ur­teil vom 24.10.2012, 9 Sa 214/12). Bei­de Ge­rich­te mein­ten, der Ar­beit­ge­ber hätte sich eben die den Be­wer­bungs­un­ter­la­gen bei­gefügten An­la­gen ge­nau­er an­schau­en müssen, dann hätte er den Aus­weis schon ent­deckt und ge­wusst, dass sich ein schwer­be­hin­der­ter In­ter­es­sent be­wor­ben hat.

BAG: Wer als Schwer­be­hin­der­ter die Schutz­vor­schrif­ten des SGB IX in An­spruch neh­men will, muss im An­schrei­ben oder Le­bens­lauf auf die Schwer­be­hin­de­rung hin­wei­sen

Das BAG hob die Ur­tei­le der Vor­in­stan­zen auf und gab dem Ar­beit­ge­ber recht. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG heißt es zur Be­gründung:

Will ein schwer­be­hin­der­ter Be­wer­ber den be­son­de­ren Schutz des SGB IX in An­spruch neh­men, muss er auf sei­ne Schwer­be­hin­de­rung im Be­wer­bungs­an­schrei­ben oder "un­ter deut­li­cher Her­vor­he­bung im Le­bens­lauf" hin­wei­sen. Un­auffälli­ge In­for­ma­tio­nen oder ei­ne in den wei­te­ren Be­wer­bungs­un­ter­la­gen be­find­li­che Ko­pie des Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses sind kei­ne aus­rei­chen­de In­for­ma­ti­on, so die Er­fur­ter Rich­ter.

Außer­dem muss der Be­wer­ber auf die Schwer­be­hin­de­rung bei je­der ein­zel­nen Be­wer­bung er­neut hin­wei­sen. Denn wer bei der letz­ten Be­wer­bung vor ei­nem hal­ben Jahr schwer­be­hin­dert war, muss es un­be­dingt auch noch zum Zeit­punkt ei­ner er­neu­ten Be­wer­bung sein. Da­her ist auch ei­ne Ko­pie des Aus­wei­ses für sich al­lein ge­nom­men nicht ge­eig­net, die Schwer­be­hin­de­rung im Zeit­punkt der Be­wer­bung mit­zu­tei­len, denn Aus­wei­se können nicht mehr ak­tu­ell und da­her un­rich­tig sein.

Sch­ließlich weist das BAG auf das Da­ten­schutz­recht hin, das ei­ner Wis­sens­zu­rech­nung von ei­ner per­so­nalführen­de Stel­len großer Behörden zu ei­ner an­de­ren ent­ge­gen­steht. Dem ist zu­zu­stim­men: Die mit ei­ner Be­wer­bung be­fass­ten Per­so­nen ei­ner Per­so­nal­stel­le sind zur Ver­schwie­gen­heit ver­pflich­tet, d.h. die per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten ei­nes Be­wer­bers dürfen im All­ge­mei­nen nicht wei­ter­ge­ge­ben wer­den, auch nicht an ei­ne an­de­re per­so­nalführen­de Stel­le der­sel­ben Behörde.

Fa­zit: Ob man als schwer­be­hin­der­ter Be­wer­ber auf sei­ne Schwer­be­hin­de­rung hin­weist oder nicht, kann man frei ent­schei­den. Wer sich für ei­nen sol­chen Hin­weis ent­schei­det, muss es dann aber klipp und klar tun, d.h. durch ei­ne Erwähnung im Be­wer­bungs­an­schrei­ben oder durch ei­nen deut­li­chen Hin­weis im Le­bens­lauf.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

  • Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 18.09.2014, 8 AZR 759/13 (Pres­se­mel­dung des Ge­richts)
  • Bun­des­ar­beits­ge­richt (Web­sei­te)
  • Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Ur­teil vom 24.10.2012, 9 Sa 214/12
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Aus­kunfts­pflicht des Stel­len­be­wer­bers
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Be­hin­de­rung, Men­schen mit Be­hin­de­rung
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te - Be­hin­de­rung
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Schwer­be­hin­de­rung, schwer­be­hin­der­ter Mensch
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 20/088 Be­tei­li­gung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung erst nach Gleich­stel­lung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 18/121 Erst An­hö­rung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung, dann An­trag beim In­te­gra­ti­ons­amt
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/026 Kün­di­gung in Un­kennt­nis ei­ner Schwer­be­hin­de­rung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 16/259 Of­fen­sicht­li­ches Feh­len der fach­li­chen Eig­nung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 15/339 Ein­stel­lung von Schwer­be­hin­der­ten
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/041 Dis­kri­mi­nie­rung bei der Be­wer­bung we­gen ei­ner Schwer­be­hin­de­rung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 12/081 Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Be­hin­de­rung bei der Be­wer­bung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 12/078 Fra­ge nach Schwer­be­hin­de­rung zulässig
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/201 Dis­kri­mi­nie­rung schwer­be­hin­der­ter Stel­len­be­wer­ber: Ver­let­zung der Prüfungs­pflicht reicht als Nach­weis
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/037 Vor­stel­lungs­gespräch mit schwer­be­hin­der­ten Be­wer­ber
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/187 Vor­stel­lungs­gespräch mit schwer­be­hin­der­ten Be­wer­ber

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

  • Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 18.09.2014, 8 AZR 759/13

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

Wie erwähnt man eine Behinderung in der Bewerbung?

Wer sich dafür entscheidet, die Behinderung schon in der Bewerbung zu erwähnen, sollte darauf achten, sich kurz zu fassen und das Thema nicht zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Die Erkrankung am besten knapp, aber korrekt benennen, ohne sich in unverständlichen Fachbezeichnungen zu verlieren.

Wo schreibt man Schwerbehinderung in Bewerbung?

Solange die Behinderung Bewerber bei der Ausübung der angestrebten Position nicht einschränkt, müssen Sie diese weder im Anschreiben noch im Lebenslauf angeben. Das gilt erst recht für nicht offensichtliche oder sichtbare Behinderungen.

Was bedeutet einem Schwerbehinderten gleichgestellt?

Voraussetzungen für eine Gleichstellung Eine Gleichstellung ist an die folgenden Voraussetzungen geknüpft: Der Grad Ihrer Behinderung beträgt weniger als 50, aber mindestens 30. Sie haben Ihren Wohnsitz, Ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Arbeitsplatz rechtmäßig in Deutschland.

Wie viel Prozent der Bewerber werden zum Vorstellungsgespräch eingeladen?

Showdown im Vorstellungsgespräch Im Schnitt erhalten die drei bis sechs besten Kandidaten eine Einladung zu einem ersten Vorstellungsgespräch. Diese Zahl ist allerdings bei jedem Bewerbungsprozess und jedem Unternehmen individuell.