Wann kann die Zurechnungszeit der Erwerbsminderungsrente als Anrechnungszeit für die Altersrente anerkannt werden?

Muss ich irgendwann eine Altersrente beantragen?

Sie müssen nicht, sollten es aber unbedingt tun! Denn Ihre Erwerbsminderungsrente läuft maximal bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie Ihre persönliche Regelaltersgrenze erreicht haben. Damit Sie ab dem nächsten Monat nicht ohne Einkommen dastehen, sollten Sie rund drei bis sechs Monate davor Ihre Altersrente beantragen.

Beispiel: Magda ist Jahrgang 1960. Sie bezieht eine unbefristete Erwerbsminderungsrente, ihre persönliche Regelaltersgrenze liegt bei 66 Jahren und vier Monaten (siehe Grafik). Zu diesem Zeitpunkt wird ihre Erwerbsminderungsrente auslaufen. Aus diesem Grund sollte sie rund fünf Monate vorher einen Antrag auf Altersrente stellen. Wenn sie zu lange wartet, entsteht möglicherweise eine finanzielle Lücke – mit fatalen Folgen für Miete und andere Ausgaben.

Ist meine Altersrente höher oder niedriger als die Erwerbsminderungsrente?

Niedriger fällt sie nicht aus, zumindest nicht wenn beide Rentenarten nahtlos ineinander übergehen. Denn für diesen Fall gilt eine Art Schutzwall, der dafür sorgt, dass Sie nicht weniger in der Tasche haben als zu Zeiten der EM-Rente.

Ob die Altersrente höher ausfällt, hängt von mehreren Faktoren ab. Wichtig ist zum einen, wie lange Sie bereits krankheitsbedingt ausfallen. Wer viele Jahre nicht arbeiten konnte und dementsprechend nur geringe Entgeltpunkte gesammelt hat, hat nur eine geringe Altersrente zu erwarten. Doch in den meisten Fällen treten Erwerbsminderungsrenten in einem fortgeschrittenen Alter auf. Zu einem Zeitpunkt, an dem das Rentenkonto bereits auf ein mitunter stattliches Volumen angewachsen ist.

Dieses Prozedere führt in der Regel zu einer höheren Altersrente. An dieser Stelle sollten Sie jedoch Folgendes wissen: Etwaige Abschläge, die bei der Erwerbsminderungsrente leider noch gang und gäbe sind, werden beim nahtlosen Wechsel in die Altersrente übernommen.

Kann man auch eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen, wenn man aktuell Erwerbsminderungsrentner ist?

Ja, auch das ist möglich. Allerdings gibt es in der Praxis einige Stolpersteine, die genau das verhindern – insbesondere bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Diese können Sie nur beziehen, wenn Sie auf insgesamt 45 Versicherungsjahre kommen. Zeiten der Erwerbsminderungsrente zählen hier allerdings nicht mit. Bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen oder der Rente nach 35 Versicherungsjahren kann Ihnen die EM-Rente in dieser Beziehung übrigens keinen Strich durch die Rechnung machen. Hier sind es eher die zu erwartenden Abschläge, die viele Menschen vor einer vorgezogenen Altersrente zurückschrecken lassen.

Was ist mit einem Minijob neben der Erwerbsminderungsrente? Kann ich den auch im Rahmen der Altersrente ausüben?

Auf jeden Fall. Falls Sie bereits als Erwerbsminderungsrentner einen Minijob hatten, können Sie diesen behalten. Beginnen Sie im Rahmen der Regelaltersgrenze Ihren Ruhestand, wird es jetzt sogar noch einfacher für Sie: Ab diesem Zeitpunkt können Sie unbegrenzt hinzuverdienen. Nutzen Sie eine Form der vorgezogenen Altersrente, bleibt ein Einkommen bis 450 Euro im Monat ohne Folgen. Rechnen müssen Sie, wenn Sie mehr verdienen – dann gilt die Flexirente.

Erwerbsminderungsrenten werden für Bestandsrentner im Juli 2024 erhöht

Mit dem „Gesetz zur Rentenanpassung 2022 und zur Verbesserung von Leistungen für den Erwerbsminderungsrentenbestand“ (kurz: „Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz“) setzt der Gesetzgeber finanzielle Verbesserungen für bestimmte Bezieher einer Erwerbsminderungsrente durch.

Das Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz, das neben einer kräftigen Rentenerhöhung zum 01.07.2022, auch einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Renten wegen Erwerbsminderung ab 01.07.2024 vorsieht, wurde am 13.04.2022 vom Bundeskabinett beschlossen. Der Bundestag wird den Gesetzentwurf am 13.05.2022 beraten.

Hintergrund

Die Renten wegen Erwerbsminderung untergliedern sich in die „Rente wegen voller Erwerbsminderung“, die „Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung“ und die „Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit“. Eine wesentliche rentenrechtliche Zeit bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten ist die sogenannte Zurechnungszeit. Mit dieser Zurechnungszeit wird unterstellt, dass der Erwerbsminderungsrentner bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch gearbeitet und damit auch Entgeltpunkte erzielt hätte. Durch die Zurechnungszeit erhält der Rentner also Entgeltpunkte, durch die die persönlichen Entgeltpunkte und damit auch die Rente erhöht werden.

In der Vergangenheit hat der Gesetzgeber mehrmals Änderungen an der Zurechnungszeit vorgenommen. Bei einem Rentenbeginn ab Januar 2004 wurde eine Zurechnungszeit bis zum vollendeten 60. Lebensjahr anerkannt. Für Erwerbsminderungsrentner mit einem Rentenbeginn ab Juli 2014 wurde die Zurechnungszeit bereits auf das vollendete 62. Lebensjahr verlängert. Bei einem Rentenbeginn ab Januar 2018 galt bereits eine Zurechnungszeit bis zum vollendeten 65. Lebensjahr. Im Jahr 2019 galt eine Zurechnungszeit bis zum vollendeten 65. Lebensjahr und acht Monate. Ab dem Kalenderjahr 2020 bis zum Jahr 2030 wird die Zurechnungszeit schrittweise bis zum vollendeten 67. Lebensjahr verlängert. Näheres hierzu auch unter: Zurechnungszeiten.

Während von den Verbesserungen in Form der Verlängerung der Zurechnungszeiten immer nur die Neu-Rentner – die Rentenneuzugänge des jeweiligen Jahres – profitierten, blieb die Rentenzahlung für die Bestandsrentner unverändert. Die Zurechnungszeit wurde also für die Bestandsrentner nicht verlängert, was damit auch keine Erhöhung der Rentenzahlung zur Folge hatte bzw. hat. Aufgrund dieser Ungleichbehandlung erfolgten sozialgerichtliche Klagen. Nachdem das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eine Revision zum Bundessozialgericht nicht zugelassen hatte, wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Diese Nichtzulassungsbeschwerde war erfolgreich, sodass dann auch ein Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht in die Wege geleitet werden konnte. Das Revisionsverfahren wird beim Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 13 R 24/20 R geführt und ist aktuell anhängig.

Der Gesetzgeber hat nun die erforderlichen Verbesserungen für die Bestandsrentner mit dem Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz aufgegriffen.

Gesetzliche Umsetzung

Ab dem 01.07.2024 wird der § 307i Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eingeführt. Der § 307i SGB VI regelt, dass ab dem 01.07.2024 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt wird, wenn am 30.06.2024 ein Anspruch auf:

  1. eine Rente wegen Erwerbsminderung oder eine Erziehungsrente, die jeweils nach dem 31.12.2000 und vor dem 01.01.2019 begonnen hat,
  2. eine Hinterbliebenenrente, die nach dem 31.12.2000 und vor dem 01.01.2019 begonnen hat und der kein Rentenbezug der verstorbenen versicherten Person unmittelbar vorausging,
  3. eine Rente wegen Alters, die unmittelbar an eine Rente wegen Erwerbsminderung oder an eine Erziehungsrente nach Nummer 1 anschließt oder
  4. eine Hinterbliebenenrente, die unmittelbar an eine Rente wegen Erwerbsminderung nach Nummer 1 oder an eine Rente wegen Alters nach Nummer 3 anschließt,

bestand.

Die Zuschlagshöhe beträgt entweder 7,5 Prozent oder 4,5 Prozent der jeweiligen Rente am 30.06.2024. Die Einführung des Zuschlags beziffert der Gesetzgeber mit Mehrausgaben in Höhe von jährlich 2,6 Milliarden Euro.

Voraussetzung für die Gewährung des prozentualen Zuschlags ist, dass die Erwerbsminderungsrente zwischen vom 01.01.2001 und dem 31.12.2018 begonnen und der Rentenanspruch auch bis zum 30.06.2024 ununterbrochen bestanden hat.

Zuschlag 7,5 Prozent

Der Zuschlag in Form an persönlichen Entgeltpunkten beträgt 7,5 Prozent, wenn der Rentenbeginn in der Zeit vom 01.01.2001 bis 30.06.2014 lag.

Zuschlag 4,5 Prozent

Der Zuschlag in Form an persönlichen Entgeltpunkten beträgt 4,5 Prozent, wenn der Rentenbeginn in der Zeit vom 01.07.2014 bis 31.12.2018 lag.

Mit dem Zuschlag von 7,5 Prozent bzw. 4,5 Prozent wird in seiner Wirkung eine (fiktive) Verlängerung der Zurechnungszeit abgebildet. Die Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten werden auch auf die Alterssicherung der Landwirte übertragen. Durch die gesetzlichen Vorschriften (§ 307i SGB VI) wird die Berechnung derart vorgeschrieben bzw. umgesetzt, dass der Faktor für die Berechnung des Zuschlags 0,0750 (bei einem Zuschlag von 7,5 Prozent) bzw. 0,0450 (bei einem Zuschlag von 4,5 Prozent) beträgt.

Die gesetzlichen Verbesserungen werden erst mit dem 01.07.2024 umgesetzt, da der Gesetzgeber den Rentenversicherungsträgern eine ausreichende Vorlaufzeit geben wollte, die Auszahlung des Zuschlags in der Praxis umzusetzen. Die Zeit soll für die technische Vorbereitung genutzt werden.

Zuschlag nicht nur für Erwerbsminderungsrentner

Die Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten werden nicht nur für Versicherte umgesetzt, die am 30.06.2024 auch tatsächlich eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Auch Altersrentner, Bezieher einer Hinterbliebenenrente und einer Erziehungsrente können in den Genuss der Verbesserungen kommen.

Wird für einen Rentner, der am 30.06.2024 eine Erwerbsminderungsrente bezieht, der prozentuale Zuschlag nach § 307i SGB VI gewährt und wird später (ab dem 01.07.2024) eine Altersrente oder Hinterbliebenenrente gewährt, wird dieser Zuschlag auch auf diese Folgerente übertragen. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten wird damit weiter berücksichtigt.

Altersrentner

Da sich die Erwerbsminderungsrentner, welche von dem Zuschlag grundsätzlich profitieren, bereits im Bezug einer Altersrente befinden bzw. befinden können, werden auch diese Versicherten von den Verbesserungen erfasst. Das heißt, dass auch Altersrentner den Zuschlag erhalten, deren Altersrente im unmittelbaren Anschluss an eine Erwerbsminderungsrente begonnen hat. Voraussetzung ist hier, dass der Beginn der Erwerbsminderungsrente in den Zeitraum fällt, der von den Verbesserungen erfasst wird. Der Beginn der Erwerbsminderungsrente muss also in der Zeit zwischen dem 01.01.2001 und dem 31.12.2018 gelegen haben.

Hinterbliebenenrentner

Die Zurechnungszeiten, welche bei der Berechnung einer Erwerbsminderungsrente maßgebend sind, gelten auch für die Berechnung der Hinterbliebenenrenten (Witwen-/Witwerrenten, Waisenrenten).

Begann die Hinterbliebenenrente in der Zeit vom 01.01.2001 und dem 31.12.2018 und ist der Hinterbliebenenrente kein Rentenbezug der verstorbenen versicherten Person vorausgegangen, wird ebenfalls der Zuschlag von 7,5 Prozent bzw. 4,5 Prozent gewährt. Hierfür ist jedoch Voraussetzung, dass die versicherte Person nicht nach Vollendung des 65. Lebensjahres und acht Monaten verstorben ist (§ 397i Abs. 4 SGB VI).

Bestand unmittelbar vor der Hinterbliebenenrente ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung (für die der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten zu gewähren ist) oder eine Rente wegen Alters, die im unmittelbaren Anschluss an eine Rente wegen Erwerbsminderung (für die der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten zu gewähren ist) gewährt wurde, wird der Zuschlag gewährt (§ 307i Abs. 1 Nr. 4 SGB VI).

Erziehungsrente

Auch bei Erziehungsrenten, die in der Zeit vom 01.01.2001 und dem 31.12.2018 begonnen haben, wird der Zuschlag – je nach Beginn – in Höhe von 7,5 Prozent bzw. 4,5 Prozent analog wie bei den Erwerbsminderungsrenten gewährt.

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Kann die Zurechnungszeit der Erwerbsminderungsrente als Anrechnungszeit für die Altersrente anerkannt werden?

Die Zeiten des Bezugs von Hinterbliebenenrenten werden nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt. Die Zeit des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente ist beispielsweise Anrechnungszeit (im zeitlichen Umfang der Zurechnungszeit) bei einer späteren oder auch unmittelbar anschließenden Altersrente.

Wann wird Zurechnungszeit berücksichtigt?

Um Versicherten, die in jungen Jahren vermindert erwerbsfähig werden, eine ausreichende Rente zu sichern, bekommen sie eine so genannte Zurechnungszeit. Bei einem Rentenbeginn ab dem 1. Januar 2018 beginnt sie mit dem Eintritt der Erwerbsminderung und endet mit dem 62. Lebensjahr und drei Monaten.

Ist Erwerbsminderungsrente Zurechnungszeit?

Die Höhe der Erwerbsminderungsrente berechnet sich aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten. Zusätzlich werden erwerbsgeminderte Menschen durch eine sogenannte Zurechnungszeit so gestellt, als hätten sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen weiter gearbeitet und Beiträge gezahlt.

Wie wirkt sich die Zurechnungszeit auf die Rente aus?

Die Zurechnungszeit ist eine beitragsfreie Zeit. Für diese Zeit zahlt der Versicherte keine eigenen Beiträge für die Rente. Ist die Zurechnungszeit anerkannt, wird sich diese Zeit in aller Regel rentensteigernd auswirken. Dies erfolgt durch die sogenannte Gesamtleistungsbewertung.