Was passiert wenn man Luft in den Muskel spritzt

Intramuskuläre Injektion

Was passiert wenn man Luft in den Muskel spritzt
Applikationsarten
Was passiert wenn man Luft in den Muskel spritzt
Injektionen

Bei einer intramuskulären Verabreichung wird ein Arzneimittel mithilfe einer Spritze und Kanüle in einen Skelettmuskel injiziert. Aus dem Muskel gelangt das Arzneimittel über die Gefässe in den Blutkreislauf.

synonym: Intramuskuläre Verabreichung, Intramuskuläre Applikation, intramuskulär, i.m., IM

Definition

Bei einer intramuskulären Injektion wird ein Arzneimittel mithilfe einer Spritze und einer Kanüle in einen Skelettmuskel verabreicht. Aus dem Muskel gelangt es über die Gefässe in den Blutkreislauf und verteilt sich im Körper.

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Intramuskuläre Injektion, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki

Applikationsorte

Ein häufiger Applikationsort für kleine Volumen von bis zu 2 ml ist der Deltoidmuskel des Oberarms.

Des Weiteren ist eine intramuskuläre Injektion auch an der Aussenseite des Oberschenkels und am Gesäss (Glutealmuskel) möglich.

Der Applikationsort ist vom Arzneimittel abhängig. Nicht alle Medikamente sind für alle Orte geeignet. Dies auch aufgrund der unterschiedlichen Pharmakokinetik.

Beispiele

Medikamente, welche intramuskulär verabreicht werden (Auswahl):

  • Impfstoffe
  • Schmerzmittel
  • Glucocorticoide
  • Adrenalin, Notfallmedikamente
  • Vitamine
  • Beruhigungsmittel
  • Neuroleptika

Allgemeines Vorgehen

Im Folgenden ist das allgemeine Vorgehen dargestellt. Das Prozedere kann abhängig vom Arzneimittel, vom Injektionsort und Patienten abweichen. Bitte beachten Sie die entsprechende Fach- und Patienteninformation und die Fachliteratur:

  • Indikationsstellung und medizinische Abklärung inkl. Gegenanzeigen und Interaktionen.
  • Gekühlte Arzneimittel passiv auf Raumtemperatur aufwärmen lassen.
  • Tragen von Handschuhen, Hautdesinfektion.
  • Bereitstellung des Materials, Vorbereiten der Spritze.
  • Spritzeninhalt visuell auf Fremdpartikel und auf eine Veränderung des Aussehens überprüfen.
  • Suspensionen müssen vor der Verabreichung aufgeschüttelt werden.
  • Bei einigen Präparaten ist die Entfernung der Luft erforderlich.
  • Desinfektion der Hautstelle. Desinfektionsmittel einwirken lassen. Hautstelle trocknen lassen.
  • Hautstelle mit zwei Fingern spreizen.
  • Spritze wie einen Dartpfeil halten.
  • Spritze rasch senkrecht einführen (90°).
  • Hautstelle loslassen.
  • Aspiration, damit nicht in ein Blutgefäss gespritzt wird. Beim Aufziehen von Blut an einer anderen Stelle spritzen. Bei Impfungen in den Deltoidmuskel kann auf die Aspiration verzichtet werden.
  • Spritzeninhalt langsam in den Muskel injizieren.
  • Hautstelle erneut spreizen.
  • Spritze rasch herausziehen.
  • Stillen einer allfälligen Blutung, leichte Kompression der Hautstelle mit einem sterilen Tupfer.
  • Desinfektion der Hautstelle.
  • Pflaster anbringen.
  • Material entsorgen, die Spritze in einem geeigneten Entsorgungsbehälter.
  • Den Patienten auf unerwünschte Wirkungen überwachen.

Unerwünschte Wirkungen

Häufige unerwünschte Wirkungen bei einer intramuskulären Injektion sind lokale Beschwerden wie Schmerzen und ein Bluterguss, die aber in der Regel nur kurzzeitig anhalten. Unsachgemäss durchgeführte Injektionen können zu Verletzungen und Infektionen führen. Die Nebenwirkungen sind vom verabreichten Wirkstoff abhängig.

Injektionen können zu allergischen Reaktionen und sehr selten zu einer Anaphylaxie führen.

Eine Injektion kann bei einigen Patienten unangenehme Beschwerden wie Blässe, Schwitzen, Benommenheit, Schwindel und eine Ohnmacht auslösen, siehe im Artikel → Angst vor Spritzen.

Auch für die Fachpersonen stellt eine Injektion ein gewisses Risiko dar. Sie können sich mit der Spritze versehentlich stechen, verletzen und sich mit einer Krankheit infizieren.

siehe auch

Angst vor Spritzen, Applikationsarten, Intravenöse Injektion

Literatur

  • Arzneimittel-Fachinformation (CH)
  • Fachliteratur

Autor

Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.


  • Journal List
  • Nature Public Health Emergency Collection
  • PMC8438279

Rechtsmedizin (Berl). 2022; 32(4): 271–276.

Language: German | English

Suicidal gas embolism in hospital

Abstract

Luftembolien sind im klinischen Alltag nach traumatischen oder iatrogenen Ereignissen eine häufig zu beobachtende Entität. Fälle einer in suizidaler Absicht herbeigeführten Luftembolie sind selten. Die Konnektivität von luft- und flüssigkeitsführenden Schlauchsystemen ermöglicht die Zufuhr großer Gasmengen in kurzer Zeit mit häufig tödlichem Ausgang. Der Einsatz einer Computertomographie vor der Obduktion ist in solchen Fällen obligat und ermöglicht eine umfassende Darstellung der zugeführten Gasmengen. Wir präsentieren den ungewöhnlichen Fall einer suizidalen venösen Gaszufuhr mittels eines stationären Sauerstoffgerätes in einem Krankenhaus.

Schlüsselwörter: Forensische Radiologie, Todesursache, Luftembolie, Suizid, Postmortale Computertomographie

Abstract

Air embolisms are a common entity seen in clinical practice after traumatic or iatrogenic events. Cases of a suicidally induced air embolism are rare. The connectivity of air-carrying and fluid-carrying tubing systems allow large gas volumes to be infused in a short period of time, usually with fatal outcome. In such cases, the use of computed tomography prior to autopsy is mandatory and provides a comprehensive visualization of introduced gas volumes. We present an unusual case of a suicidal gas embolism, in which a man in hospital connected a tube supplying oxygen to a venous catheter.

Keywords: Forensic radiology, Cause of death, Air embolism, Suicide, Postmortem computer tomography

Falldarstellung

Einleitung

Luftembolien sind eine im klinischen Alltag nach traumatischen Ereignissen oder medizinischen Eingriffen häufig zu beobachtende Entität [1]. Meistens entstehen sie durch das Ansaugen von Luft in eröffnete, klappenlose Venen oberhalb der Herzebene; deutlich seltener werden Luftembolien durch Druckapplikation von Luft in das venöse System hervorgerufen [8]. Luftembolien können asymptomatisch oder symptomatisch verlaufen. Die Folgen einer Luftembolie ergeben sich dabei aus unterschiedlichen Faktoren, wie der Luftmenge, der Schnelligkeit des Lufteintritts, dem Funktionszustand des kardiopulmonalen Systems der betroffenen Person sowie der Embolielokalisation im Gefäßsystem [1]. In der überwiegenden Anzahl der Fälle treten Luftembolien als Nebenbefund auf, haben aber auch in Abhängigkeit von den oben genannten Faktoren eine todesursächliche Bedeutung.

Klinischer Verlauf

Anamnese

Ein 74-jähriger übergewichtiger Patient (Body Mass Index 39,9 kg/m2) wurde mit Verdacht auf eine Urosepsis stationär aufgenommen. Zwei Tage zuvor wurde ein Tumor-Stent-Wechsel bei bestehender Harnleiterstenose rechts vorgenommen. Ursächlich für die Stenose war eine vor 10 Jahren durchgeführte subtotale Kolektomie aufgrund eines Karzinoms im Colon transversum. Vorbekannt waren weiterhin ein arterieller Hypertonus, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2, Asthma bronchiale sowie eine kardiale Vorbelastung nach biologischem Klappenersatz bei hochgradiger Aortenklappenstenose und eine absolute Vorhofarrhythmie bei Vorhofflimmern. Psychologische Vorerkrankungen oder eine suizidale Vorgeschichte waren nicht bekannt.

Klinischer Befund

Bei Aufnahme war der Patient fiebrig (39 °C) mit einer Atemfrequenz von 35/min und stabilen Vitalparametern (Blutdruck 132/65 mm Hg; Herzfrequenz 101 Schläge/min) mit einer Blutsauerstoffsättigung von 97 % unter nasaler Sauerstoffgabe (2 l/min). Der Bewusstseinsgrad wurde zwar auf der Glasgow-Koma-Skala mit 15 bewertet, allerdings machte der Patient zeitweise einen somnolenten und desorientierten Eindruck.

Laborchemisch ergaben sich neben einem Blutzuckerspiegel von 251 mg/dl und einer Hypokaliämie eine typische Infektkonstellation sowie eine nitritnegative Leukozyt- und Hämaturie im Urinstatus. Eine SARS-CoV-2-Infektion wurde ausgeschlossen.

Diagnose

Die Verdachtsdiagnose einer Urosepsis wurde schließlich durch eine mikrobiologische Untersuchung in Blutkulturen des Patienten (Escherichia-coli-Nachweis) gesichert.

Therapie und Verlauf

Zur weiteren Therapie erhielt der Patient einen periphervenösen Zugang in die rechte Ellenbeuge zur i.v.-Flüssigkeitszufuhr (1000 ml Jonosteril/Tag) und zur antibiotischen Behandlung. Bei bestehender Penicillinallergie wurde eine i.v.-Therapie mit einem Carbapenempräparat begonnen.

Im Verlauf der folgenden beiden Tage verbesserte sich der Allgemeinzustand des Mannes, und er entfieberte zunehmend. Am Morgen des dritten Tages nach Aufnahme erhielt er um 07:10 Uhr eine neue Infusionsflasche Jonosteril und wurde zu diesem Zeitpunkt als orientiert und nicht auffällig beschrieben. Gegen 08:55 Uhr wurde der Mann von einer Reinigungskraft auf dem Boden liegend vorgefunden (Abb. 1a). Auffallend war eine massive Stauung des Gesichtes mit zugeschwollenen Augen und aufgedunsenen Lippen (Abb. 1a, b). Der Körper des Mannes habe starr und aufgedunsen gewirkt. Da er auf Ansprache keine Reaktion zeigte und keine Atmung festgestellt werden konnte, wurde mit sofortigen kardiopulmonalen Reanimationsmaßnahmen begonnen (09:00 Uhr). Unter dem Verdacht eines anaphylaktischen Schockes wurde die laufende Infusion wenige Minuten später vom periphervenösen Zugang diskonnektiert und dabei festgestellt, dass aus dem Infusionsschlauch Luft ausströmte. Bei schwierigen Beatmungsverhältnissen und fehlender Herztätigkeit wurden die Reanimationsmaßnahmen bei anhaltender Asystolie um 09:30 Uhr beendet. Bei Verdacht auf einen nichtnatürlichen Tod wurden polizeiliche Ermittlungen eingeleitet. Auf Nachfrage beim behandelndem Hausarzt des Verstorbenen wurde ersichtlich, dass dieser bereits früher wiederholt Suizidgedanken geäußert habe.

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Es konnte polizeitechnischerseits rekonstruiert werden, dass das zur Nasensonde leitende und O2-Gas (3 l/min) transportierende Schlauchsystem mit dem Infusionssystem konnektiert und somit O2-Gas in das venöse System geleitet worden war (Abb. 2). Eintrittspforte war ein peripherer Gefäßzugang in der rechten Armbeuge (Abb. 3a, b).

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Postmortale Diagnostik

Postmortale Computertomographie

Unmittelbar vor Durchführung der Autopsie wurde ca. 72 h nach dem Versterben des Mannes eine postmortale CT-Untersuchung vorgenommen (Fa. Siemens Definition AS [Siemens Healthcare GmbH, Erlangen, Deutschland], Multislice-Spiral CT; Kollimation 128 × 0,6 mm).

Es zeigte sich ein typischer CT-Befund nach stattgehabter Gasembolie mit gasgefülltem rechtem Vorhof, rechtem und linkem Ventrikel, teilweise Gas bis in die Aorta ascendens und in die ventralen Pulmonalarterien (Abb. 4a–c). Die Untersuchung ergab ebenfalls ein ausgeprägtes mediastinales und kutanes sowie subkutanes Weichteilemphysem mit Punctum maximum thorakal (Abb. 4). Es konnte eine Auffiederung der Muskulatur des Thorax (Mm. pectorales) diagnostiziert werden. Das Weichteil‑/Subkutanemphysem zog sich nach kaudal bis zu den Oberschenkeln hin, bei aufgespanntem Skrotum (Abb. 5). Zusätzlich waren freie Luft intraabdominell bei fehlender Hohlorganperforation (permeative Verteilung) sowie der Nachweis von Bläschen in den venösen Blutleitern des rechten Armes und des Schädels festzustellen.

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Autoptischer Befund

Äußere Besichtigung.

Der Verstorbene zeigte deutliche Stauungszeichen bei allgemein aufgedunsener Körperhülle. Reichlich und kräftig ausgeprägte punktförmige Einblutungen wurden betont in den oberhalb des Herzniveaus gelegenen Körperabschnitten, einschließlich der Lid- und Bindehäute sowie in den Lippenumschlagfalten, festgestellt. Das Weichteilgewebe war, in einer Ausdehnung vom Gesicht bis in die Oberschenkel und die Handrücken reichend, auf Palpation massiv gasblasenunterfüttert, der Hodensack gasgebläht vergrößert. Im Bereich der rechten Ellenbeuge zeigte sich eine von einzelnen intrakutanen Gasbläschen (2–3 mm) umgebene Punktionsstelle. Die Venenverweilkanüle (Vasuflo T®; 1,75 × 51 mm; 16 G; Durchflussrate 196 ml/min) war bereits entfernt worden.

Innere Besichtigung.

Die Infiltration der Weichteile mit Gasblasen konnte makroskopisch im Thorax- sowie im Hals- und Kopfbereich bestätigt werden (Abb. 4a–c). Dieses Phänomen zeigte sich beispielsweise auch im Bereich des Kehlkopfes (Abb. 6a) und in der Kopfschwarte (Abb. 6b). Nach Eröffnen von Brusthöhle und nachfolgend des Herzbeutels wurde zum Gasnachweis die modifizierte Luftembolieprobe nach Richter [5] durchgeführt. Aus beiden Herzkammern konnten mit einer Kanüle großvolumige Gasansammlungen asserviert und unter Wasser im Herzbeutel in Headspace-Analysegefäße überführt werden. Bei dem mit einer biologischen Aortenklappe versorgten Herzen fanden sich auffällige Zeichen einer chronischen Herzmehrbelastung sowie ein Überschreiten des kritischen Herzgewichtes (740 g), Pleuraergüsse beidseits und eine Endokardfibrose bei mäßiggradig ausgeprägter Koronarsklerose. Das Foramen ovale war verschlossen. Es zeigte sich ein Abdominalsitus im Zustand nach Entfernung des vollständigen Kolonrahmens und Anlage einer Ileum-Sigmoid-Anastomose. Im rechten Harnleiter fand sich ein korrekt eingelegter Doppel-J-Katheter. Die Anlage der Venenverweilkanüle erfolgte in die V. basilica des rechten Arms. Bei Präparation des umliegenden Gewebes der Punktionsstelle waren zahlreiche Gasblasen feststellbar. Im Bereich der Punktionsstelle konnte nach 2,5 cm eine Aussackung mit Einblutung in die Gefäßwand der V. basilica dargestellt werden (Abb. 3b). Das Gefäß war hier jedoch intakt. In unmittelbarer Umgebung zeigte sich eine deutliche Gasblasenunterfütterung des Gewebes.

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Histologischer Befund

Von dem im Rahmen der Obduktion gewonnenen Gewebsmaterial aus Herz, Lungen, Nieren und Schilddrüse wurden nach Härtung in Formalin kleine Gewebsstückchen zugeschnitten und nach gründlicher Entwässerung in Paraffin eingebettet. Nach Anfertigung von Dünnschnittpräparaten erfolgte die Anfärbung mittels Hämatoxylin-Eosin und mittels der immunhistochemischen Färbung S‑100.

In der Lunge zeigten sich immer wieder kleine Pulmonalarterienäste, deren Lumen mit organisierten Fibrinpräzipitaten verlegt sind, in denen wiederum rundliche Aussparungen zur Darstellung kommen. In der S100-Färbung kann gezeigt werden, dass es sich bei diesen Leerräumen nicht um Fettzellen handelt, und dass somit von einem Einschluss von Luftblasen ausgegangen werden kann (Abb. 7). Auch in den nachgeschalteten Lungenvenen lassen sich teilweise (am ehesten hämostasebedingte) Fibrinpräzipitate nachweisen; in diesen kommen keine Luftblasen zur Darstellung.

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Die anderen untersuchten Organe waren unauffällig.

Chemisch-toxikologische Zusatzuntersuchung

Aufgrund der eindeutigen morphologischen Befundlage und der zweifelsfreien Ermittlungsergebnisse vor Ort wurde seitens der Staatsanwaltschaft auf eine chemisch-toxikologische Zusatzuntersuchung sowie Bestimmung des asservierten Gases verzichtet.

Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass es durch den Anschluss der O2-Versorgung an den Gefäßzugang in die rechte V. basilica zu einem relevanten Gaseinstrom in das Gefäßsystem mit Fortleitung zum Herzen sowie in die Lungenarterien gekommen war. Per definitionem wird dies als pulmonale Gasembolie bezeichnet. Dies führte zu einer akuten Widerstandserhöhung im Lungenkreislauf und einem verminderten Blutrückstrom zum linken Vorhof. Es kommt zu einer Mehrbelastung des rechten Herzens, konsekutiven Herzrhythmusstörungen und letztlich zum Tod durch ein akutes Rechtsherzversagen.

Diskussion

Im vorliegenden Fall ergab sich laut polizeilichen Angaben eine Sauerstoffzufuhr von ca. 3 l/min, was einer Zufuhr von 50 ml/s entspricht. Das lebensbedrohliche Mindestvolumen, welches in den Blutkreislauf eindringen muss, liegt in Abhängigkeit von der Injektionsgeschwindigkeit und vom Zustand des Herz-Kreislauf-Systems bei ca. 3–5 ml/kgKG (70–130 ml) bzw. 300–500 ml/s bei einer Injektionsrate von 100 ml/s [1, 5, 10]. Im aktuellen Fall kann somit davon ausgegangen werden, dass bereits nach wenigen Sekunden eine tödliche Dosis Sauerstoff ins Blutsystem eingebracht worden war, und dass das chronisch vorgeschädigte Herz nur sehr begrenzte Kompensationsmöglichkeiten gehabt hatte. Es ist daher äußerst wahrscheinlich, dass der Mann zum Zeitpunkt der Auffindung bereits nicht mehr reanimationsfähig gewesen war. Beachtlich ist in diesem Fall die große Gasmenge, die sich offensichtlich postmortal im Weichgewebe ausgebreitet hatte. Trotz des kleinvolumigen Gefäßzugangs im Verhältnis zur großvolumigen Sauerstoffzufuhr konnte reichlich Gas sowohl in das Gefäßsystem als auch in die Weichteile transportiert werden. Im Rahmen der postmortalen CT-Untersuchung wurde durch die Gasverteilung geschlossen, dass es zu mehrfacher Ruptur der venösen Gefäße, u. a. im rechten Oberarmbereich, gekommen war.

Ähnliche Fälle im Krankenhaus in suizidaler Absicht erfolgter tödlicher Luftembolien, wie der hier präsentierte Fall, sind selten. Aus rechtsmedizinischer und kriminalistischer Sicht gilt es dabei immer, den Vorwurf eines Behandlungsfehlers oder eines Fremdverschuldens zu prüfen. Selbst nach Ausschluss eines Fremdverschuldens ist nicht immer eindeutig zu klären, ob ein Suizid oder ein Unfallgeschehen vorliegt [2, 9]. Im vorliegenden Fall ist die große Gasverteilung in den Gefäßen und v. a. im Weichgewebe ungewöhnlich, ließ sich aber durch die Gegebenheiten und durch die rechtsmedizinischen und radiologischen Befunderhebungen rekonstruieren. Gasansammlungen im arteriellen Gefäßsystem (z. B. in der Aorta ascendens) wurden in vergleichbaren Fällen einer Gasembolie von anderen Autoren beschrieben [2, 4, 7]. Pathophysiologisch ist dieser Befund durch einen Rechts-links-Shunt erklärbar. Allerdings konnte im aktuellen Fall ein Rechts-links-Shunt durch ein offenes Foramen ovale ausgeschlossen werden. Bunai et al. [2] erklären den Übertritt von Gas ins arterielle Gefäßsystem durch einen erhöhten pulmonalarteriellen Druck, der zur Eröffnung intrapulmonaler arteriovenöser Shunts führt.

Eine Beibringung durch fremde Hand konnte anhand der Spurenlage und nach Auswertung der Zeugenaussagen ausgeschlossen werden. Bei geklärtem Hergang der Ereignisse wurde auf eine Gasanalyse der Asservate verzichtet.

Im klinischen Kontext sollten als besonders gefährdete Gruppe Patient*innen benannt werden, die sowohl mit einer i.v.-Flüssigkeitszufuhr als auch einer O2-Gabe therapiert werden. In der Vergangenheit wurde wiederholt von Kasuistiken mit tödlichem Ausgang berichtet, in denen die Zuleitungssysteme von nichtmedizinischen Personen diskonnektiert und bewusst oder versehentlich vertauscht rekonnektiert wurden [3, 4, 6, 9]. Auch wenn es sich hier um Einzelfälle handelt, sollte neben einer professionellen Schulung des Pflegepersonals auch eine Anpassung der Zuleitungssysteme z. B. durch eindeutige Kennzeichnungen, die ein Fehlkonnektieren verhindern, angestrebt werden.

Für die rechtsmedizinische Begutachtung ist der sichere Nachweis einer Luftembolie und deren Abgrenzung von Fäulnisgasen von besonderer Bedeutung. Die autoptische Untersuchung eines Verstorbenen erlaubt je nach aufgenommener Gasmenge schon durch Inspektion, Palpation der Gewebe, durch die Nachweismethode nach Richter oder durch histologische Gewebeuntersuchungen die Diagnose einer Luftembolie. Eine Bestimmung der Gasart (z. B. Luft, O2, CO2, Methan) ist durch weiterführende toxikologische Untersuchungen möglich [3, 7]. Heutzutage wird die frühzeitige (< 24 h) postmortale CT-Untersuchung bei Verdacht auf Lungenembolie empfohlen [1] bzw. sogar als Untersuchungsmethode der Wahl gesehen [6]. So ermöglichen CT-Aufnahmen außerdem die Darstellung von auch geringen Gasansammlung im arteriellen System, wie im Circulus arteriosus Willisii [4] oder der Ganzkörperverteilung von Gasansammlungen im Weichgewebe anhand einer 3D-Rekonstruktion [9]. Zusätzlich ist eine CT-gesteuerte Gasprobenentnahme zur weiterführenden toxikologisch-biochemischen Analyse möglich [3].

Bei Verdachtsfällen, insbesondere nach Durchführung ärztlicher Maßnahmen (z. B. Kraniotomie, ZVK-Anlage, Endoskopie etc. [1]) sollte umgehend eine CT-Untersuchung erfolgen, um eine umfassende Darstellung der aufgenommenen Gasmengen im gesamten Körper zu dokumentieren.

Fazit für die Praxis

  • Eine eindeutige Kennzeichnung und Anpassung der Schlauchsysteme ist im Krankenhausalltag essentiell, um mögliche akzidentelle oder in suizidaler Absicht erfolgte Fehlkonnexionen zu vermeiden.

  • Bei Verdacht auf eine Luftembolie ist eine CT-Untersuchung als unverzichtbar anzusehen.

  • Die CT-Befunde bei Luftembolie sind der makromorphologischen Befunderhebung und -sicherung überlegen und somit additiv zur Obduktion erforderlich.

Funding

Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

A. Böckers, S. Steinhoff, T. Scholl und S.N. Kunz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Untersuchungen erfolgten unter Einhaltung der Vorgaben der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer.

Footnotes

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Literatur

1. Brull SJ, Prielipp RC. Vascular air embolism: A silent hazard to patient safety. J Crit Care. 2017;42:455–263. doi: 10.1016/j.jcrc.2017.08.010. [PubMed] [CrossRef] [Google Scholar]

2. Bunai Y, Nagai A, Nakamura I, Kanno S, Yamada S, Ohya I. An unusual case of fatal gas embolism. Am J Forensic Med Pathol. 1999;20:256–260. doi: 10.1097/00000433-199909000-00008. [PubMed] [CrossRef] [Google Scholar]

3. Comment L, Varlet V, Ducrot K, Grabherr S. A fatal case of oxygen embolism in a hospital. Forensic Sci Res. 2017;2:100–106. doi: 10.1080/20961790.2017.1329695. [PMC free article] [PubMed] [CrossRef] [Google Scholar]

4. Edler C, Klein A, Püschel K, Schröder AS. Fatal air embolism in hospital confirmed by autopsy and postmortem computer tomography. Forensic Sci Med Pathol. 2018;14:251–254. doi: 10.1007/s12024-018-9961-2. [PubMed] [CrossRef] [Google Scholar]

5. Keil W, Berzlanovich A. Luftembolie – Rechtsmedizinische Aspekte. Z Rechtsmed. 2007;17:403–414. doi: 10.1007/s00194-007-0477-4. [CrossRef] [Google Scholar]

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9. Tatolli L, Gauselmann H, Oesterhelweg L. Fatal gas embolism in hospital: accident or suicide? Forensic Sci Med Pathol. 2020;16:528–530. doi: 10.1007/s12024-020-00222-7. [PubMed] [CrossRef] [Google Scholar]

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Wie gefährlich ist Luft in der Spritze?

Über das Kathetersystem eingebrachte geringe Luftmengen, beispielsweise beim unachtsamen Aufziehen von Luft statt von Kontrastmittel während der Prozedur, können die Mikrozirkulation in den Koronarien stören, was zur Angina pectoris-Symptomatik bis hin zur akuten Ischämie der Herzmuskulatur führen kann.

Was passiert wenn ich mir Luft in die Vene Spritze?

Es besteht die Gefahr einer Embolie: Enthält eine Vene Luft, dann wandern die Bläschen in Richtung Herz und Lunge. Und ähnlich wie Luftbläschen in der Kraftstoffanlage eines Autos den Benzinfluss zum Erliegen bringen können, so kann die aufgestaute Luft auch hier den Kreislauf stoppen.

Warum Luftblasen aus Spritze entfernen?

Die erkennbare Luftblase ist bewusst vorhanden. Sie dient der restlosen Entleerung der Spritze bis zur Nadel und sollte nicht herausgespritzt werden (siehe Herstellerangaben).

Was passiert wenn man im falsch spritzt?

Mögliche Fehlerquellen bei der intramuskulären Injektion Durch eine falsche Lokalisierung der Einstichstelle können Nerven oder andere Gefäße verletzt werden. Zudem besteht dann das Risiko, auf Widerstand zu stoßen. In diesem Fall handelt es sich um Knochenhaut.