"Wir wissen es jetzt ja im Moment noch nicht, für welchen Sarg sich eine Familie am Ende entscheidet, deswegen entscheiden wir es jetzt erst mal. Wir haben ja meistens erst die Überführungssituation, und dann die Gespräche mit den Familien. Deswegen nehmen wir erst mal einen schlichten, hellen Pappelholzsarg." Show
Christian Hillermann leitet das Hamburger Bestattungsunternehmen Trostwerk. An diesem Vormittag fährt er mit einem Kollegen zu einem nahegelegenen Krankenhaus, um den Leichnam einer alten Frau abzuholen.
"Also, das haben wir von Anfang an so gehabt. Wir wollten uns eben bewusst ja von der Farbe Schwarz ein bisschen lösen. Natürlich steht die geschichtlich für Tod und Trauern, auch nicht nur in unserer Kultur. Aber sozusagen für die Abholung von Zuhause war es uns sehr wichtig, halt so alltäglich wie möglich an die Menschen ranzugehen. Wir haben uns ganz am Anfang für die Farbe Dunkelrot entschieden, eher assoziiert mit Liebe und Leidenschaft. Liebe und Leidenschaft kommt unserem Begriff von Trauer ein Stück weit näher als der reine Fokus auf das, was alles traurig ist oder verloren gegangen ist, was sich vielleicht eher in der Farbe Schwarz ausdrückt. – Jetzt haben wir den Sarg im Auto und spannen ihn noch ein, dass er schön stabil steht. Dann können wir auch losfahren." Die Leichen liegen im KellerHillermann, der von einem Kollegen begleitet wird, schlängelt sich durch den Verkehr im Stadtteil Eimsbüttel, wo das Haupthaus von Trostwerk angesiedelt ist. Eine Filiale gibt es außerdem. Die Bestattungsfirma, 2003 gegründet, hat 16 Mitarbeiter – und drei Transporter. "Das Auto spielt in der Bestatterwelt, Bestatterinnenwelt eine relativ große Rolle. Erkennt man auch daran, dass das Bestattungswesen zum Beispiel in der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung organisiert ist. Also nicht, wie man vielleicht denken könnte, was ja tendenziell in unserem Verständnis eher ein sozialer Beruf ist, dass man in entsprechenden Berufsgenossenschaften sich wiederfinden würde. Die Gesellschaft geht offenkundig davon aus, dass Bestattungsunternehmen in erster Linie Auto fahren." Der Transporter erreicht die Einfahrt zur Tiefgarage des Krankenhauses. Hillermann scherzt. Die Redewendung von "der Leiche im Keller" hat andere Wurzeln: Ungetaufte durften früher auf katholischen Friedhöfen nicht bestattet werden. Starb ein Kind, bevor es getauft werden konnte, begruben die Eltern es oft heimlich in ihrem Haus, zum Schutz vor bösen Geistern. Der Keller bot sich an, weil selten ein Fremder dorthin kam. Im Krankenhaus hat die Lagerung der Verstorbenen logistische Gründe. Der Kühlraum erinnert an ein Setting aus einem Tatortkrimi. Boden und Wände sind weiß gekachelt. Links ein großes stählernes Kühlfach mit Platz für drei Leichen, daneben sechs kleinere. Außen an den Fächern stehen die Namen der Verstorbenen. Die alte Dame, die abgeholt werden soll, hat zusätzlich einen kleinen Zettel an ihrem großen Zeh, wie man das ebenfalls aus Krimis kennt. So ist jede Verwechslung ausgeschlossen. Gestorben wurde zu HauseSterben im Krankenhaus war nicht immer die Regel. "Verstorbene sind von ihren Angehörigen versorgt worden, das heißt: Die Organisation eines Begräbnisses, alles was damit dranhängt, das war im Grunde eine Aufgabe der Familie, aber auch der Nachbarn, Nachbarschaftshilfe spielt eine große Rolle. Und damit hat man auch einen Hinweis, dass im Grunde der Beruf des Bestatters, wie wir ihn heute so selbstverständlich kennen, dass es den eben noch nicht seit Jahrhunderten gibt, sonders es ist im Grunde erst eine Erscheinung des ausgehenden 19. Jahrhunderts." Mein mittlerweile erwachsenes Patenkind hätte sich schön bedankt, hätte ich ihm seinerzeit zur Konfirmation ein Totenhemd geschenkt. Er bekam, wenn ich mich recht entsinne, einen Lenkdrachen. "Das letzte Hemd hat keine Taschen." Ein Totenhemd für eine Erdbestattung.© imago/JOKER/PetraxSteuer Neurath: "Das letzte Hemd hat keine Taschen, weil man ja nichts mitnehmen kann, aber weil man natürlich auch nichts mitnehmen sollte. Jetzt kann man sagen, das widerspricht sich doch ein bisschen – nicht so ganz: Denn da sind wir wieder beim Thema Aberglaube, Volksglaube. Es gab es in früheren Jahrhunderten (die Überzeugung, MK), dass ein Toter vielleicht nicht wirklich tot ist, sondern gegebenenfalls doch wiederkehren könnte. Und deswegen sollte eben das letzte Hemd auch keine Taschen haben, weil: Er soll nichts mitnehmen können, das heißt, es soll keine Verbindung zu den Lebenden gehen, ja." "Dann öffnen wir jetzt mal den Sarg"Im Versorgungsraum von Trostwerk bereitet sich Christian Hillermann mit einem Kollegen darauf vor, einen verstorbenen alten Mann zu waschen und anzukleiden. Das Leben weicht langsam aus dem Körper"Es gibt natürlich eine große Spannbreite, viele Varianten, kommt immer drauf an, was eventuell für Krankheiten vorgelegen haben. Zum Beispiel beim Darmverschluss gibt es viel schnellere und andere Veränderungen als jetzt beim anderen Tod. Aber im Grunde genommen muss man sagen: Es ist nicht sofort jede Zelle tot, und insofern geht also auch die Veränderung nicht immer geradlinig einher." Bestattung nach DIN-NormDer Bundesverband deutscher Bestatter verpflichtet seine Mitglieder, sich an die DIN EN 15017 zu halten, eine Norm für das Bestattungswesen, die unter anderem den Umgang mit Verstorbenen regelt. Sie schreibt vor, dass Körperöffnungen geschlossen werden müssen, etwa durch Tamponaden. Trostwerk ist wie viele alternative Bestatter nicht in dem Berufsverband organisiert. Den Toten zu tamponieren hält Hillermann für meist verzichtbar und mitunter übergriffig. "Das liegt daran, dass das sogenannte Weichmacher-ATP, was also für die Muskelkontraktion wichtig ist, nach dem Tode zerfällt. Also das heißt, bei der Muskelbewegung geht es ja einmal drum, den Muskel halt zu verkürzen, und aber er muss sich ja auch irgendwo stabil halten. Und um diese stabile Verbindung zu lösen, wird Energie verbraucht, die nach dem Tod dann halt irgendwann zerfällt. Und das heißt, der Muskel erstarrt dann in der Position, in der er sich gerade befindet. Und das Lösen der Starre ist dann schon im Grunde genommen ein Fäulnismerkmal." Der Tod ist nicht mehr sichtbarFür Bestatter oder Angehörige, die einen Toten versorgen möchten, heißt das: Entweder bald nach Eintritt des Todes beginnen oder nach zwei, drei Tagen. Als meine Mutter vor fast 15 Jahren starb, kam ich gar nicht auf die Idee, dass meine Schwestern und ich die Totenfürsorge selbst übernehmen könnten. Es schien mir so normal, dass dies die Aufgabe eines Bestatters wäre. Sehen wollte ich sie unbedingt. Meine Mutter war in der kleinen Kapelle auf dem Friedhof Schattbachstraße in Bochum aufgebahrt, in einem Seitenraum. Wir bekamen bis zum Tag der Beerdigung den Schlüssel. Ich konnte bei ihr sein, so oft ich wollte. Ging mehrmals am Tag hin, verbrachte Zeit neben ihr, streichelte ihre Hände. Die Haut fühlte sich glatt und kühl an, nicht lebendig. Sie trug eine feine Wolljacke mit Knöpfen, meine Schwester hatte sie ausgesucht. Ihr Haar war wohl noch einmal gewaschen worden. Es lag ungewohnt feierlich um ihr Gesicht, nicht so, wie sie selbst sich frisiert hatte. Ihre Hände hatte man wie zum Gebet ineinander verschränkt. Die Geste passte nicht zu ihr. Als eine gute Freundin mich einmal begleitete, legten wir ihr die Hände schlicht übereinander. Das passte besser. "Man ist es eben auch nicht gewohnt, einen Toten zu sehen." © imago/biky Jeder Mensch muss in Deutschland beigesetzt werdenNeurath: "Es gibt schon eben einen deutlichen Wandel in der Bestattungskultur. Das wird zum Beispiel daran deutlich, dass manchmal Beisetzungen doch eine sehr persönliche, eine individuelle Note erhalten, indem vielleicht individuelle Rituale einfach praktiziert werden."
Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, der größte Parkfriedhof der Welt. © Deutschlandradio / dpa / Angelika Warmuth Einäscherung ohne AngehörigeDer auf einem Rollwagen bereitstehende Sarg wird eingeäschert, ohne dass Angehörige dabei sind. Ein Krematoriumsmitarbeiter drückt einen der vielen Knöpfe in einem kleinen Metallkasten an der Wand. Die in den Boden eingelassenen Schienen heben sich. Der Mitarbeiter zieht den Rollwagen weg, so dass der Sarg nun auf den Schienen ruht und langsam in Richtung des Ofentors gefahren wird. Das Tor wird angehoben und gibt kurz den Blick ins Innere des Ofens frei: Wände aus Ziegelsteinen, aber keine offene Flamme. Der Sarg wird eingefahren. Das Ofentor schließt sich hinter ihm. In Kürze wird sich der Sarg durch die in den Steinen gespeicherte Hitze selbst entzünden. Die Schienen fahren zurück und senken sich ab. Wie schließt man bei einem Toten den Mund?Der Mund wird mit einer so genannten Ligatur verschlossen. Dabei wird mit einem Baumwollfaden und einer chirurgischen Nadel der Unterkiefer von innen mit der Nasenscheidewand zusammengebunden, so dass Ober- und Unterkiefer aufeinander fixiert sind.
Was passiert wenn man eine Leiche küsst?Im Umgang mit Leichen, wie etwa in Bestattungsunternehmen, weiß man, dass eine schädliche Wirkung infolge Hautkontakt oder Einatmung von „Leichengift“ ausgeschlossen ist. Bei oraler Aufnahme, Injektion oder gewaltsamer Schädigung sind aber sehr wohl Erkrankungen durch Bakterientoxine (z.
Warum wird das Gesicht eines Toten abgedeckt?Schutz vor den "lebenden Toten"
Und vor denen musste man sich schützen und die durften einen natürlich nach ihrem Tod nicht anschauen. Um sich vor diesem lebenden Leichnam zu schützen, hat man die Augen und den Mund geschlossen.
Was passiert wenn man im Sarg liegt?In einem Erdgrab löst sich das Körpergewebe innerhalb von ein bis zwei Jahren auf: In dieser Zeit erfolgt die vollständige Skelettierung eines Leichnams. Fingernägel, Haare und Sehnen brauchen etwa vier Jahre, um zu verwesen. Die Knochen zersetzen sich zuletzt.
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