Johannes 14 6 Hoffnung für alle

Schreckliches in unsere Wohnzimmer und manchmal ereignet es sich mitten unter uns. Viele Menschen haben große Schwierigkeiten, damit zurechtzukommen, dies zu verarbeiten. Ihnen mangelt es an einem inneren Krisenmanagement. Darum ergänzt Jesus seine Aufforderung an die Jünger:Glaubt an Gott und glaubt an mich!Lasst euch nicht zu schnell verunsichern. Jesus spricht mit ihnen über seinen Abschied, über den Leidensweg, der ihm bevorsteht. Für die Jünger, insbesondere für Petrus und Thomas, lag dieser Weg Jesu sehr im Ungewissen. Sie konnten sich nicht vorstellen, was Jesus an Leiden, an menschlicher Niedertracht, an Enttäuschung erwartet. Deswegen beginnt Jesus seine Rede mit der Aufforderung:Euer Herz erschrecke nicht!Glaubt an Gott und glaubt an mich!um dann fortzufahren:In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.Stünde es anders: Ich wäre ein Lügner.Doch ich weiß, was ich sage.Denn ich gehe hin, unter die Himmel,und sorge dafür,dass ihr eine Heimat habt, dort,ein Zuhause.Schon gehe ich fort,um euch eine Wohnstatt zu schaffen,doch ich komme zurück,dann seid ihr meine Gäste,und wo ich bin, da seid auch ihr:geborgen und ohne Furcht.Ihr kennt meinen Weg:Ich will ihn gehen."Da sagte Thomas zu ihm:„Wie können wir den Weg kennen,da wir nicht wissen, wohin du gehst?"„Ich bin der Weg",antwortete Jesus,„ich bin Wahrheit,und ich bin Leben.Nur durch mich kommt ihr zum Vater."Johannes 14,1-6 - nach der Übersetzung von Walter Jens

Immer dann, wenn Gott uns Menschen durch Boten und Botschaften einschneidende Veränderungen des Lebens ankündigt, immer dann, wenn es gilt, zu neuen Ufern aufzubrechen, nimmt Gott uns zuerst das, was uns vor neuen Wegen zurückschrecken lässt: die Angst.
Euer Herz erschrecke nicht!
sagt Jesus zu den Jüngern
Fürchtet euch nicht!
ruft der Engel den Hirten auf dem Feld bei Bethlehem zu. Was auch immer auf uns zukommt: in welche Einsamkeit wir gestürzt werden, welchen Anfechtungen wir ausgesetzt sein werden, welche Katastrophen über uns hereinbrechen - all das ist kein Grund, sich durch Furcht niederdrücken zu lassen. Selbst wenn wir das Gefühl haben, uns werden die Glaubens- und Lebensgrundlagen entzogen - unser Erschrecken soll nicht größer sein als das Vertrauen, das wir in Gottes Führung, in sein gegenwärtiges Handeln setzen. Es ist gut, dass wir diese weihnachtliche Zusage am ersten Tag des neuen Jahres noch einmal hören. Denn es ist nicht einfach, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken. Da ist zu viel, was uns verunsichert: die Krise in der Familie, der Schuldenberg, die Krankheit, die gesellschaftlichen Verwerfungen, die Angst vor der Verrohung, die Sorge um den Hass, der so viel Unheil anrichtet.

Jesus belässt es nicht bei dem Aufruf:
Euer Herz erschrecke nicht!
Er fügt hinzu:
Glaubt an Gott und glaubt an mich!
Bei allem Unwägbaren, dem unser persönliches, gesellschaftliches, kirchliches Leben unterworfen ist: Nicht die Dinge, die Erschrecken auslösen, sollen uns beherrschen. Vielmehr möchte der Glaube zur gestalterischen Kraft für unser Leben werden. Aber nicht in dem Sinn, dass durch den Glauben all unsere Befürchtungen und Sorgen mit einem religiösen Zuckerguss überzogen werden oder wir einem Fatalismus nach dem Motto frönen: Gott wird`s schon richten. Nein, der Glaube befreit uns von Ängsten - vor allem von der Angst, in den Problemen unterzugehen. Der Glaube ermöglicht uns, auf den Problemen gehen, sie unter uns zu lassen, so wie Jesus auf dem Wasser wandeln konnte. Der Glaube lässt uns zielbewusst und darum hoffnungsvoll leben. Er eröffnet uns die Perspektive für die Zukunft unseres Lebens, unserer Kirche, unserer Welt. Denn er überlässt uns nicht dem Schicksal, nicht dem gegenwärtigen Zustand. Er öffnet das Fenster zur neuen Welt Gottes, durch das wir „geborgen und ohne Furcht" blicken können.

Wenn Jesus in vielen Heilungsgeschichten zu den gesundeten Menschen sagt: „Dein Glaube hat dir geholfen", dann bedeutet dies: Unterschätze nicht die Kraft deines Glaubens im Prozess der Heilung. Unterschätze nicht die Hilfe des Glaubens, wenn es um Erneuerung des Lebens und der Kirche geht. Unterschätze nicht die Wirkung des Vertrauens darauf, dass Jesus Christus bei uns Menschen ist an allen Tagen. Es ist ja inzwischen eine Binsenweisheit, dass bei schweren Erkrankungen, insbesondere bei Krebs, die wichtigste Medizin die Hoffnungskraft des Kranken ist, der Wille, der Krankheit nur so viel Raum zu geben wie unbedingt nötig, damit genug Platz bleibt für den Glauben, die Liebe, die Hoffnung.

Aber nun wissen wir: Glaube ist nicht gleich Glaube, weil Mensch nicht gleich Mensch ist. Wir wissen, wie schwer das ist, Glauben in seiner Unterschiedlichkeit zu beurteilen. Denn der Glaube des Anderen ist immer auch ein anderer Glauben. Wir wissen, wie verschieden wir aus unserer jeweiligen Glaubenshaltung die Kirche, die Welt und ihre Probleme sehen. Und doch ist es notwendig, unseren Glauben auch als gemeinsamen zu erfahren, die Verschiedenheit unter einem Dach zu erleben.
In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.
sagt Jesus relativ unvermittelt zu seinen Jüngern. Dieses Wort Jesu gehört für mich zu den schönsten und wichtigsten Botschaften der Bibel. Es sollte zum Leitwort für das Reformationsjubiläum wie für die Notwendigkeit werden, mit Menschen, die sehr unterschiedliche religiöse und kulturelle Beheimatungen haben, in Frieden zusammenzuleben.
In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.
Damit befreit uns Jesus von allen Engführungen. Das Haus Gottes, das Haus des Glaubens, ist kein eintöniger Plattenbau, in der jede Wohnung gleich aussieht. Glaube an Gott, Glaube an Jesus Christus, ist so vielfältig, wie die Wohnungen in unterschiedlich gestalteten Häusern in einer über Jahrhunderte gewachsenen Stadt. Nun brauchen wir ja nur auf unserem geistigen Bildschirm all die Wohnungen Revue passieren zu lassen, die wir kennen: die frisch sanierte und modern eingerichtete Belle Etage im Gründerzeithaus des Waldstraßenviertels. Wohnungen im Charme der 50ziger Jahre mit Nierentisch und Buffet im Stil des Gelsenkirchener Barocks. Die prall gefüllte Zwei-Raum-Wohnung, der eine Entrümpelung gut tun würde. Die Neubauwohnung mit Isolierverglasung, in der dringend die Fenster geöffnet werden müssen, damit der Mief entweicht und ... und ... und ...

Alle Wohnungen sind Bilder für unseren Glauben: entschlackt, vermieft, anheimelnd, modern, spießig, hip, offen. Aber jede Wohnung ist nur ein Teil des Hauses, wie auch jedes Zimmer nur ein Teil der ganzen Wohnung ist. So wie wir uns nie nur in einem Zimmer aufhalten, so ziehen wir auch während unseres Lebens um in eine andere Stadt, in ein anderes Haus, in eine andere Wohnung. Auch das gehört zum Glaubensleben: immer neue Entdeckungen machen im Hause Gottes, im Gebäude des Glaubens. Sich neu einrichten, ab und zu einen Tapetenwechsel vornehmen und oft genug lüften. Mancher hat es auch nötig, einmal ohne Dach über dem Kopf zu leben, auf Wanderschaft zu gehen - also aus der Kirche austreten, religiös unterwegs sein, ohne vor Anker zu gehen, irgendwann wieder in die katholische Kirche eintreten und dann evangelisch beerdigt werden.

Wie tröstlich, dass Jesus uns auf diese Vielfalt des Glaubens hinweist:
In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.
Wir lernen im neuen Jahr hoffentlich viele neue Wohnungen kennen. Wir müssen uns ja nicht sofort darin wohl fühlen. Aber wenn wir in einer anderen Wohnung zu Besuch und im ersten Moment über die Einrichtung befremdet sind, sollten uns eingestehen: auch so können Menschen leben und glauben. Aber - so höre ich schon die Fragen: Öffnet diese Deutung des Bildes von den vielen Wohnungen nicht der Beliebigkeit Tür und Tor - vor allem wenn wir dieses Bild noch ausweiten auf andere Religionen, auf das Haus Europas, auf das globale Zusammenleben? Gibt es nicht auch Bruchbuden, Räuberhöhlen, Spelunken, die wir nicht als Teil des Hauses Gottes ansehen dürfen? Was ist, wenn sich neben Kirchtürmen Minarette über den Häusern erheben? Auch das sind Fragen, mit denen wir uns verstärkt auseinander setzen müssen. Thomas, der Zweifler unter den Jüngern, fragt Jesus:
Wie können wir den Weg kennen,
da wir nicht wissen, wohin du gehst?
Wie können wir das Haus Gottes erkennen unter den vielen, so unterschiedlichen Gebäuden in unserer Stadt? Woher können wir wissen, wo Gott wirklich wohnt, wenn Jesus von uns geht, ohne zu sagen wohin?

Jesus antwortet auf die Frage des Thomas mit einem vielen vertrauten Wort:
Ich bin der Weg,
...
ich bin Wahrheit,
und ich bin Leben.
Nur durch mich kommt ihr zum Vater.
Ist das nicht ein radikaler Widerspruch zum Bild von den vielen verschiedenen Wohnungen? Plädiert Jesus hier nicht für einen Einheitsglauben, eine Einheitswohnung? Ergibt sich aus dieser Selbstaussage Jesu nicht zwingend auch ein Absolutheitsanspruch des Christentums? So wurde und so wird dieses Wort Jesu immer wieder ausgelegt. Ich halte dieses Verständnis für höchst problematisch. Denn wo dieses Wort Jesu exklusiv, also andere ausschließend, verstanden wird, da wird mit dem „Ich bin" Jesu automatisch mitgedacht: Ich, der Pfarrer, der Priester, oder: wir, die Kirche, oder: ich, der Papst, wir sind der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zu Jesus, zum wahren Glauben der Kirche, denn durch unsere Glaubensbrille. Nein - die Exklusivität des Weges, der Wahrheit, des Lebens ist nicht auf die Kirche, nicht auf Bischöfe, nicht auf eine bestimmte Glaubensrichtung, sondern ausschließlich auf Jesus Christus selbst bezogen.

Die Zugänge zu Jesus aber sind sehr unterschiedlich. Das können wir schon in der Jüngerschaft feststellen: Da ist Petrus, der sich nicht vorstellen kann, Jesus einmal zu verleugnen. Da ist Thomas, der von Glaubenszweifeln geplagt ist. Da sind Johannes und Jakobus, die sich als etwas Besseres wähnen. Schließlich ist da Judas, der sich enttäuscht von Jesus ab- und dann gegen ihn wendet. Aber früher oder später mussten die Jünger, müssen wir erkennen:
• Nicht wir sind der Weg, sondern wir verfügen über das Privileg, auf dem Weg, in der Spur Jesu wandeln und viele mitnehmen zu können.
• Nicht wir sind die Wahrheit, sondern wir können uns in der notwendigen Auseinandersetzung um Wahrheit an Jesu Botschaft orientieren, verfügen über Wegweiser und sind darum in der Lage einen sinnvollen Streit zu führen.
• Nicht wir sind das Leben, sondern wir können an Jesu Wirken, Leiden, Auferstehen teilhaben und darum sehr viel zum sinnerfüllten Leben beitragen.
Nur wenn wir uns so auf Jesus und seine Botschaft beziehen, aber eben auch deutlich unterscheiden zwischen ihm und uns, zwischen Christus und der Kirche, gelangen wir in eine der Wohnungen im Hause Gottes und können gleichzeitig ertragen, dass dort auch andere Menschen in anders eingerichteten Wohnungen leben, die auf ihre Weise zum Vater gekommen sind - zumal ich Gott nicht anders denken kann als den, der auch mir verschlossene Zugänge zu ihm zulässt.

Im neuen Jahr wird uns im Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum nicht nur das Verhältnis zur katholischen Kirche beschäftigen. Wir werden nicht nur voller Schrecken und selbstkritisch auf die gewalttätig-kriegerischen konfessionellen Auseinandersetzungen innerhalb des europäischen Christentums im 16. und 17. Jahrhundert zu blicken haben. Wir werden auch in eine grundsätzliche Debatte eintreten müssen über den Wert von Pluralität, von Vielfalt der Lebensentwürfe und des Glaubens - vor allem im Blick auf das interreligiöse Zusammenleben heute. Entscheidend wird dabei zweierlei sein:
• dass wir uns des eigenen Glaubens gewiss werden, also unsere religiöse Identität, unsere Beheimatung kennen;
• dass wir den Glauben der anderen kennenlernen und diesen Glaubensweisen angstfrei und neugierig begegnen - also die anderen Wohnungen (wie zum Beispiel eine Moschee oder einen buddhistischen Tempel) nicht nur betreten, sondern ihren Bau auch befürworten.
Das ist ein durchaus mühsamer Prozess - insbesondere im Blick darauf, dass wir uns auch auf eine Hausordnung zu verständigen haben. Wie schwierig, aber auch wie notwendig dieser Prozess ist, zeigen die Christenverfolgungen in islamisch geprägten Ländern wie auch die religiös gepushten Terroranschläge, die bei uns so viel Erschrecken auslösen. Trotz aller fundamentalistischen Gewalt müssen wir weiter und immer von neuem versuchen, das Böse mit Gutem, unsere Ängste mit Hoffnung zu überwinden - unser Herz nicht erschrecken zu lassen. Denn irgendwann gilt es, Mietverträge zu schließen, also beidseitig Zug um Zug die Wirklichkeit eines multireligiösen Zusammenlebens anzuerkennen. Schließlich haben wir aber auch zu erkennen, dass das unselige Treiben der Rechtspopulisten und der christlich fundamentalistischen Angsthasen, ihr Antipluralismus und ihre Nationalisierung der Politik, nichts anderes bedeutet, als uns in die Gleichförmigkeit eines Plattenbaus zu zwängen und diesen mit einem großen Zaun und einer hohen Mauer abzusichern. Dem aber gilt es zu widerstehen.

Vor den Gefahren, Aufgaben und Möglichkeiten sollen wir nicht erschrecken. Vielmehr können wir dafür dankbar sein, dass wir uns diesen Herausforderungen stellen können:
• dankbar für einen Glauben, der uns hilft, die Probleme nicht nur zu erkennen, sondern sie auch zu lösen.
• dankbar für das Haus, in dem Gott viele Wohnungen für viele Menschen, Völker, Religionen bereit hält.
• dankbar für den Weg, die Wahrheit und das Leben, mit denen uns Jesus im Dschungel unserer Existenz Orientierung verleiht, bis wir ans Ziel gelangt sind: der Friede Gottes.
Dieser ist höher als alle Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Was steht in der Bibel Johannes 14 6?

Die Worte Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben gehören zu einer Bildrede Jesu (Joh 14,6). Es stellt das vorletzte einer Reihe von sieben Ich-bin-Worten Jesu dar, die im Evangelium nach Johannes überliefert sind.

Wie mich der Vater geliebt hat so habe ich euch geliebt?

Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.