Wenn das kind entgleitet

Manchmal wissen Teenager-Eltern einfach nicht mehr weiter. Gerade wenn es so richtig schwierig wird, ist es jedoch wichtig, dass Eltern angemessen reagieren. Bei massiven Problemen kann zudem Hilfe von aussen Sinn machen.

Es ist normal, dass sich Eltern in einer so bewegten Zeit wie der Pubertät zeitweilig überfordert fühlen. Massive und regelmässige Verletzungen von Regeln sind jedoch für Eltern eine grosse zusätzliche Herausforderung. Es gilt, trotz allem konsequent und überlegt zu reagieren. Lassen Sie den Kontakt zum Teenager nicht abbrechen und nehmen Sie bei Bedarf Hilfe in Anspruch.

«Ich kenne mein Kind gar nicht mehr». Dieser Satz einer Mutter spricht manchen Teenager-Eltern aus dem Herzen. Plötzlich werden Regeln gebrochen und Gespräche verweigert, von einem respektvollen Umgang ist nichts mehr zu spüren.

So richtig schwierig wird es, wenn der Sohn oder die Tochter zum Beispiel über Nacht nicht nach Hause kommt, extrem risikobereit ist, die Schule verweigert, regelmässig Alkohol oder andere Drogen konsumiert, stiehlt oder ausreisst. Dann sind Eltern begreiflicherweise der Verzweiflung nahe.

Wenn Eltern überfordert sind...

Weshalb Eltern auf Grenzüberschreitungen reagieren müssen

Eltern sollten jedoch auf keinen Fall resignieren und gleichgültig werden oder sogar aufgeben. Setzen sie keine Grenzen, suchen die Jugendlichen oft selbst danach und überschreiten dabei massiv das gesunde Mass des Ausprobierens.

Eltern müssen deshalb bei Grenzüberschreitungen geeignet reagieren. Sie müssen ihrem Kind sagen, was sie davon halten, welche Sorgen sie sich machen, welche Gefahren sie sehen.

Auch wenn es so wirkt, als wollten Jugendliche von den Eltern nichts mehr wissen, hat deren Meinung dennoch Bedeutung.

Wie reagieren bei massiven Regelverletzungen?

Versuchen Sie, nicht aus der Wut heraus loszuschreien. Ihr Kind soll jedoch merken, wie Sie sich fühlen. Dabei ist zentral, dass Sie die eigenen Gefühle beschreiben – vermeiden Sie Vorwürfe, Beschuldigungen und lange Schimpftiraden. Sagen Sie Ihrem Kind kurz und klar, wie es Ihnen gerade geht. Beschreiben Sie Ihre Wut, Ihre Enttäuschung, Ihre Sorgen (mehr dazu in «Wie spreche ich mit meinem Teenager»).

Es kann vorkommen, dass man sich im Streit nur noch schwer kontrollieren kann. Ziehen Sie sich dann unbedingt zurück und verlassen Sie das «Schlachtfeld». Nehmen Sie das Thema später wieder auf, wenn Sie sich etwas beruhigt haben. Der Psychologe Haim Omer nennt dies «Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist». Konflikte können so besser geklärt werden.

Lassen Sie sinnvolle Konsequenzen folgen. Diese sollen in Zusammenhang mit der Grenzüberschreitung stehen und darauf abzielen, dass Ihr Kind Verantwortung für sein Handeln übernimmt und positiveres Verhalten lernt. Mehr Infos im Artikel «Bis hierhin … und nicht weiter!»

Konsequenzen sind sinnvoll. Im Gegensatz dazu sind Drohungen, Bestrafungen oder körperliche Gewalt keine «klare Grenzsetzung». Sie wirken sich auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind negativ aus. Es ist aber wichtig, dass Eltern auch bei Konflikten in Kontakt und im Gespräch bleiben.

Versuchen Sie zu verstehen, welche Ursachen hinter den Regelverletzungen stehen. Vielleicht finden Sie heraus, was helfen könnte, um weitere zu vermeiden. Überprüfen Sie, ob die Regeln noch angemessen sind, welche Freiräume und wieviel Verantwortung Sie Ihrem Kind geben. Weitere Tipps auf «Das traue ich meinem Kind zu» sowie «Mehr dürfen? Mehr müssen!»

Wann braucht es Hilfe von aussen?

Sich bei grosser Unsicherheit und Überforderung Hilfe zu holen, ist kein Akt der Schwäche. Im Gegenteil: Es zeigt, dass Sie alles daran setzen, Ihre Verantwortung als Eltern wahrzunehmen. Denken Sie an Ihr Auto: Vielleicht können Sie die Pneus selber wechseln, aber bei grösseren Problemen gehen Sie auch in die Werkstatt.

In folgenden Fällen kann Hilfe von aussen Sinn machen:

  • Wenn Sie selbst im Umgang mit Ihrem Teenager längerfristig an Ihre Grenzen kommen und nicht wissen, was Sie tun können, um die Situation zu verbessern.
  • Wenn gar kein gegenseitiges Vertrauen mehr möglich und die Beziehung zu Ihrem Kind in Gefahr ist. Es ist nun zentral, dass der Kontakt zum Kind nicht vollends abbricht.
  • Wenn es um Kriminalität geht. Das Kind klaut (mehrmals) oder ist anderweitig kriminell, es verhält sich massiv unsozial gegenüber anderen, wird gewalttätig. Hier muss die Sicherheit aller Beteiligten immer im Vordergrund stehen.
  • Wenn Sie psychische Probleme vermuten oder Anzeichen für Essstörungen, Depressionen, Selbstverletzungen (z.B. Ritzen), Suizidgedanken oder Sucht wahrnehmen.

Weiter mit «Nehmen Sie sich frei!»

Im Moment werden diese laut Jütte jedoch immer seltener besucht, die Veranstaltung durchlebt ein großes Tief. Nicht etwa, weil die Probleme mit den Kindern abgenommen haben. "Ganz im Gegenteil, gerade jetzt bräuchte man Elternbildung - aber bitte wann?", meint dazu Jütte.

Viele Eltern seien mehreren Belastungen gleichzeitig ausgesetzt und müssten zwischen Familie, Partner, Beruf und Freizeit jonglieren. Die Schwerpunkte würden dabei unterschiedlich gesetzt. "Und ich bin auch noch da", hört Jütte viele Eltern sagen, die fürchten, selbst zu kurz zu kommen.

Dabei bleibt laut der Erwachsenenbildnerin für die Betreuung der Kinder wenig Zeit, die folglich den ganzen Tag im Kindergarten, in der Schule oder im Hort verbringen. "Dadurch kennen viele Eltern den kleinen Menschen gar nicht, der da heranwächst", sagt Jütte - das Fehlen einer Vertrauensperson kann in Angstzuständen, Aggressivität, Suchtverhalten oder Schulverweigerung des Kindes gipfeln.

Doch selbst dann, wenn die Eltern über das auffällige Verhalten ihres Kindes etwa von der Schulleitung informiert werden respektive massive Lernschwierigkeiten auftreten, sind viele nicht bereit, an sich selbst zu arbeiten. "Vielmehr versuchen sie, die Probleme an Therapeuten abzugeben", sagt Barbara Kleedorfer, die in Wien eine psychologische Praxis für Kinder und Jugendliche führt und einen stetig steigenden Zustrom zu verzeichnen hat.

Grenzen als Sicherheit

"Eine Therapie ausschließlich mit dem Kind funktioniert aber nicht", fährt Kleedorfer fort, "das Lösen von Schwierigkeiten ist nur gemeinsam mit den Eltern möglich." Dafür sei es nie zu spät - aber je später die Therapie begonnen wird, desto länger dauert sie. Zuerst müsse die Grundeinstellung der Eltern geklärt werden: Falls einer Familie nur sehr wenig gemeinsame Zeit zur Verfügung steht, solle zumindest diese miteinander genützt werden. "Das Kind muss das Gefühl haben, dass die Eltern für es da sind und dass die freie Zeit, die bleibt, ihm zusteht", meint Kleedorfer.

Auch Jütte setzt die Vermittlung von Vertrautheit bei der Kindererziehung an erste Stelle. Gestärkt durch das dadurch heranwachsende Urvertrauen sei eine gesunde Entwicklung in einem gesicherten Raum möglich. "Hier müssen natürlich Grenzen gelten", betont Jütte "aber es ist gar nicht so wichtig, wo diese liegen." Vielmehr zähle für Kinder die Gewissheit, dass sich jemand um sie sorgt.

Diese gehe etwa bei einer antiautoritären Erziehungsmethode, die Ende der 60er-Jahre aufkam, verloren. "Die Philosophie dahinter war, dass sich Kinder frei entfalten können", analysiert Jütte, "in Wahrheit passiert die Entwicklung nicht im luftleeren Raum, sondern in der Beziehung zu Mutter und Vater."

Hilfesuche über Internet

Aufgrund des kumpelhaften Verhaltens vieler Väter lernen deren Kinder laut Kleedorfer nicht, was es bedeutet, sich respektvoll zu benehmen. Wenn sich diese schließlich über die Aufforderungen und Verbote der eigenen Eltern hinwegsetzen, suchen Letztere manchmal auch in Foren oder pseudowissenschaftlichen Erklärungen des Internets Hilfe - das jederzeit eingeschaltet werden kann und somit nicht durch fixe Termine zeitlich einschränkt.

"Vermutlich mit ein Grund, warum die Seminare der Elternbildung weniger genutzt werden", spekuliert Kleedorfer. Den Austausch mehrerer Betroffener mit ähnlichen Problemen findet die Psychologin grundsätzlich gut - dennoch bergen Ratschläge übers Internet die Gefahr, falsch transportiert oder angewandt zu werden.

Außerdem sollten sich Eltern laut Jütte prophylaktisch bilden - und nicht erst, wenn es bereits Probleme gibt. "Eltern, die kommen, wenn ihr Kind etwa ein halbes Jahr alt ist, können sich durch richtiges Vorwissen viele Sorgen für die Zukunft ersparen", sagt die Expertin, "und sie erleben vielleicht eine positive Zeit mit dem Kind, die sie sonst versäumt hätten."

Info: www.wiener-familienbund.at

Was tun wenn Kind entgleitet?

Schon wenn Eltern merken, sie erreichen den Jugendlichen nicht mehr, er entgleitet ihnen. Je nach Problemlage können sie sich an Drogen- oder Erziehungsberatungsstellen wenden, an sozialpsychiatrische Zentren oder psychiatrische Einrichtungen.

Was mache ich wenn mein Kind mich anlügt?

Erwischen Sie Ihr Kind beim Lügen, stellen Sie dies keinesfalls vor anderen Kindern klar. Sprechen Sie mit ihm allein. Versuchen Sie herauszufinden, warum es die Unwahrheit gesagt hat. Ihr Kind muss wissen, dass Sie immer zu ihm halten, auch wenn es einmal gelogen hat.

Warum ist mein Sohn so respektlos?

Neben einem ängstlich-vermeidenden Verhalten sind Bindungsschwierigkeiten oftmals die Ursache, wenn sich Kinder frech und respektlos zeigen. Sie benehmen sich aggressiv gegenüber Erwachsenen und anderen Kindern und zerstören Dinge. In manchen Fällen kommt es zusätzlich zu autoaggressivem Verhalten.

Wie kann ich meinem Kind wieder vertrauen?

Schenken Sie Vertrauen Sich geliebt und anerkannt zu fühlen, gibt Kindern das Vertrauen, auch dann geborgen zu sein, wenn mal etwas schief läuft. Vertrauen Sie auf Ihr Kind und trauen Sie ihm etwas zu! Denn dann wächst in ihm der Mut, die eigenen Kräfte auszuprobieren. Ihr Kind bekommt Vertrauen in sich selbst.