Anne Eckardt sieht man nicht an, dass sie unheilbar krank ist: Vor 13 Jahren wurde bei der Augsburgerin Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert, eine chronische Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Um die MS zu verzögern, bekommt die 34-Jährige ein starkes Medikament, das das Immunsystem unterdrückt. Und das hat – angesichts Corona – unerwünschte Folgen: Die Laborergebnisse ihrer Antikörper-Tests sind allesamt negativ – für Risikopatientin Eckardt keine leichte Situation. Show
Anne Eckardt, Multiple Sklerose-Patientin Keine Antikörper: Unklar, was das für den Schutz bedeutetAnne Eckardt ist kein Einzelfall, sagt ihr behandelnder Neurologe Antonios Bayas vom Uniklinikum Augsburg. An sich seien MS-Betroffene keine Corona-Risikopatienten, es sei abhängig von der Therapie und Medikation. Starke Medikamente zerstören bei MS-Betroffenen die B-Zellen, denn diese weißen Blutkörperchen sind mitverantwortlich für die Entzündungen im Gehirn. Aber: Diese B-Zellen spielen im Immunsystem eine wichtige Rolle, denn sie produzieren Abwehrstoffe, also die Antikörper. Ohne B-Zellen bilden sich nach einer Impfung also kaum oder keine Antikörper. Doch was das konkret für den Schutz der Betroffenen nach einer Corona-Impfung bedeutet, das wisse man noch nicht, sagt Bayas:
PD Dr. med. Antonios Bayas, Leitender Oberarzt, Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Universitätsklinikum Augsburg Israel: Risikogruppen bekommen vierte ImpfungWas also sollen Risikogruppen tun? Angesichts der Omikron-Welle werden in Israel seit Anfang des Jahres Risikopatienten und Mitarbeitende des Gesundheitswesens bereits das vierte Mal geimpft. Der Infektiologe Christoph Spinner sieht dazu noch keinen Anlass – zumindest nicht für die breite Bevölkerung, denn „viel hilft nicht immer viel“, sagt Spinner. Bei Risikopatienten aber, die keine Immunantwort entwickelt haben, könne im Einzelfall und nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder Ärztin eine vierte Impfdosis helfen.
PD Dr. med. Christoph Spinner, Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie, Klinikum rechts der Isar, München Er empfiehlt, nicht auf einen an Omikron angepassten Impfstoff zu warten, sondern jetzt zu handeln. „Die Booster-Impfung schützt vor den schweren Delta Verläufen. Und nach allem, was wir heute auch wissen, schützt sie zwar schlechter vor der Omikron-Infektion als Delta-Infektionen. Aber sie sorgt dennoch dafür, dass schwere Krankenhaus-Verläufe ausbleiben.“ Auch Krebspatienten von schwacher Immunantwort betroffenMehr als 4,6 Millionen Menschen in Deutschland sind von Krebs betroffen und damit potenziell durch einen schweren Covid-19-Verlauf gefährdet. Fritz Maurer ist darum zum Glück herumgekommen. Bei dem 54-Jährigen wurde 2020 Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert, eine OP und Chemotherapie waren nötig. Als Risikopatient wollte er sich möglichst vor Corona schützen, darum ließ er sich dreimal impfen. Doch vermutlich wegen der Chemotherapie hatte das Immunsystem des 54-Jährigen keine Antikörper gebildet – und dann infizierte sich Maurer im Dezember 2021 mit dem Coronavirus. Deswegen verabreichten die Ärzte am Klinikum rechts der Isar ihm per Infusion antivirale Medikamente mit Antikörpern. „Herr Maurer hatte die Delta-Variante, wovon wir wissen, dass es auch einen schweren Verlauf nehmen kann, gerade wenn keine Impf-Antikörper vorhanden sind. Weshalb das absolut wichtig war, ihm diese Antikörper per Infusion zu geben“, erklärt Assistenzärztin Alisa Lörsch. Fritz Maurer hat seine Corona-Infektion gut überstanden, auch den Krebs hat er besiegt – er möchte sich ein viertes Mal impfen lassen, wenn sein Genesenen-Status abgelaufen ist. Impfung zeitlich an Therapien anpassenOnkologen raten Krebsbetroffenen in jedem Fall zur Impfung und auch zur Booster-Impfung – zeitlich abgestimmt auf die Chemotherapie.
Prof. Dr. med. Hana Algül, Direktor Comprehensive Cancer Center, Klinikum rechts der Isar, München Dasselbe Prinzip gilt auch für Multiple Sklerose -Betroffene, sagt der Augsburger Neurologe Antonios Bayas. „Wir handhaben es so, dass wir die Impfung zum Ende des Therapiezyklus geben. Zum Beispiel findet die Therapie alle halbe Jahr statt. Wie geben die Impfung dann nach etwa fünf Monaten, um dann noch vier Wochen Zeit zu haben für den Patienten, dass er eine Impfantwort aufbauen kann.“ Die letzte und fünfte Corona-Impfung von MS-Patientin Anne Eckardt ist nun zwei Wochen her – also rechtzeitig vor ihrer halbjährlichen Medikamenten-Infusion. „Nach der fünften Impfung habe ich dann auch ein bisschen mehr die Impfung gespürt. Also so ein Kopfnebel, Schwummergefühl und auch Müdigkeit. Deswegen hoffe ich, dass die fünfte Impfung schon angesprochen hat und sich ein paar Antikörper gebildet haben“, sagt Eckardt. Demnächst lässt sie ihre Impf-Antikörper wieder überprüfen. Die Risikopatientin will trotz allem vorsichtig bleiben, das heißt also weiterhin: Hygiene – Maske tragen – und Abstand halten. Was ist eine schwere Grunderkrankung?Schwere Grunderkrankungen sind ein Risikofaktor
Darüberhinaus können alle schweren dauerhaften Grunderkrankungen – etwa chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder entzündliches Gelenkrheuma – mit einem erhöhten Risiko verbunden sein, dass Infektionskrankheiten einen ernsteren Verlauf nehmen.
Was ist der beste Impfstoff?Gemäß den Stiko-Empfehlung ist der Impfstoff von BioNTech/Pfizer für alle Altersgruppen geeignet und findet vor allem auch für Impfungen bei Personen unter 30 Jahren Anwendung, da er in dieser Altersgruppe seltener eine Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen hervorrzurufen scheint als der mRNA-Impfstoff von Moderna.
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